Electric Universe – Schon immer der Musik verfallen

2017 faszinierte Boris Blenn aka Electric Universe auf dem Antaris Festival die Besucher auf ganz neue Art und Weise: Sein Live-Auftritt mit einer Laserharfe ging definitiv als ein ganz besonderer Moment in die Goa-Festival-Geschichte ein. Die Geschichte von Electric Universe begann, wie sich so einige von euch mit Sicherheit erinnern, schon in den Neunzigern. Bis heute steht dieser Name für grandiosen Sound; Artists aus aller Welt lieben und schätzen den Wahl-Berliner aus Hamburg für sein Talent und seine Herzlichkeit.

 

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Boris, danke, dass du dir trotz deines vollen Terminkalenders die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Was mich zuallererst interessiert: Warum Berlin und nicht Hamburg? Wie bist du hier gelandet?

Es war großartig, in den Neunzigern in Hamburg zu leben. Es war ja wirklich eine der wichtigsten Keimzellen des Psychedelic Trance. Nach der Geburt meines Sohnes 1998 wollten wir die ersten Jahre mit ihm nicht in der Großstadt verbringen und zogen für vier Jahre in eine Finca auf Ibiza. In der Zeit hat sich mein Freundeskreis immer mehr in Berlin gesammelt und als die Schulzeit näherte, entschieden wir uns, weiterzuziehen. Berlin ist eine tolle Stadt, ich fühle mich hier ausgesprochen wohl.

Was hat dich dazu bewogen, DJ und Produzent zu werden, und wie alt warst du, als du diese Entscheidung getroffen hast?

Elektronische Musik hat mich schon als Kind begeistert. Als Jugendlicher habe ich viele Stunden im Plattenladen verbracht und seit „House Sound Of Chicago“ in den Achtzigern die gesamte Entwicklung verfolgt. Mit 17 hatte ich dann das Geld für einen ersten Synthesizer und den Atari ST zusammen. Der Anfang war nicht einfach. Es gab ja noch keine YouTube-Tutorials und das Equipment war sündhaft teuer. Im Grunde hatten wir damals die ersten Homestudios überhaupt. Es dauerte dann einige Jahre bis zum ersten großen Release 1994. Da war ich 23.

Warum dieses Genre?

Als nach Acid House dann Techno und Trance kamen und ich auch endlich in die Clubs reinkam, musste ich feststellen, dass ich mich zwar mit der Musik, aber nicht so sehr mit dem Publikum dort identifizieren konnte. Dann nahm mich ein guter Freund mit auf eine Open-Air-Party, es war die erste große VooV Experience im Jahr 1992. Dieses Event hat mein Leben komplett verändert.

Womit hättest du deine Brötchen verdienen wollen, wenn dich dein Weg nicht in die Musikszene geführt hätte? 

Es war schon immer klar, dass ich etwas mit Musik zu tun haben würde.

Welche drei Künstler sind die für dich wichtigsten, welche hatten den größten Einfluss auf dich? 

Depeche Mode, Soft Cell und Kraftwerk.

Lass uns mal auf dieses faszinierende Instrument namens Laserharfe zu sprechen kommen: Wie bist du an das Teil drangekommen? 

Seit einigen Jahren arbeite ich von Zeit zu Zeit mit einer Berliner Künstlergruppe mit dem Namen Phase7. Die machen wirklich tolle Sachen, von experimenteller Oper bis hin zur Inszenierung von Großevents. Was mich besonders fasziniert, ist, dass sie versuchen, die Grenzen der technischen Möglichkeiten immer weiter auszudehnen. Bei einigen der Events war die Laserharfe ein Teil der Performance. So kam dann die Idee, dieses unglaubliche Teil mal auf einen meiner Gigs mitzunehmen. Wir hatten ein kleines Video von den Proben auf meiner Facebook-Seite gepostet, und das ging viral mit über 10 Millionen Klicks in kurzer Zeit.

Wie lange hast du gebraucht, um damit musizieren zu können? Wie und wo lernt man so was? 

Die Laserharfe wird von Christian Steinhäuser gespielt, dem musikalischen Leiter bei Phase7. Er hat eine klassische Musik-Ausbildung und spielt das Teil wirklich wie ein Instrument. Die Laserharfe ist ein DIY-Teil von den Phase7-Technik-Freaks und funktioniert wie ein kompletter Midi-Controller. Acht Töne, wahlweise mit Velocity oder Modulation auf jedem Beam. Das kann man nirgendwo lernen. Das hat sich Christian alles selbst beigebracht.

Wann hat man das nächste Mal die Gelegenheit, diese Performance zu sehen?

Wir sind mit der Laserharfe und der Gitarrenshow von Chico sozusagen als „Electric Universe Band“ auf der Indian Spirit im September gebucht und freuen uns sehr auf die Show. Wir arbeiten zurzeit auf Hochtouren an dieser Show sowie an neuen Tracks und Sounds mit der Laserharfe.

Hast du jemals ein klassisches Instrument gelernt? Wenn ja, welches?

Ich habe ein paar Jahre Basis-Unterricht auf dem Klavier gehabt. Aber ich spiele seit jeher am liebsten Computer.

Wie dürfen wir uns dein Studio vorstellen? Womit produzierst du? 

Ich produziere am liebsten mit Ableton Live. Ein wichtiger Teil von meinem Sound ist der Access Virus TI, immer noch der ungeschlagene Champion der fetten Lead-Lines. An Software nutze ich eigentlich die üblichen Verdächtigen wie Sylenth, Spire, Reaktor und auch viel von U-HE wie Zebra2 und Diva. In letzter Zeit greife ich auch wieder vermehrt zu Hardware wie dem Arp Odyssey und schaue gerade mal in die bunte neue Welt der Modular-Systeme rein.

Welcher deiner Tracks ist dir der liebste und warum? 

Eigentlich immer der neueste. Aber wenn ich einen auswählen soll, dann „The Prayer“, denn keinen habe ich so oft gespielt wie diesen und ich bin immer noch berührt von der Reaktion der Leute.

Mit wem hast du im Studio bereits zusammengearbeitet und produziert? 

Das ist eine lange Liste; mit Space Tribe, Outsiders, Liquid Soul, Raja Ram, Tristan, Symbolic, Laughing Buddha, Imagine Mars, Volcano, GMS und vielen anderen. Ich werde demnächst eine Compilation mit meinen Kollaborationen von 2000 bis 2018 herausbringen mit dem Namen „Intergalactic Encounter“.

Du hast vor Kurzem eine neue Podcast-Serie mit dem Namen Psycast ins Leben gerufen. Erzähl uns doch etwas darüber!

Ja, die Idee für Psycast ist auf einer meiner langen Reisen entstanden. Ich bin so viel unterwegs und treffe so viele interessante Leute, dass mir die Idee kam, einen Podcast zu starten, der jeweils an einem der tollen Plätze, an dem ich spiele, entsteht. Die erste Folge kommt direkt aus Goa. Die zweite ist gerade in der Fertigstellung und wurde in Israel produziert. Es gibt Interviews und Geschichten aus dem jeweiligen Land und natürlich viel Musik mit dem Schwerpunkt „Full On Uplifting Psychedelic Trance“.

2008 kam „Burning“ (feat. Chico); hast du da beschlossen, das Label Electric Universe Records zu starten?

Das Ende von Spirit Zone Records hinterließ ein ziemliches Vakuum und da ich zu der Zeit kein Label fand, auf dem ich mich zu Hause fühlte, entschloss ich mich dazu, meine Musik selbst zu veröffentlichen. Ein Label gut zu führen, ist wirklich viel Arbeit – ehrlich gesagt mehr, als ich gedacht hätte. Und da ich doch am liebsten Musik mache, war ich sehr froh, als ich dann 2013 mit Dacru Records wieder ein super Label fand.

Wie bist du dann bei Sacred Technology gelandet? 

Seit einigen Jahren haben sich meine musikalischen Verbindungen in Israel sehr vertieft. Durch verschiedene Kollaborationen und natürlich viele Gigs dort entwickelte sich eine super Connection zum neu entstandenen Label Sacred Technology und zur Management-Agentur Sonic Booking. Seit Spirit Zone ist es das erste Mal, dass ich musikalisch wie auch menschlich wieder eine Homebase habe. Das ist absolut großartig. Für mich ist Sacred Technology aktuell mit Abstand das Label mit der besten Musik. Wir sind ein großes Team mit viel Unterstützung, Feedback und Spaß auf gemeinsamen Gigs.

Wenn man deinen Tour-Kalender mal so durchschaut, bist du bei den tollsten und größten Events weltweit unter den Headlinern mit aufgeführt. Woher nimmst du all die Energie, wie lädst du deine Akkus wieder auf? 

Zuallererst: Ich liebe, was ich tue. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte und diesen schon so lange ausüben darf. In meiner Freizeit schaue ich natürlich darauf, einen Ausgleich zu finden. Ich habe eine tolle Familie, beschäftige mich mit Zen-Meditation und seit einigen Jahren schon bin ich begeistert von „Holotropic Breathwork“, einer Technik, die von Stanislav Grof entwickelt wurde.

Gibt es nach all den Jahren und so viel Erfolg noch eine persönliche Wunsch-Kollaboration? 

Da gibt es auf jeden Fall einige! Wenn es nur nicht so schwer wäre, genug Studio-Zeit zu finden. Geplant ist demnächst eine Kollaboration mit Alpha Portal und ich freue mich darauf, mal mit Astral Projection, den Meistern der Old-School-Melodien, einen Track zu produzieren.

Was waren deine emotional schönsten Momente als Künstler? 

Die schönsten Momente sind immer die, wenn Dancefloor, Musik und DJ eine Synergie eingehen. Unvergesslich für mich ist mein Gig in der Opening Night beim letzten Boom Festival.

Was können wir in diesem Jahr an Musik erwarten?

Gerade ist ein Electric-Universe-Single-Release mit dem Namen „Bansuri“ auf Sacred Technology rausgekommen – und die nächsten Releases sind in der Pipeline. Es wird außerdem so einige Veröffentlichungen in Kollaboration mit anderen Künstlern geben: Als Erstes ein Hammer-Track mit Volcano, Imagine Mars, dann weitere Tracks mit Space Tribe als ESP und mit Outsiders als Outside The Universe.

 
Aus dem FAZEmag 077/07.2018
Text: Jeanette Leiendecker