Eulbergs heimische Gefilde: Insektensterben

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Liebe Freunde,
heute möchte ich versuchen Euch für etwas zu sensibilisieren, was einige von Euch vielleicht schon gehört haben und ich selbst sehr bedenklich und traurig finde.

Ich kenne es noch aus meiner Kindheit: In den Sommermonaten waren damals die Windschutzscheiben und Scheinwerfer des Autos voll mit Insekten, die man dann mit diesem gelben, rauen und schon anachronistisch anmutenden Schwamm wegkratzen musste. Wir alle wissen, dass dieses Szenario der Vergangenheit angehört – und nun liefert eine wissenschaftliche Langzeitstudie, die im renommierten „PLOS ONE“ Wissenschaftsmagazin veröffentlich wurde den traurigen Beweis: In den letzten 27 Jahren ist bei uns die Biomasse der Fluginsekten um mehr als erschreckende 75 Prozent zurückgegangen.

Insekten sind für viele andere Tiere eine unverzichtbare Nahrungsquelle. So leiden etwa auch die Vogelbestände dramatisch darunter. Deutschland hat in nur zwölf Jahren rund 12,7 Millionen Vogelbrutpaare verloren. Bedroht sind jedoch nicht nur die Vögel, sondern das gesamte Ökosystem, denn Insekten sind emsige Dienstleister. Sie zersetzen nicht nur Aas, Totholz oder Kot. Sie bestäuben Obstbäume und Gemüsepflanzen. Schon Albert Einstein soll gesagt haben: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch.“ Bereits heute müssen Pflanzen teilweise mühselig von Menschenhand mit Pinseln bestäubt werden.

Die Gründe für das Insektensterben sind noch nicht gänzlich erforscht. Hauptgrund aber scheint die intensive Landwirtschaft mit ihren Monokulturen zu sein, etwa aus Raps und Mais für geldbringende Biogasanlagen oder als Mastfutter für die Fleischindustrie. Der exorbitante Fleischkonsum ist also auch hier ein großes Problem. Ackergifte wie Neonicitoide und Glyphosat tun ihr übriges. Zudem ist der Flächenverbrauch immens. Jeden Tag wird eine Fläche von 100 Fussballfeldern in Deutschland zugebaut.

Wir müssen dringend anfangen umzudenken und der Natur wieder ihren Raum zurückgeben, den sie braucht. Wildblühende Wiesen etwa, die spät und nur einmal im Jahr gemäht werden, bieten genug botanische Diversität für unsere kleinen Freunde und deren Nachwuchs. Wir brauchen die Natur. Sie ist unser Lebensraum, die Mutter, die uns säugt.

Viele Menschen mähen noch aus archaischen „die-Natur-beherrschen-wollenden-Gründen“ ihre Gärten, damit es auch schön „ordentlich“ aussieht. Jeder von uns kann damit anfangen in seinem Garten Wildblumen stehen zu lassen, etwa als kleine Inseln. Meiner Meinung nach müsste es Pflicht sein, dass 10 % der Gemeindeflächen Wildblumenwiesen sind. So hätten sie wieder mehr Habitat und gleichzeitig könnte der Mensch sich an ihrer Schönheit erfreuen. Rund um Äcker sollte es wenigstens Grünstreifen geben, denn ohne diese sind solche Landschaften oftmals wie ausgeräumt und leergefegt. In Schutzgebieten gibt es zwar noch stabile Populationen, diese sind aber oft zu weit voneinander entfernt, als dass hier ein Genaustausch stattfinden könnte. Dies wird früher oder später auch dort zu großen Problemen führen. Ein Mosaik aus blühenden Landschaften, ein Biotop-Verbund wäre die einzig rettende Lösung, die ich hier sehe.

Neben all ihrer Funktionalität können wir überdies viel von den Insekten über das Leben lernen, wenn wir nur ihr Wesen verstehen. Schmetterlinge etwa sind für mich Sinnbild der Schönheit des Lebens, ein Ahnen des großen Wunders. Sie sind wie fliegende Blumen, filigran und bunt, wie kleine Kunstwerke, die von genialen Künstlern designt wurden. Schon Hermann Hesse sagte: „Man muss schon blind oder aber sehr verhärtet sein, um beim Anblick der Schmetterlinge nicht eine Freude, einen Rest von Kinderentzücken zu empfinden.“ Dabei ist der Schmetterling nur der letzte, festliche Akt eines Lebewesens, welches lange Zeit zuvor Raupe war und teilweise nur wenige Tage als Falter lebt – nur um mit einem prächtigen Gewand den Akt der Liebe zu zelebrieren.
Abschließen möchte ich mit diesen wundervollen Worten von Carlo Karges aus einem Songtext der Band Novalis.

Alles Liebe, Dominik
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Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiss, wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein
ungestört von Furcht
die Nacht entdecken.
Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Tier, zum Narr, zum Weisen,
und kann in einer Stunde
durchs ganze Weltall reisen.
Er weiss, dass er nichts weiss,
wie alle andern auch nichts wissen,
nur weiss er was die anderen
und er noch lernen müssen.
Wer in sich fremde Ufer spürt,
und Mut hat sich zu recken,
der wird allmählich ungestört,
von Furcht sich selbst entdecken.
Abwärts zu den Gipfeln
seiner selbst blickt er hinauf,
den Kampf mit seiner Unterwelt,
nimmt er gelassen auf.
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiss wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.
Der mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genauso sterben,
und ist selbst dann lebendiger,
als alle seine Erben.

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