Enzo Siffredi – Tägliche Hingabe

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Enzo Siffredi – Tägliche Hingabe

Der im englischen Brighton lebende Enzo Siffredi ist Mitgründer der Labels Minimal Kids und Wired und sieht sich musikalisch eher als Außenseiter, da er stets versucht, stereotype Strukturen zu meiden. Sein innovativer und experimenteller Sound lässt aufhorchen, dennoch sagt er über sich selbst: „Ich bin nicht wichtiger als ein Grashalm.“ Und geheimnisvoll fügt er hinzu: „Doch sind die Sterne nicht weiter entfernt als der Stuhl, auf dem ich sitze.“ Ein paar seiner Geheimnisse lüftete er in diesem Interview.

Enzo, das erste Quartal 2017 ist bereits vorüber. Wie war der Anfang des Jahres für dich?

Der erste Teil des Jahres 2017 war bis jetzt großartig. Ich habe einen DJ-Mag-Livestream in London gemacht und ich arbeite viel an Musik, die noch dieses Jahr veröffentlicht werden soll.

Dein musikalischer Output ist sehr hoch. Was ist dein Geheimnis, das dich deinen Sound im Studio immer wieder neu erfinden lässt?

Harte Arbeit und tägliche Hingabe sind das einzige „Geheimnis“. Ich habe einen starken musikalischen Hintergrund und so macht es mich nicht glücklich, immer und immer wieder das Gleiche zu tun. Ich schätze, das ist der Grund, warum ich versuche, meinen Sound so oft wie möglich neu zu erfinden.

Deine Musik basiert oft auf Samples der Soulmusik und du sagtest mal, dass Künstler wie Nina Simone oder George Brassens eine große Inspiration für deine Arbeit seien. Wie kamst du in Kontakt mit Soulmusik?

Ich liebe generell Soul und alte Musik. Als ich aufwuchs, hörte ich sie oft und habe einfach nie damit aufgehört. Musik mit diesen Samples zu machen, hat wirklich etwas Therapeutisches für mich.

Wenn wir gerade über das Samplen reden: Wie entscheidest du, ob ein Sample zu deiner Musik passt? Was magst du am Samplen?

Nun, meistens suche ich nach einem „Faktor X“, aber manchmal funktioniert es einfach nicht. Da muss ich zehn Tracks samplen, um einen richtigen Track zu finden.

Hast du deine Karriere als DJ oder als Producer begonnen?

Sowohl als auch, würde ich sagen. Vor 14 Jahren fing ich an, als DJ in Clubs zu arbeiten, und produzierte zu der Zeit auch schon Tracks mit Logic. Nichts Ernstes, aber das Produzieren von Musik war schon in jungen Jahren ein wichtiger Teil meines Lebens.

Von deinem Standpunkt als Producer: Wie wichtig sind Trends für dich, wenn du an neuen Tracks arbeitest?

Ich mag das Wort „Trend“ nicht und für mich klingt es wie ein Begriff aus dem Marketing. Wenn ich Musik produziere, denke ich nicht an Trends oder Stile. Ich versuche einfach, etwas Gutes zu produzieren, etwas, das die Leute berührt. Oder sie wenigstens zum Tanzen bringt.

Dein letztes Release für Toolroom, „Blow“, bringt aufgrund der groovigen Bassline jede Tanzfläche zum Beben. Was ist das Geheimnis deiner fetten Basslines?

Ehrlich gesagt habe ich die Bassline von diesem Track gar nicht selbst gemacht. Es war eine Kollaboration mit Qubiko und er hat die Bassline gemacht. Aber da du es ansprichst: Als Kind war ich Bassist in einer Band und habe so ein gutes Gehör dafür entwickelt – das hoffe ich zumindest!

An den Wochenenden bist du immer auf Tour. Was sind deine drei Lieblingsclubs auf der Welt?

Es ist schwierig, aus all den vielen Locations, die ich gesehen oder in denen ich gespielt habe, drei herauszusuchen. Aber die Renate in Berlin war wirklich sehr beeindruckend für mich. Das Audio in Brighton würde ich zu einem meiner vertrautesten Lieblingsclubs zählen und das EGG in London ist auch einer meiner Favoriten.

Wie entspannst du dich am liebsten zwischen den Wochenenden?

Mit Boxen, Tennis und Yoga. Aber hauptsächlich mit Boxen.

Deine Musik wird auf Labels wie Supdup, Toolroom, Suara, Defected und auf deinem eigenen Imprint Wired veröffentlicht. Wann hast du Wired gegründet und was ist das Konzept dahinter?

Wired wurde 2010 gegründet. Es begann zwei Jahre vorher mit einer Party zusammen mit meinem Bruder Sav und unserem Freund „Little by Little“ hier in Brighton. Wir entschieden uns, unsere eigene Plattform zu gründen, um so unserer Kreativität einen Schub zu verpassen. Das Problem heutzutage ist, dass man auf das Label warten muss oder sich an den bestimmten Sound eines Labels anpassen muss, um überhaupt gesignt zu werden. Das funktionierte für uns nicht, da wir unseren eigenen Sound machen und nicht auf die ständige Zustimmung eines A&R warten wollten.

Was kommt als nächstes bei Wired?

Wir haben wirklich großartige Musik in der Pipeline. Sie soll in den kommenden Monaten veröffentlicht werden und ich kann es kaum erwarten, sie mit Musikliebhabern zu teilen. Außerdem wollen wir einige Label-Showcases in kleinen Clubs in Europa veranstalten.

Du lebst in Brighton. Was magst du an der Stadt? Erzähl uns was über die dortige elektronische Musikszene!

Brighton ist eine wunderschöne und internationale Stadt am Meer. Sehr entspannt und grün, das mag ich an ihr am meisten. In Sachen Musik hat Brighton eine große Vergangenheit. Künstler wie Fatboy Slim, Carl Cox, The Freemasons, Prok & Fitch, Maxxi Soundsystem und viele andere kommen aus dieser kleinen Stadt. Es gibt definitiv einen großen Zusammenhang zwischen Brighton, Kreativität und elektronischer Musik.

In wenigen Wochen geht schon die Open-Air-Saison los. Was magst du lieber: dunkle Clubs oder große Festivals?

Um ehrlich zu sein, mag ich beides. Es kommt immer auf die Situation und das Publikum an. Da ich ein großer Fan von Discomusik bin, genieße ich es sehr, draußen Vinyl-Disco-Sets zu spielen. Es muss nicht immer ein großes Festival sein, solange es sonnig ist und die Leute feiern.

Gibt es einen Künstler, mit dem du unbedingt in Zukunft zusammenarbeiten willst? Vielleicht jemanden außerhalb der elektronischen Musikszene?

Als Erstes fällt mir da Green Velvet ein. Ich hatte vor zehn Jahren das Privileg, mit ihm zu spielen, und er hat mich seitdem jeden Tag inspiriert. Außerhalb der elektronischen Musikszene gibt es so viele interessante Künstler. Vor allem Sänger wie Michael Kiwanuka oder Anderson Paak. Mit dem durchgeknallten Chilly Gonzales zu arbeiten, fände ich auch interessant.

Deine Remix-Skills hast du schon oft unter Beweis gestellt. Was ist für dich der Reiz bei einem Remix? Den Track noch besser zu machen? Und was magst du am liebsten – Remixe für House-Tracks oder Soulkünstler?

Ich hatte niemals die Möglichkeit, einen richtigen Soultrack zu remixen, aber ich hoffe, dass sich das in der Zukunft ergibt. Als Anreiz für einen Remix muss mir ein Element des Originals gefallen, sonst kann ich ihn nicht wirklich machen. Ich versuche mit einem Remix aber nicht, den Track besser zu machen, sondern einfach nur meine eigene Interpretation des Originals zu erstellen.

Aus dem FAZEmag 063/05.2017
Interview: Bastian Gies
Text & Übesetzung: Gabriel Popp
www.soundcloud.com/Enzo-Siffredi