Airbeat One 2018 – ein (nicht ganz gewöhnlicher) Festivalrückblick

Airbeat One Melli

Hattet ihr schon mal ein Mädel am Start? Klar, hattet ihr natürlich!
Hattet ihr schon mal ein Mädel bei einem Festival am Start? Womöglich auch das.
Aber: Hattet ihr schon mal ein Mädel bei einem Festival am Start, das am liebsten Schlager hört? Eben.

Ich schon. So geschehen beim Airbeat One Festival. Freut euch auf eine lustige wie illustre Geschichte, die sich tatsächlich so ereignet hat, liebe Raving-Society.

Es war Freitag, der 13., als ich mich mit dem weiblichen Helene-Fischer-Fan aufmachte, das Airbeat One Festival zu besuchen. An sich schon eine Schmach, die Wörter „Helene Fischer“ und „Airbeat One“ in einem Satz zu gebrauchen, aber gut. Defacto saßen wir im Shuttlebus, der uns vom Parkplatz P5 zum schätzungsweise drei Kilometer entfernten Festivalgelände beförderte. Wir parkten auf P5, da wir nur einen Tag Zeit hatten, Norddeutschlands größtes Festival für elektronische Musik mitzunehmen. Nur fürs Protokoll, falls ihr euch fragt, warum ein Schlagerfan dabei war: Dieser Fan ist eine Freundin von mir und war in der Nähe des Festivals im Urlaub. Und ich wollte ihr die einmalige Gelegenheit bieten, endlich mal richtig geile Musik auf einem richtig geilen Festival zu hören. So! So, nach einer stimmungsvollen Fahrt mit gut 50 Partypeople, die sich allesamt feucht-fröhlich auf die bevorstehende Sause freuten, checkten wir beim VIP-Schalter ein und erhielten unser Wristband mit Plastikchip. Hier schon mal das erste dicke Lob an die Veranstalter (ME Events, Music Eggert): Das Cashless-Payment-System war wirklich eine sehr gute Idee. Bargeldlos an allen Bars, Theken und Fahrgeschäften zahlen, indem man einfach den am Festivalbändchen befestigten Chip zuvor cash oder per EC-Karte auflud. Das ersparte jede Menge Zeit. Hierfür gibt´s definitiv ein fettes „gefällt mir“! Eine Woche zuvor hatte ich mit diesem System bereits fünf Tage lang auf dem Balaton Sound Festival Bekanntschaft gemacht. Hier wie da kam diese Bezahlvariante sehr gut bei allen Besuchern an. Somit – ich lasse einmal die Gerüchteküche brodeln… – ist Airbeat One vielleicht das erste Event auf deutschem Festivalboden, das mit diesem System arbeitet. Sollte ich falsch liegen – mea culpa.

Dann standen wir da, vor der imposanten Mainstage, die bereits mit roundabout 10.000 Leuten auf dem Dancefloor gefüllt war. 130 Meter breit. 40 Meter hoch. Das Design: Wahrzeichen aus dem Vereinten Königreich. Linkerhand ein Ausschnitt der Houses of Parliament, daneben Parts des Westminster Abbey, zentral thronte die Tower Bridge und rechts schloss sich der Big Ben an. Auch eine „Kopie“ des London Eye war on Location – im Schatten der weltberühmten Brücke, die zugleich als DJ-Kanzeln fungierte und deren beide „Straßenflügel“ sich tatsächlich heben und senken ließen. Zwischen die beiden Brückenpfeiler gespannt: eine riesige LED-Fläche, die rund zwei Drittel des Riesenrades verdeckte, sobald die Lichtelemente auf 100 Prozent liefen. Weiteres Kompliment also an die Organisatoren und kreativen Masterminds behind the Scenes: Auch bei der 17. Ausgabe des musikalischen Großspektakels toppte man sich erneut – im Vergleich zum Vorjahr, das nicht unter dem Motto „Great Britain“ stand, sondern die Devise „Reise in die USA“ floortechnisch untermalte und -mauerte.
Hundere Sharpys und Washer, zig Laser, rund zwei Dutzend Flame-Jets und fast genauso viele CO2-Shot-Stations sind nur ein paar Merkmale, um aufzuzeigen, welch superlative Ausmaße die Hauptbühne annahm. Über den Geschmack der Licht- und Lasershow lässt sich gewiss nicht streiten, über die Musik auf dem größten Floor des viertägigen Events schon. Klar, auch Musik ist immer Geschmackssache, aber EDM war nie mein Ding, ist nicht mein Ding und wird nie mein Ding werden. Somit hielt sich mein „Ich raste mal völlig technoid aus“ doch arg in Grenzen, als die holländischen Superstars der kommerzielleren Schiene an Laptop & Co. traten: W & W. Logisch: Das vom extra angeheuerten MC übliche „Put your Hands up in the Air“ kennt jeder von euch. Und auch ist es nicht unüblich, dass uns Mr. DJ in die Hocke bittet und auffordert, einen Raketenstart hinzulegen und gen Himmel zu hüpfen. Neu war für mich allerdings die Aufforderung, acht Schritte zum Beat nach links zu jumpen und dann wieder acht nach rechts. Auch dass man einen menschenleeren Kreis mit fünf bis sechs Metern Durchmessern bildet, in den dann eine Handvoll Partyvolk hüpft und sich wie Gladiatoren anspringt, ging ferner an mir vorbei. Dazu fällt mir nur ein Wort ein: Kindergartentechno. Zugegeben – war die Zielgruppe natürlich im Alter von 18 bis 28 Jahren.

Aber zurück zum Positiven: Die Beschallung war sensationell. Auch hier hat man einen Quantensprung hingelegt und die Anlage perfekt programmiert und gesteuert. Egal wo man auf dem gefühlt fünf Quadratkilometer großen Floor stand – der Sound erreichte in Perfektion unser Gehörzentrum. Allerdings nicht unbedingt zum Gefallen meiner schlagerhörenden Begleitung. Die war zwar völlig perplex, welche Technik hier eingesetzt wurde, wie brillant der Klang über das Freiluftgelände des ehemaligen Militärflughafens transportiert wurde, und immerhin fühlte sie sich zum Mitwippen animiert. Zum Tanzen aber: nicht unbedingt. Leider auch nicht in einem der größten transportablen Zirkuszelte Europas, das die Macher der Transmission-Partyreihe gehostet hatten. The Arena war die Homebase für alle Mello-Trancer, Progressive Trancer und Uplifting People. Ganz ehrlich: Nur selten habe ich eine so exakt und auf den Punkt genau in Szene gesetzte Lightshow gesehen. Und bei mehr als 20 Jahren Festivalerfahrung mag das durchaus etwas heißen… The Arena war von der Decke bis zum Boden und von der Stage bis zur Bar am anderen Ende der basslastigen Manege bestückt mit dem Neuesten an Technik-Highlights. Und der Sound: bombastisch. Der in Deutschland geborene und seit vielen Jahren in Miami / Florida lebende Trance-Pionier Markus Schulz spielte von 01:45 bis 03:15 Uhr eines seiner besten Sets ever. Auch sein Vorgänger und einstiger Protegé MaRLo bretterte zuhauf und bescherte dem ausrastenden Tanzvolk einen Schmaus an akustischen Vergnüglichkeiten. Wer seine Sache ebenfalls mehr als nur gut machte: Driftmoon, der im Anschluss an Herrn „Global DJ Broadcast“ performte.

Um meiner ganz persönlichen Helene Fischer aber nicht zu viel zuzumuten, sind wir zwischendurch zurück auf die Mainstage gegangen. Dort stand einer an den Reglern, der bis vor den Jahren der Kommerzialisierung zu meinen Top-Favoriten zählte: Armin van Buuren. Wobei ich eingestehen muss, dass mich allein seine eigens produzierten Tracks nicht sonderlich kicken und flashen – seine Live-Sets sind immer noch die Wucht, mit einem ordentlichen Bumms und Kawumms an Beats, Mello und Breaks. Als mich Armin gerade so richtig „abgeholt“ hatte, machte es statt bumms und kawumms leider paff. Stromausfall. Da hat wohl jemand dem lieben Armada-Labelchef den Stecker gezogen. Und: Nein, meine Schlagerbegleiterin war es nicht! Höhere Gewalt. Freitag, der 13. – er machte seinem Ruf alle Ehre.
„Gut“, dachten wir, „gehen wir halt rüber zu Q-Base“. Gedacht. Getan. Doch auch die Bühne, die die Harder-Styles-Fraktion RAM als Host innehatte, war kurz darauf offline. Nicht nur das. Auch das Terminal, in dem House und zu späterer Stunde feinster Techno lief – lag im Dunkeln. „Dark“ ist ja schön und gut, wenn es um die Musik geht, aber doch bitte nicht in Sachen Lichtshow. Und natürlich kam auch kein einziger Ton mehr aus den Speakern. Nichts. Ging. Mehr. Ich schätze, zweimal 20 Minuten. Was genau der Grund war – gute Frage. Denn normalerweise ist es heutzutage so gut wie unmöglich, dass ein technischer Knock-out für Stille und Dunkelheit sorgt.

Egal, so gönnten wir uns halt noch ein leckeres Hopfengetränk und als es dann hieß „The Show must go on“ und als dann Licht und Klang wieder da waren, ließen wir uns vom Riesenrad auf der Vergnügungsmeile in luftige Höhen gondeln. Immer wieder ein schöner Anblick auf das Menschenmeer der Mainstage.

„Great Britain“ lautete das Shouting des Festivals. Und ein hochachtungsvolles „“Wow, fantastic!“ erntet von mir der Partyboy, der in der VIP-Area von Q-Dance neben mir stand, mit dem Aufdruck „Trance Family Hawaii“ auf seinem Shirt. Ich fragte ihn: „You´re from Hawaii?“, und er so „Yes!“, und dann erklärte er, dass er einen Festivaltrip durch Deutschland macht. Zuvor war er bereits bei Ruhr-in-Love und hier und jetzt ravt er bei Airbeat One. Es folgen noch Besuche bei Parookaville und Nature One. Ein Visitor aus Hawaii also… Generell war Airbeat One international. 45 Nationen waren hier – und pro Tag 55.000 Besucher, was zu einem Alltime-Rekord von 180.000 Besuchern führt. Die Queen würde gewiss vor Neid erblassen, wenn so viele Leute vor ihrem Buckingham-Palace stünden und sie feierten, wie die Partycrowd ihre DJ-Helden. Was am samstäglichen Festivaltag genau jene Crowd etwas verwunderte: Dass bereits um 3 Uhr morgens das Grande Finale war. Nach Hardwell: Cut. Zumindest auf der Mainstage. Dies war zwar durch den Timetable im Vorfeld bekannt und angekündigt, doch das Staunen war trotzdem überaus groß, zumal den Timetable wohl nicht jeder auswendig gelernt hatte. 3 Uhr morgens… Zu der Zeit enstand übrigens das Foto oben, von einer mit mir befreundeten Partycrowd.

Abschließend lässt sich ohne jeden Zweifel die Behauptung aufstellen: Das Airbeat One Festival ist aus der Riege der nationalen und internationalen Veranstaltungsproduktionen nicht mehr wegzudenken. Die Organisation: Vom Shuttlebus über das Cashless-Payment-System bis hin zu Floordesign, Licht- und Soundanlage war alles 1 a! Auch das Personal hinter der Theke war stets „happy go lucky“, und auch die Security hatte immer ein Lächeln auf den Lippen. Apropos Security: Man fühlte sich absolut sicher auf dem Gelände des Flugplatzes, was in heutigen Zeiten des Terrors leider zur traurigen Selbstverständlichkeit werden musste. Aber auch hier hat Music Eggert weder Kosten noch Mühen gescheut und ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept auf die Beine gestellt. Chapeau!

„A World of Honor“, würde der Brite jetzt sagen, „war der Backstage-Bereich“. Ich war wirklich schon auf vielen Festivitäten, aber eine so liebevoll gestaltete Presse-Lounge habe ich selten zuvor gesehen. Chill-out-Stühle, eine Coffeebar, ein Kicker, Palmen – alles graziös ausgeleuchtet, in dezenten Farben. Und als Peak: Echte (!) Toiletten, zu denen man durch eine elektrische Schiebetür gelangt. Obendrein gab es auch noch sensorgesteuertes Wasser an den Handwaschbecken. Sprachlos.

Airbeat One 2018 hat sich dieses Jahr definitiv noch einmal selbst übertroffen, und mit mehr als 170 DJs und Acts aus aller Herren Länder im Line-up gehalten, was es versprochen hat: Ein großartiges, friedvolles Fest zu werden. Wir vom FAZE Magazin freuen uns schon auf die nächste Ausgabe, die vom 10. bis 14. Juli 2019 über die Bühne gehen wird. Vielleicht auch dann wieder mit der schlagerhörenden Sandra im Gepäck, die das erste Mal auf einem Festival für elektronische Musik und davon überaus positiv überrascht war. Schön, dass du das mitgemacht hast!

(C) Foto Mainstage: Melanie Lage
(C) Fotos Bildergalerie: Torsten Widua / Sandra Walter

Das könnte dich auch interessieren:
Festivalkalender 2018
Airbeat One – wir verlosen die Compilation
Airbeat One 2017 – ein Festivalrückblick
5 Tage Party am Plattensee – so cool war das Balaton Sound Festival
Nature One 2018 – Festivallegende auf der wohl schönsten Location Deutschlands