Dave DK will nicht mehr nach Berlin

 

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Dave DK

2015 war ein gutes Jahr für Dave DK. Sein dritter Longplayer „Val Maira“ erschien beim Kölner Technotraditionslabel Kompakt, und im November wurde er von den Ambient-Altmeistern The Orb als Toursupport gebucht. Wenn man sich sein Album anhört, weiß man aber schnell, warum es für ihn so gut läuft: David Krasemann verbindet gekonnt verträumte Ambient-Skizzen mit druckvollem Techno. Kein Wunder also, dass sich auch Ambient-Künstler für seine Musik interessieren. So unter anderem Leandro Fresco, der für den gerade erschienenen Kompakt-Sampler „Pop Ambient 2016“ einen Track von Dave DK geremixt hat. Und der wiederum gönnt sich keine Verschnaufpause. Im Januar 2016 erscheint eine Remix-EP zu „Val Maira“. Welche Acts darauf vertreten sind und inwiefern sich sein Sound im Laufe der Jahre veränderte, hat David FAZEmag-Redakteur Philipp Kressmann verraten.

Inwiefern hat dich die Atmosphäre in Hamburg bei der Produktion von „Val Maira“ beeinflusst? Du hast von deinem WG-Balkon schließlich einen wunderbaren Blick auf den Hamburger Hafen und den Fischmarkt.

Ich kann das nicht konkret beantworten, aber seitdem ich in Hamburg bin, hat das meine Produktionsweise schon inspiriert. Zum einen ist es mein Zimmer, das klangtechnisch für die Produktion perfekt geeignet ist. Und natürlich hat die Hafen-Atmosphäre etwas. Das sorgt für entspanntes und auch freundlicheres Arbeiten als in Berlin. Die „Palmaille“-EP ist nach einer Straße um die Ecke benannt und vor allem das Album wurde schon von dieser Stadt hier beeinflusst. Auch wenn ich an der Platte natürlich an mehreren Orten gearbeitet habe. Das meiste entstand aber doch hier, als die Ideen konkreter wurden. Es hat sich herauskristallisiert, dass ich vor allem bei Ambient in Verbindung mit Beats technoideren Charakters hängenbleibe.

Ursprünglich kommst du ja aus Berlin. War die Soundtradition der Hauptstadt relevant für deine Entwicklung?

Der Tresor war der erste Club, in den ich als Teenager so um 1993, 1994 reingekommen bin. Ich war da auch für eine Zeit Resident. Der Club hat mich neben der Panorama Bar also wahnsinnig geprägt. Vom Sound her hat mich das natürlich auch beeinflusst. Auch wenn sich das in meiner Produktionsweise nicht immer so wiederspiegelt. Das waren vor allem Detroit-House und Detroit-Techno, sehr amerikanische Sachen, die da gespielt worden sind. Das ist in Berlin vielmehr verwurzelt als in anderen Städten. Heute ist das aber schwieriger, von dem Berliner Sound zu sprechen. Es hat sich in den letzten Jahren viel vermischt, weil so viele zugezogen sind und die Szene ja schon immer international war. Außer Ostgut und dem Berghain ist ja nichts mehr so markant, was den berlinerischen Sound angeht.

Die Detroit-Wurzeln spürt man auf „Val Maira“ wirklich nicht mehr. Die hölzernen Beats und die Percussion auf der Nummer „Nueva Cancion“ erinnern zum Teil eher an Robag Wruhme.

Es wäre Quatsch, jetzt zu sagen, dass mich das nicht beeinflusst hat. Ich erhebe natürlich schon Anspruch auf meine eigene Musik. Aber der Pampa-Sound hat mich an sich schon sehr begeistert. Aber deswegen ist mein Album ja keineswegs eine Kopie. Das, was einen beeinflusst, vermischt sich halt mit dem eigenem Stempel. Glocken, Bell-Sounds an sich und Triangeln, solche Sachen sind ebenfalls sehr präsent auf der Platte. Nach solchen Samples habe ich auch gezielt gesucht. Es ging mir vor allem um diesen Gegensatz von Räumlichkeit und weiten Flächen. In diesem Sinne wollte ich straighte Loops sowie Technobeats – und als Gegenpart dazu die Harmonien.

Das Album klingt dadurch verträumt und gleichzeitig sehr druckvoll. Ganz wie der Hamburger Hafen sowohl für eine klare Infrastruktur als auch für eine romantische Kulisse steht. Deine früheren Produktionen gingen aber in eine ganz andere Richtung.

Von der Produktionsweise her war das eine ganz andere Sache, weil ich mixtechnisch auch noch nicht so weit war. Vom Stil her war das durchwachsener. Das war noch nicht so stringent wie auf „Val Maira“. Auch was die Soundwahl betrifft. Jetzt klingt das Ganze mehr wie ein Spannungsbogen. Anfangs wollte ich übrigens mehr mit Vocals arbeiten. Das hat sich dann aber als schwierig erwiesen und ich habe mich ganz auf die Instrumentals konzentriert. Ein Stück hat sich aber doch noch in diesem Sinne ergeben, „Whitehill“ mit Piper Davis. Die Nummer ist deswegen auch die erste Radiosingle geworden und lockert das Ganze auch gut auf.

Leandro Fresco scheint das Album gut gefallen zu haben. Er hat den Track „Veira“ geremixt, der jetzt auf dem aktuellen Ambient-Sampler von Kompakt erschienen ist.

Ich habe eine Mail von Kompakt bekommen. Ich glaube, die kam sogar von Wolfgang Voigt. Da wurde mir der Remix von Fresco zum ersten Mal gezeigt. Und dadurch bin ich auch erst in Kontakt mit ihm gekommen. Er fand das ganze Album anscheinend ziemlich gut und hat dann einfach aus reiner Begeisterung am Remix gebastelt. Ich finde, das ist auch der richtige Ansatz, wenn man Sachen remixen will. Das ist einfach natürlicher. Wenn man Sachen toll findet und beginnt, an denen zu arbeiten. Und nicht, weil man gefragt wurde. Das kann manchmal total passen und sich sehr gut ergänzen, aber meistens funktioniert es nicht so, weil man die Klangwelt nicht so verstanden hat. Das macht mehr Sinn, wenn man selber ein Stück wirklich weiter entwickeln will, so ist da meine Erfahrung.

Ende Januar 2016 erscheint eine Remix-EP von dir. Drei Künstler haben drei unterschiedliche Tracks von „Val Maira“ bearbeitet. Ulrich Schnauss ist einer davon. Wie kam dieses Projekt zustande?

Mir wurden paar Leute vorgeschlagen, aber ich habe dann letzten Endes selbst ein paar gefragt. Isolée ist ein guter Kumpel von mir. Wir haben uns über Pampa kennengelernt. Er wohnt gegenüber von mir und wir sehen uns auch regelmäßig. Er war Fan vom Album und hat sich was rausgesucht. Ulrich Schnauss, den kenne ich schon sehr lange, der ist ein sehr alter Freund von mir. Seit 1998. Wir haben in Berlin auch mal zusammengewohnt. Von ihm habe ich viel gelernt, was Synthesizer und Programmierung angeht. Ich habe mir auch schon mal was von ihm geliehen. Er ist Fan von analoger Produktion und hat auch einen riesigen Gerätepark. Und Portable Sunsets, das ist ein Musiker aus New York, der Anfang des Jahres ein ganz tolles Album rausgebracht hat. Das geschah beim Label Atomnation, für die ich in dieser Saison schon häufig gespielt habe. Den Labelowner kannte ich daher auch schon und deswegen habe ich einfach mal angefragt.

Wen würdest du selbst am liebsten mal remixen?

Den Indie-Bereich finde ich persönlich immer extrem spannend. Verwirrte Gitarrensounds, Unterstatement-Vocals, das alles interessiert mich. Klar, Pop-Remixe kann man auch gut machen, aber Indie ist da noch spannender. The Notwist beispielsweise finde ich super. Lali Puna gefallen mir auch ziemlich.

Ich habe mal ein DJ-Set von dir in Hamburg gesehen. Dramaturgisch gesehen verlief das ganz ähnlich wie deine LP: ein ständiges Pendeln zwischen Stücken, die sehr pointiert nach vorne gehen, und ruhigeren, verwaschenen Sounds. Was macht für dich einen guten Mix aus?

Generell mag ich Sachen, die sich langsam aufbauen. Deswegen spiele ich am Anfang auch meistens lange Intros. Ich finde das schön, am Anfang aufzulegen. Wenn die ersten Leute reinkommen und so. Das ist natürlich auch eine Aufgabe. Man kann das dann in verschiedene Richtungen lenken und gerade am Anfang hat man auch die Möglichkeit, sehr interessante Sachen zu spielen. Deswegen war das für mich auch super, The Orb auf Tour zu unterstützen. Ein Duo, das für Ambient sehr prägend war und auch schon lange bei Kompakt ist. Man kann sich das als einen Mix aus DJ-Set und Live-Performance vorstellen. Das ist sowohl technoid als auch mal dubbig. Ich war der Support-Act für die November-Tour. Die haben viele Länder abgegrast und ich habe die UK-Tour mitmachen können. Meistens habe ich eine Stunde am frühen Abend gespielt. Das war eine sehr gute Sache. Und ich habe in diesem Jahr viele Städte kennengelernt, in denen ich noch nicht war.

Magst du uns noch deine fünf Lieblingsalben aus 2015 verraten?

Portable Sunsets auf jeden Fall. Das wurde gar nicht so stark wahrgenommen, glaube ich. Das Alter Ego von Four Tet. Das Braids-Album war auch stark, aus dem Singersongwriter-Bereich. Die „Pop Ambient 2016“ von Kompakt, aber die Reihe finde ich eigentlich jedes Jahr gut. Das ist einfach zeitlos und eine Sammelgeschichte. Und natürlich noch „Vulnicura“, das neue Björk-Album.

Und hier ist die Spotify-Playlist von Dave mit Stücken, die ihn beeinflusst haben.

Und hier sind weitere tolle Künstler im Interview:
Ricardo Villalobos
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DJ Koze