Faithless – JA/NEIN

JA
Nein – ich gehöre nicht zu den Kindern der Generation Omen oder Dorian Gray, die zeitgleich mit dem Release von „Insomnia“ oder „God Is A DJ“ kopfüber im Club standen. Auch oder gerade deshalb würde ich niemals behaupten, Faithless hätten meine musikalische Jugend geprägt. Denn als Maxxi Jazz seiner Zeit die ersten Male seine Oberbekleidung fallen ließ, um zu einem „This is my church, this is where I heal my hurt“ anzusetzen, war ich gerade mal elf. Vielleicht hatte ich ein paar Jahre später jedoch genau aus diesem Grund die Möglichkeit, diesem unbändigen Hype mit etwas Abstand entgegenzublicken. Und ja, die Tracks klingen nicht nur heute wie wahre Hymnen – sie werden es in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren unter Garantie noch immer tun. Welche Band – ob elektronischer Zunft oder nicht – schafft es über so einen langen Zeitraum, gleich mehrere Genrerationen zu begeistern und so Musikgeschichte zu schreiben? Da fallen mir jungem Hüpfer in der Tat nur sehr wenige ein. Diese Gruppe erfüllt meiner Meinung nach das perfekte Bild wahrer Rockstars – ohne Rock zu machen. Deshalb sage ich „Ja zu Faithless“. Ich bin dankbar, bis zur Trennung im vergangenen Jahr gleich zweimal die Möglichkeit gehabt zu haben, diese großartige Musikkapelle live zu erleben – auf dem SonneMondSterne Festival 2010 sowie im gleichen Jahr im Kölner Palladium. Und so reihe ich mich nach diesen absolut unvergesslichen Erlebnissen nicht nur in die Reihe der „Ja“-Sager ein, sondern vielmehr auch in die Reihe der „Danke“-Sager. Danke Faithless. Ich bin dankbar, den vielen und vor allem großen Erzählungen über euch Taten folgen gesehen zu haben. Und so werde ich sicherlich noch des öfteren diese DVD einlegen, die es auf beeindruckende Art schafft die Energie und den Vibe bis auf die heimische Couch zu transportieren. Ihr verdient meinen vollen Respekt dafür, mit solch einem Paukenschlag in Würde abzutreten und nicht wie heute üblich die wenigen, restlichen Jahre eurer Karriere die Presse mit Schlagzeilen über Alkohol, Drogen oder gar Schlimmeren zu füttern. Danke Faithless, es war kurz aber intensiv. / Rafael Da Cruz

Jein
8. April 2011. Längst ist die Trennung von Faithless öffentlich, da spielen sie noch ein letztes Konzert in Londons Brixton Academy und lassen dies in zahlreiche Kinos weltweit live übertragen. Hübsche Idee für alle die dabei waren. Ganz bestimmt. Denn Faithless zählen nicht ohne Grund zu den wohl wichtigsten Acts des Dance-Genres – und das auch noch ein Jahr nach ihrer Trennung und sicherlich noch weit, weit darüber hinaus. Dass der Sound selbst in der Brixton Academy in dieser Nacht Gerüchten zufolge eher unterirdisch gewesen sein soll, lässt die nun erschienene DVD dank digitalster Technik nicht mehr erahnen. Auch die Performance ist durch zahlreiche Musiker und Rampensau Maxi Jazz absolut bühnentauglich. Das breite musikalische Spektrum bietet Abwechslung, bekommt man nicht nur die üblichen Dance-Klassiker wie „Insomnia“, „Mass Destruction“ oder „God Is A DJ“ zu hören und sehen, sondern eben auch durchaus ruhigere Töne. Wohl um die Pulsfrequenz der wild umher hüpfende Masse zwischendurch zu neutralisieren und größere Personenschäden zu vermeiden. Eine atmosphärische Lightshow gibt es gleich dazu, das alles attraktiv zusammengeschnitten, so dass auch das Auge etwas davon hat. Warum ich dennoch eher auf der Contra- Seite hinsichtlich dieses Releases stehe, ist der Umstand, dass ich grundsätzlich ein Problem mit Live-CDs und Live-DVDs habe. Warum soll ich mir daheim ein Konzert anhören oder anschauen, das mir zwar – zumindest via DVD – Perspektiven eröffnet, die ich als stinknormaler Gast eines solchen Events nicht zu sehen bekomme, bei denen ich aber eben doch nur vor dem TV sitze, statt tatsächlich dabei zu sein? Als Erinnerung an einen wundervollen Abend lasse ich mir das noch gefallen. Aber war ich nicht selbst vor Ort, finde ich die Erfahrung doch eher schmerzlich, verstärkt sie schlicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Und das scheint – sehen wir von den Gerüchten um den miesen Sound bei diesem Konzert einmal ab – hier der Fall zu sein. Zudem weist die CD/DVD-Kombination als Abschiedsrelease einmal mehr darauf hin, dass es von Faithless nie wieder neue Musik geben wird – weder auf Platte noch auf der Bühne – und das ist etwas, vor dem man als Fan der Band lieber seine Augen und Ohren verschließen möchte. Damit ist mein Nein unterm Strich doch eher ein Jein. Ein Ja für Faithless und ein Nein für den Abschied. / Nicole Ankelmann

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