ACTA – Vorerst auf Eis gelegt


Anfang Juli hat das Europaparlament das Anti-Counterfeiting Trade Agreement – kurz ACTA – vorerst abgelehnt. Das Abkommen u.a. zur Stärkung geistigen Eigentums steht im Verdacht zu tief in die Grundrechte der Bürger einzugreifen, was gerade der Europäische Gerichtshof im Auftrag der EU-Kommission prüft. Die Meinungen zu ACTA oder auch zur GEMA gehen innerhalb der Musikszene weit auseinander, wir haben hier vier Statements für euch zusammengetragen.
Und mit CETA schwebt schon wieder was im Raum … 

Riley Reinhold (Traum Schallplatten)
Wir sind der Meinung, dass es schade und ein Schritt in die falsche Richtung ist, weil geistiges Eigentum geschützt werden muss. Man sollte aber nicht immer an die Nutzer gehen, sondern an die Share-Upload-Firmen. Die sollten zur Verantwortung gezogen werden, denn sie nutzen die Situation kommerziell für sich schamlos aus.

Ralph Böge (Paradise Entertainment & Distribution GmbH)
Die GEMA will und kann nicht mehr. Zu Alternativen wie C3S kann ich noch nicht viel sagen, und wir müssen auch erstmal prüfen, wer wirklich dahinter steckt. Unsere Bundesjustizministerin sprengt den Deich auch lieber, anstatt ihn auszubessern bzw. zu verbessern, um damit ein bisschen Sicherheit vor den eintretenden Wassermassen zu haben. Beckedahl* fordert ein „Recht auf Remix“, weil er wohl selber keine Ideen hat und sich mit dieser Definition alles nehmen kann, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Freunde der Nacht, es liegt noch einiges an Arbeit vor uns, um die Welt vor dem „Quick & Dirty Mob“ zu schützen, der weder Steuern bezahlt noch weiß, dass man Pizza nicht nur aus dem Kühlregal beziehen kann. Aber dieses Monster hat uns das Establishment eingebrockt, zu dem wir selber auch gehören. Es gibt also nicht nur einen Arabischen Frühling, sondern auch eine neue Aufklärungsphase bei uns. Und solche Phasen kosten Kraft und verursachen Schmerzen. Und bevor wir jetzt alle anfangen zu heulen, packen wirs an. It’s our future. Aber bitte ohne Megaupload und RTL, weil ich habe ein Kind und kann jetzt schon nicht mehr richtig schlafen. 

Dominik Eulberg (Traum/Cocoon)
Ich bedaure es sehr, dass das dringend notwendige ACTA-Abkommen gescheitert ist. Ich hoffe, dass man so bald wie möglich eine zeitgemäße Lösung findet, die weniger auf der Sanktionierung von Usern, sondern auf der gerechten Gewinnverteilung der generierten Einnahmen der Search und Shareseiten (durch z.B. Anzeigen) basiert.

Tanith (DJ & Blogger)

Natürlich freue ich mich darüber, dass dieses undemokratische Gesetz vom Tisch ist. Ich habe das ja lange verfolgt, was da aus den geheimen Hinterstübchen voller Lobbyisten herausdrang und bei dem gewählte Parlamente eigentlich nur zum Abnicken zugelassen waren. Umso erstaunlicher fand ich in der heißen Phase der Debatte wie konservativ so einige doch geworden sind, von denen ich das so nicht erwartet hätte. Es war ja durchaus zu hören, dass das alles doch ganz richtig sei und man wahlweise Exempel statuieren müsse, mal zeigen wo der Hammer hängt oder dass das doch eh schon deutsches Recht sei, das jetzt eben international gelten solle. Wohlgemerkt: Internetsperren, Netzsperren, Providerhaftung – diese undemokratischen Instrumente hätten einige mir bekannte Szeneangehörige in der Tat als richtig angesehen – aus Angst um eine Handvoll fucking illegaler Downloads! Ich hoffe, diese Herrschaften gehen jetzt mal ein bisschen in sich, wo dieses Monstrum nun vom Tisch ist, weil es eben einer westlichen Demokratie nicht würdig war. Aber Obacht: IPRED lauert schon hinter der nächsten Ecke, der Kampf ist noch lange nicht ausgestanden.
Ich will das mein Sohn irgendwann mal ein Internet zur Verfügung hat, das der freien Information und Willensbildung dient und nicht bloß den Verkaufsinteressen von Konzernen oder jenen, die die Mittel dazu haben entsprechende Stellen zu schmieren. Um diese Welt zu einer besseren für alle zu machen, darf man nicht zulassen, das diese zu der wird, die sie für einige mal war. Man muss nach vorne blicken, um zu schauen, wie sie für alle noch besser wird, und das wird nicht mit Mitteln der letzten Jahrhunderte gehen, weil die Welt nicht zuletzt auch durch das Internet eine andere geworden ist. Dialoge auf Augenhöhe würden da helfen, ein ACTA tat das mit Sicherheit nicht!

*Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org

www.de.wikipedia.org/wiki/Anti-Counterfeiting_Trade_Agreement
www.de.wikipedia.org/wiki/IPRED