Disclosure – Der Himmel über New York City

DISCLOSURE by Simon Emmett
Schon seit ihrer im Sommer 2010 veröffentlichten Debütsingle „Offline Dexterity“ blicken die Brüder Howard und Guy Lawrence alias Disclosure immer wieder gerne über den viel beschworenen musikalischen Tellerrand hinaus. Und auch auf ihrem zweiten Album „Caracal“ präsentieren sich die experimentierfreudigen Briten wieder offen für vielerlei elektronische Einflüsse – und natürlich für jede Menge hochkarätige Gäste, mit denen das House-Duo erneut seine Floorfiller ziert.

Bereits auf ihrem 2013er Longplaydebüt „Settle“ durfte man sich angenehm überrascht wundern, wie es zwei Jungspunde im zarten Alter von damals gerade mal 18 und 21 Jahren fertig brachten, eine ganze Riege angesagter Top-Namen auf ihrer ersten Platte zu vereinen. Wobei ihr immenser Einstandserfolg den aus der südenglischen Grafschaft Surrey stammenden Lawrence-Brüdern uneingeschränkt Recht gab: Platz 1 der UK-Charts, fast eine halbe Milliarde Streams, eine Grammy-Nominierung und nicht zuletzt ein weltweiter Fan-Hype, dessen Hysterie-Ausmaße zeitweise schon dem so mancher Boyband ziemlich nahe kam. Auf ihrem neuen Album „Caracal“ haben sich Disclosure erneut so bekannte Special Guests wie The Weeknd, Sam Smith, Kwabs, Gregory Porter, Lion Babe und Lorde ins Studio geladen – ein logistischer Kraftakt, wie sich Howard Lawrence erinnert: „Viele Künstler schicken heutzutage nur noch Mails mit Gesangsspuren hin und her – wir wollen jeden unserer musikalischen Gäste persönlich treffen und mit ihm im Studio arbeiten. Obwohl alle wirklich große Lust auf dieses Projekt hatten, war es ein echter Albtraum, alles zeitlich zu koordinieren. Gerade der Track mit Lorde war wahnsinnig aufregend: Wir hatten davor schon zusammen bei den Brit Awards performt und uns tierisch gefreut, als sie irgendwann anrief und meinte, sie wäre gerade in London und würde gern mit uns ins Studio gehen. Dieser Track hat es tatsächlich noch in letzter Minute aufs Album geschafft – wir sind absolut happy!“ Während Disclosure ihr erstes Album noch in ihrem damaligen Kinderzimmer in der britischen Provinz geschrieben und produziert haben, wählten die Lawrences diesmal verschiedene Recording-Locations – darunter die legendären RAK- Studios in London, in denen in den letzten Jahrzehnten Meilenstei- ne von Michael Jackson, Pink Floyd, den Pet Shop Boys, Depeche Mode und vielen anderen entstanden. Für den Track „Nocturnal (feat. The Weeknd)“ begab man sich sogar ins hektische New York City. Eine ganz besondere Erfahrung, wie Guy mit leuchtenden Augen bestätigt: „Normalerweise arbeiten wir in Studios, die absolut nicht cool sind – dieser Song entstand in Alicia Keys’ Jungle-Studio mit einem Rundum-Panoramablick über ganz Manhattan. Ich denke, diese Atmosphäre hat sich auch irgendwie auf den Song niedergeschlagen; er klingt irgendwie anders, als wir üblicherweise klingen.“ Wer allerdings bei diesen luxuriösen Extrembedingungen ausschweifende Partyexzesse erwartet, den müssen die fleißigen Brüder enttäuschen. Sagt jedenfalls Howard: „Das Londoner Studio hatte nicht einmal ein Sofa. Wir mögen es nicht, wenn irgendwelche Leute bei uns rumhängen. Wenn wir im Studio sind, arbeiten wir sehr konzentriert und lassen uns nicht ablenken. Jeder Track auf dem neuen Album entstand in weniger als zwei Tagen. Natürlich gehen wir auch aus, um es richtig krachen zu lassen. Aber erst nach Feierabend!“ So wie zum Beispiel in Berlins angesagtestem Techno-Schuppen. Howard (21) und Guy (24) können sich stolz das Prädikat „Jüngste Band, die jemals im Berghain gespielt hat“ auf ihre Fahnen schreiben. Wooohooo. „Es war echt eine wilde Nacht“, erinnert sich Guy. „Gegen neun Uhr morgens sind meine damalige Freundin und ich wieder ins Hotel zurückgefahren, um wenigstens noch ein paar Stunden zu schlafen, bevor wir wieder am Flughafen sein mussten. Als ich aufwachte, war die komplette Suite geflutet – das ganze Zimmer stand unter Wasser! Sie hatte wohl leider vergessen, den Wasserhahn zuzudrehen …“ / Klaus Wieland

www.disclosureofficial.com
Aus dem FAZEmag 044/10.2015
Foto: Simon Emmett