Forbidden Society – Zwischen Wachstum und Veränderung

Die Tschechische Republik verfügt über eine der weltweit spannendsten Szenen im Bereich Drum ‘n’ Bass. Zu dieser gehört auch Jindřich Brejcha – besser bekannt unter seinem Künstlernamen Forbidden Society. Der 39-Jährige ist mittlerweile Besitzer eines Plattenlabels und hat sich mit zahlreichen Projekten in verschiedenen Musikrichtungen ausprobiert. Letztlich hat er seine Herzensmusik gefunden, auf die er sich nun fokussiert. Das zeigt sich auch auf seinem neuen Album „Fog Walk“. Manchmal ist es für einen Künstler eben besser, sich eine Auszeit zu nehmen, um mit etwas Neuem und Besserem zurückzukehren. Warum das so ist? Lest selbst, was der passionierte Drum-‘n’-Bass-Produzent dazu zu sagen hat.

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Dein letztes Album liegt mittlerweile fünf Jahre zurück und an „Fog Walk“ hast du ganze anderthalb Jahre gearbeitet. Das ist eine lange Zeit. Warum hast du so eine große Pause eingelegt und warum hat es so lange gedauert, das neue Album zu produzieren?

Ich erinnere mich, dass ich damals 17 Tracks fertig hatte. Ich habe dann eine Pause gemacht, bevor ich ein weiteres Album produziert habe, weil ich damals vor Arbeit fast verrückt geworden wäre. Ich habe keinen Manager, keine Agentur oder jemanden, der mich unterstützt oder mir Arbeit abnimmt. Ich mache alles selbst und am Ende macht mich das auch sehr glücklich. Aber ja, ich hatte das Gefühl, dass ich für ein paar Jahre einfach mal eine Pause einlegen muss, bevor ein neues Album kommen kann. Ein Album ist nur gut, wenn man sich etwas Neues und Frisches einfallen lässt. Für mich war das Deep und Minimal Sound. Zwischendurch habe ich trotzdem einige Solo-EPs und Remixe gebastelt. Jetzt habe ich eine ganz neue Welt für mich entdeckt mit einem neuen Sound, den ich nun zu produzieren versuche. Das hat für mich aber keine Eile.

Von wem hast du dich musikalisch inspirieren lassen?

Große Inspiration für mich war die Musik von Kasra Critical aus London und Alix Perez von 1985 Music. Nachdem ich ihren Sound entdeckt hatte, war ich einfach gefesselt. Es ist nicht so soft, sondern eigentlich eher dunkel und ich liebte es total. Als ich 2011 oder 2012 angefangen habe, härteren Drum ’n’ Bass zu produzieren, wurde mir bewusst, was das für eine unglaubliche Energie in mir freisetzt.

Was ist die musikalische Idee hinter „Fog Walk“?

Ich habe damals an vielen Songs gearbeitet und öffnete eines Tages den Ordner und sah schon neun Tracks darin. Dann dachte ich mir „Hey, warum nicht einfach ein Album daraus machen?“ Auch wenn ich weiß, dass ein Album heutzutage keine große Sache mehr ist. Man steckt viel Arbeit rein und am Ende erinnern sich viele Leute maximal an zwei oder drei Melodien. Nachdem ich drei EPs veröffentlicht habe, kann ich sagen, dass sich meine Fanbase auf etwas Größeres gefreut hat. Der nächste Schritt war ganz klar die Produktion eines Albums. Insgesamt hat sich mein Musikstil sehr verändert über die Jahre. Ich habe wirklich harten Drum ‘n’ Bass produziert, der von Neurofunk beeinflusst war, und bin zu Deep und Minimal gekommen. Das ist meine Leidenschaft. Ich werde keine Musik produzieren, in die mich einige Leute hineingezogen haben. Letztendlich muss nur der Künstler aufgehen in dem, was er macht. Natürlich höre ich von einigen Fans: „Wo ist der alte, harte Forbidden Society hin?!“ Ich sage dann immer zu ihnen: „Wenn du ein wahrer Fan bist, wirst du das verstehen.“ Eigentlich sind meine Sets immer noch hart. Sogar härter als je zuvor, denke ich. (lacht) Wenn es ein Deep/Minimal-Set gäbe, dann würde es auf dem Flyer angekündigt werden. Ich liebe immer noch harten und dunklen Drum ‘n’ Bass. Dafür habe ich mit den Jungs Donny und Katharsys ein Projekt namens 3RDKND ins Leben gerufen, das sich auf diese Richtung spezialisiert.

Für deine Kooperation auf dem Album wolltest du jemanden, der nicht so stark im Drum-‘n’-Bass-Bereich unterwegs ist. Killa P ist der einzige Gast auf deinem Album. Warum genau er und wieso hast du dich dazu entschieden, hauptsächlich solo zu produzieren?

Ich habe mich auf YouTube umgesehen und als großer Grime-Fan bin ich auf Killa P gestoßen und war sofort von ihm begeistert! Außerdem erinnere ich mich, dass ich seine Stimme auf einem Track gehört habe, und das war so gut, dass ich es versuchen wollte. Patrick war bereit, aber es dauerte etwas länger, weil er sehr beschäftigt war. Ich schickte ihm ein paar Demos und er hat eine Art Dancehall-Rhythmus draufgepackt. Das passte perfekt rein. Ich bin wirklich zufrieden mit dem Ergebnis und hoffe, dass es die Leute auch sein werden. Warum ich hauptsächlich solo produziert habe? Nun ja, ich würde sagen, dass das ganze Album meine Definition von Deep und Minimal Sound ist. Es könnte sein, dass es nicht jedem passt und vielleicht auch den Leuten nicht, die etwas mehr in diesem Genre drin sind. Ich wollte es nur mit meinem eigenen Touch versehen und nur meine Solo-Songs machen, das ist alles.

Du hast unter vier Pseudonymen produziert: Noize Punishment, Unsane Virusez, Forbidden Society und Mental Output. Jetzt produzierst du nur noch als Forbidden Society. Was ist die Geschichte hinter deinen Pseudonymen, insbesondere Forbidden Society?

Noize Punishment stand für Breakcore und Digital Hardcore, Unsane Virusez für Drum ‘n’ Bass und Mental Output war aggressiver Electro-Sound und einfach die totale Zerstörung. All diese Projekte gibt es nicht mehr und ich produziere auch nicht mehr unter diesen Namen. Ich produziere nur noch als Forbidden Society im Bereich Drum ‘n’ Bass und Pornothrasher steht für House und Techno. Ja, ich war in der Vergangenheit sehr beschäftigt mit dem Produzieren von Musik. (lacht)

Du stammst aus České Budějovice in der Tschechischen Republik. In Deutschland kennt diesen Ort jeder für sein Bier „Budějovický Budvar“. Hat die Stadt auch musikalisch etwas zu bieten?

Bitte trinkt dieses Bier nicht! Es ist das schlimmste und man hat am nächsten Tag höllische Kopfschmerzen. (lacht) Am besten schmeckt das „Pilsener Urquell“ aus dem Fass. Meine Stadt hat einige nette Bands, zwei coole Clubs und wir haben hier eine klassische Musikschule, wo Kinder Instrumente lernen können. Hier leben nur etwa 100 000 Menschen und ich liebe es sehr. Wir haben die Natur direkt vor der Haustür und können im Sommer mit dem Fahrrad innerhalb von 30 Minuten an einen schönen See fahren, in dem wir immer schwimmen gehen. Im Winter können wir Ski fahren oder snowboarden. Ich habe viele Freunde hier und mein Studio befindet sich im Haus eines guten Freundes. Das ist cool. Ich kann die Musik so laut machen, wie ich möchte, und niemanden stört es. (lacht)

Wie sieht die tschechische Drum-’n’-Bass-Szene aus?

Einige sagen, wir haben die größte der Welt. Es gibt hier das „Let It Roll“-Festival, das bis zu 30 000 Menschen aus der ganzen Welt nur für Drum ‘n’ Bass besuchen. Ebenso das „Beats For Love“-Festival. Wir haben jede Woche einen Drum-‘n’-Bass-Gig in fast jeder Stadt – manchmal sogar freitags und samstags. Städte wie Prag können in derselben Nacht sogar drei große Events gleichzeitig haben. In Tschechien spiele ich regelmäßig das ganze Jahr über. Man kann jeden Drum-‘n’-Bass-Produzenten fragen und er wird bestätigen, dass die Szene hier wirklich riesig ist. Aber in letzter Zeit denke ich, dass es ein bisschen zu viel wird, auch wenn ich dieses Genre liebe. Manchmal haben Promoter sogar Schwierigkeiten, ein Datum für eine coole Clubnacht zu finden, weil sie vermeiden wollen, dass es Überschneidungen mit anderen Events gibt. Das führt teilweise zu Streitigkeiten zwischen den Promotern und manchmal ist es selbst für die Künstler schwierig.

Du bist mittlerweile schon zwei Jahrzehnte im Musikgeschäft. Welche Soft- und Hardware präferierst du? Hast du dein Equipment im Laufe der Jahre verändert? Erzähl uns doch mal, wie so ein klassischer Studiotag bei dir aussieht.

Ich benutze Presonus Studio One 4 Professional Daw zum Produzieren. Ich besitze keine Hardware, aber denke darüber nach, mir einen Analog Heat zu holen. In meinem Studio habe ich fantastische Adam Audio S2V Studio-Monitore, die ich total liebe. Da ich mein Album komplett im Studio produziert habe, halfen mir meine S2Vs sehr, meine Mixdowns zu verbessern. Ich hatte ein wenig Hilfe von der Adam-Audio-Crew und von Prodance in Prag. Die waren alle supernett und es ist schön, zu sehen, dass Marken wie diese die Musikszene unterstützen und nicht nur Produkte verkaufen wollen. Ein klassischer Studiotag sieht bei mir so aus: Aufwachen, einen Espresso trinken, E-Mails sortieren und ab ins Studio. Zweiter Espresso, rausgehen zum Schwimmen oder Radfahren oder einfach nur irgendetwas tun. Dann esse ich zu Mittag und begebe mich zurück ins Studio, gehe wieder raus an die frische Luft, fahre Fahrrad etc. Danach verbringe ich keine Zeit mehr im Studio, denn ich bin kein Den-ganzen-Tag-im-Studio-Hocker. Meine besten Produktionszeiten sind von 08:00 bis 10:00 Uhr und von 14:00 bis 17:00 Uhr. Abends oder nachts produziere ich nicht mehr. Es mag lustig sein, wenn das jemand liest, aber ja, so ist es. (lacht)

 

Aus dem FAZEmag 083/01.2019
Text: Denise Kelm