DeepChord – von Stränden und lauen Sommernächten


Es vergeht kaum ein Jahr, in dem Rod Modell aka DeepChord seiner Kreativität einmal keinen freien Lauf lässt und uns unter einem seiner Pseudonyme mit neuer Musik versorgt. Seit nunmehr einem Vierteljahrhundert bastelt der Produzent aus Detroit mit seinem Kollegen Steve Hitchell oder auch alleine an neuen Tracks, die mit Stimmungen spielen, die von kalten Regentagen bis zu warmen Sommernächten reichen.  Anlässlich seines neuen Albums haben wir mit ihm gesprochen.

 

Dein neues Album ist am 27. August veröffentlicht worden und heißt “Sommer”. Warum hast du diesen Namen für deine neue Platte gewählt?

 Der Höhepunkt der Aufnahmen der Platte fand während wunderschönen Sommerwetters statt und das beeinflusste das Ergebnis drastisch. Mehr als ich erwartet hätte. Ich scheine wie eine Leitung für umliegende Gegebenheiten um mich herum zu sein und dies wurde in der Musik vereint. So lag der Name für mich klar auf der Hand. Dies war die leichteste Arbeit für mich seit Jahren.

Du machst jetzt bereits seit 25 Jahren Musik und hast über 50 Platten unter verschiedenen Namen veröffentlicht. Woher nimmst du neue Ideen und neue Kreativität um Musik zu machen? Was inspirierte dich für „Sommer“?

Ich sammle die meiste Inspiration aus meiner Umgebung (Luft, Stürme, Wasser) und geographischen Plätzen wie Amsterdam, Tokio und Barcelona. Ich wurde selten von irgendetwas Musikalischem oder anderen Musikern beeinflusst. Ich betrachte mich als erstes als Sounddesigner und als zweites als Musiker (wenn überhaupt). Demnach fühle ich mich nicht als Part der Musikverbindungen. Das erlaubt es mir frei von Grenzen zu arbeiten, die die anderen Musiker fühlen. Ich habe keine Notwendigkeit den Regeln/Launen/Trends der Musikmacher zu folgen. Wenn ich den Sound aus dem Kontext von Songs nehme, kommen meine Experimente besser zum Vorschein. Ich glaube wirklich, dass ich mehr gemeinsam habe mit Bildhauern, Malern und Grafikdesignern, als mit Musikern.  Als ich an „Sommer“ gearbeitet habe, waren es ca. 25 Grad draußen, da war der blaue Himmel mit einer leichten Brise vom Strand, die ins Studio wehte. Das war meine primäre Inspiration. Ich benutze viele Aufnahmen von draußen und jedes Mal, wenn ich versuchte eine zu nehmen, die nichts mit dem Sommer zu tun hatte, passte es nicht. Da gab es nicht wirklich vorgefertigte Vorstellungen als ich angefangen habe, aber  das Konzept kam zusammen, als alles in Gang kam.

Was ist der Unterschied zwischen deiner neuen Platte und dem letzten DeepChord-Album “Hash-Bar Loops” aus dem letzten Jahr?

Vom Vibe her sind sie komplett unterschiedlich. Ich lebte eine Weile in Amsterdam und ich gewöhnte mir die blöde Angewohnheit an den ganzen Tag zu schlafen und die ganze Nacht wach zu bleiben. Es war kühl und regnerisch und meine „Mitte des Tages“ war so zwischen zwölf Uhr mittags und fünf Uhr morgens.  Und das war das Gefühl bei „Hash Bar Loops“. Es klingt wie Amsterdam um drei Uhr nachts. Bei  „Sommer“ hat meine Umgebung das Ergebnis sehr geprägt. Als ich unter den genannten Bedingungen in Amsterdam gelebt habe, hatte ich noch nie daran gedacht ein Album wie „Sommer“ aufzunehmen, denn das ist das Gefühl von deinen Füßen im warmen Sand, Wasser am Strand und Segeln unter majestätischen blauen Himmeln mit großen Kumuluswolken.  Oder eine warme Sommernacht in der Natur. „Hash-Bar Loops“ ist reflektierendes rotes Neonlicht in einer kalten regnerischen Nacht. Ich glaube, sie sind beide gleich majestätisch in verschiedenen Weisen.

Wie kreierst du deinen einzigartigen Sound? Wie arbeitest du im Studio?

Primär arbeite ich mit Audio Loops eher als mit aufeinanderfolgenden Midi Loops. Diese Audio Loops sind die „Loops“, die sich auf „Hash-Bar Loops“ beziehen.  Die meisten Midi-in-Buchsen in meinem Studio sind nichts eingestöpselt. So habe ich in den 1980ern angefangen mit Electro-Harmonix 16-second Delay Pedalen zu arbeiten.  Diese Pedale wurden eventuell ausgetauscht durch Oberheim EDPs und Electrix Repeaters. In meinem Studio habe ich ein paar Synths, die mit einem Sub-Mixer laufen. Dieser Mixer läuft in einen Looper und wenn ich selbst etwas Interessantes einfange, fange ich an aufzunehmen.  Dann wechsle ich zu einem anderen Track auf dem Looper und bilde Strukturen. Ich berücksichtige dabei eigentlich nie Beats oder Basslines, wenn ich diese Strukturen mache.  Dann, an irgendeinem Punkt (manchmal erst am Ende), schalte ich eine Sampling Drum Machine dazu und füge ein „grid“ hinzu. Aber die Strukturen kommen zuerst. Ich hab nie erst eine Kick- oder Bassline aufgenommen und von da aus gearbeitet. Ich glaub das könnte ich auch gar nicht. Ich fange mit den wichtigen, emotionalen Sachen an und definiere dies dann ein bisschen mit rigiden Elementen. Als ob man mit Ton arbeitet. 

Viele der ursprünglichen Aufnahmen auf dem neuen Album wurden am Strand neben deinem Haus gemacht. Wie kamst du darauf? War das eine neue Erfahrung für dich?

Eigentlich eine eher alte Erfahrung. Ich habe, glaube ich, 1992 angefangen hier aufzunehmen. Ich habe diesen Strand schon immer geliebt. Er ist ungefähr eine Stunde von Detroit entfernt. Dort scheint eine mystische  Energie zu sein, die ich nicht erklären kann. Jahre bevor ich hier hin gezogen bin, kam ich hier runter und saß hier in der Nacht. Da wo ein großer Fluss einen großen See traf waren die Plätze immer spirituell sehr wichtig für mich. Das waren heilige Orte. Ich suchte schon immer nach einem Haus in dieser Gegend, aber die, die verkauft wurden waren selten. Dann, vor acht Jahren … kaufte ich eins. Ich zog um von einem etwas größeren Zuhause, was in einer eher städtischen Gegend lag. Das neue Haus ist ein altes Sommerhäuschen, aufgerüstet zu einem Haus, in dem man das ganze Jahr leben kann. Ich sehe die Küste aus den meisten Fenstern und höre nachts die Wellen am Strand, wenn die Fenster offen sind. Ich denke, es trägt dazu bei, dass ich durchweg eine leichtere Haltung habe. Ich lerne immer mehr darüber, wie Umgebungen Energien beeinflussen. Ich denke ich hätte eine schlechte Zeit, wenn ich wieder in einer großen Metropole leben würde.

„Sommer“ ist deine zweite Veröffentlichung auf Soma Quality Recordings. Was ist das Besondere an der Arbeit mit dem schottischen Label?

Für mich ist Soma legendär. Ich erinnere mich an so viele außergewöhnliche Releases. Sie haben sich mir wirklich angenommen und supporten den Detroit-Sound seit den frühen Tagen.  Vor ein paar Jahren habe ich mich immer mehr von Echospace (mein Label zusammen mit Steve Hitchell) entfernt, weil Steve an Verantwortung gebunden war, die eben Kinder mit sich bringen – verbunden mit gesundheitlichen Sorgen (die sich glücklicherweise von selbst auflösten). Ich bevorzuge es eher mit Steve zusammenzuarbeiten als alleine, aber das war keine Option. Außerdem neige ich eher dazu mehr Zeit in Europa zu verbringen als Steve und das waren dann auch Zeiten, in denen ich alleine im Studio. Ich machte also weiter und fand mich wieder mit einer Fülle von fertigem Material. Der Rest ist Geschichte. Ich dachte sie wären der Inbegriff der Professionalität mit „Hash-Bar Loops“. Als ich also ein anderes Projekt fertig hatte, waren sie meine erste Zuflucht. Sie haben meine Meinung in Betracht gezogen bei jedem Schritt auf dem Weg hinsichtlich meiner Veröffentlichungen. Ich denke „Hash-Bar Loops“ und „Sommer“ sind einzigartig, weil sie natürlicher sind als mein vorheriges Material. Ich denke sie wirken in einem breiteren elektronischen Publikum, da sie weniger „hardcore“ sind, als andere Veröffentlichungen von DeepChord. Diese sind leichter bekömmlich.

 Was können wir als nächstes erwarten? In diesem Jahr gab es ja z.B. auch den Soundtrack „Silent World“. Gibt es Pläne für weitere Kollaborationen mit Soultek oder vielleicht anderen kreativen Personen?

„Silent World“ wurde von  den „Liumin“-Sessions abgeleitet. Das Material wurde überarbeitet, aber der Kern der Aufnahmen kam eben daher. Als wir – Steve (Soultek) und ich – das aufnahmen, dachte das Label, dass es ein bisschen „härter“ werden sollte, also machten wir das nur ein wenig. „Silent World“ ist ein bisschen näher an dem Originalkonzept. Steve und ich sind gute Freunde und da wird es bestimmt noch einige Kollaborationen in der Zukunft geben.  In der Tat gibt es da einige Experimente und Loops, die wir schon gemacht haben. Ich bin mir sicher, dass diese noch zum Vorschein kommen. Wir beide arbeiten ähnlich, keiner von uns geht ins Studio nur für ein geplantes Vorhaben. Ich glaube, dass ich irgendwas erzwinge würde, wenn ich das tun würde. Stattdessen kommt die Inspiration mit der Zeit und an irgendeinem Punkt hat sich genug angesammelt, um es aufnehmen zu können. Da sind Steve und ich gleich, was natürlich sehr gut ist. Pläne für andere Kooperationen gibt es momentan nicht. 

www.somarecords.com