Goeran Meyer – In der Ruhe liegt die Kraft


Der gebürtige Magdeburger Goeran Meyer ist ein echter Dauerbrenner. Mehr als 30 Releases haben sich binnen weniger Jahre in seiner beeindruckenden Vita angesammelt. Mit seinem unabhängigen Recordlabel MYR bietet er Freund*innen und Künstler*innen aus aller Welt eine Wohlfühl-Plattform für anspruchsvolle und zeitgenössische House- und Techno-Sounds. Seine eher zurückhaltende Art nutzt Meyer, der außerdem Musik für TV, Film und Advertising komponiert, um sich in seinem hochprofessionellen Studio vollends seiner ultimativen Passion zu widmen: der Produktion tiefen- und spannungsgeladener Klanglandschaften, düster und melancholisch. Seine neue Single „Could Not Exist“, die mit einem großartigen Remix von Hanna Haïs daherkommt, ist ein perfekter Beleg dafür. Vorhang auf für Goeran Meyer.

 

Hi, Goeran. Wie geht es dir und was treibst du aktuell? Jetzt, wo das Release im Kasten ist, vermutlich erstmal ein wenig relaxen?

Hi, und vielen Dank für die Möglichkeit zum Interview. Mir geht es derzeit sehr gut! Viel Sport, der Sommer und eine Woche Urlaub an der Nordsee haben im Kopf neuen Raum für Kreativität geschaffen, den ich nun nutzen möchte. Ich bin froh, endlich wieder Konzerte und Open-Airs zu besuchen, das macht glücklich und man merkt, wie sehr es den Menschen gefehlt hat. Eine wirkliche Pause nach Fertigstellung des Releases habe ich mir allerdings nicht gegönnt, bei mir passiert alles step by step. Als Independent-Label haben wir das Glück und die Freiheit, selbst über die Fertigstellung der Werke und die Planung der Releases zu entscheiden. Bei allen 26 Veröffentlichungen, die seit 2016 auf MYR erschienen, kam deswegen nie das Gefühl von Stress oder Hektik auf.

Erzähl uns doch etwas über deine Produzenten- und DJ-Karriere. Was waren deine ersten Schritte und Inspirationen?

Die ersten Steps fanden ganz klassisch im Kinderzimmer und dem ortseigenen Proberaum zusammen mit Freunden statt. Man traf sich und hat zusammen Vinyls aufgelegt. Verliebt in die Musik experimentierten wir mit Ableton Live und Korg Drum Machines. Schon im jungen Alter schätzte ich es, neue Musik auf Partys zu entdecken, die bis dahin noch nicht veröffentlicht wurde. So prägten mich als Gast meine Lieblingsacts im Tresor Berlin, auf der Sommersafari Spreenhagen, dem Flugplatz Werneuchen und den Subsoil-Höhlen. Auch die Begegnungen auf den Veranstaltungen trugen immer wieder zu Inspirationen bei.

Gab es deiner Meinung nach eine Art Icebreaker, der deine Karriere ins Rollen gebracht hat?

Allen voran die Gründung meines Independent-Labels MYR im Jahr 2016, das mir und meinen Freund*innen eine Plattform für Veröffentlichungen bietet. Es macht mich glücklich, den kompletten Prozess von Veröffentlichungen selbst gestalten zu können und unabhängig hinsichtlich Mastering, Coverdesign und Promotion zu sein. Mein ganz persönlicher Icebreaker war aber die Kooperation mit dem Label LevelNONzero und Pascal FEOS. Eine Zeit, in der eine großartige Freundschaft entstanden ist und in der ich viel über eine professionelle Labelarbeit lernen konnte. Wir vermissen Pascal … JAMAS!

Du kommst aus Magdeburg. Inwiefern hat die Stadt ihren Teil zu deiner musikalischen Laufbahn beigetragen? Magdeburg hat ja durchaus eine angesagte Technoszene.

Das ist richtig, ich habe in der Region meine Jugend verbracht, wohne nun allerdings berufsbedingt seit 17 Jahren in Fulda. Die Partys in der Region Magdeburg, Berlin, Brandenburg und Thüringen haben mich nachhaltig inspiriert. Damals gab es noch viel mehr technoide Veranstaltungen und undergroundlastige Locations als heute. Neben den Partys, die wir jahrelang auch selber organisierten, waren Plattenläden zentrale Treffpunkte, um neue Musik zu entdecken und Vinyls zu kaufen.

Unter deinen Referenzen findet man auch Modemarken wie JOOP! oder Kosmetik-Brands wie Schwarzkopf und Syoss. Was hat es damit auf sich?

Diese und ähnliche Kooperationen haben sich im Laufe der Zeit ergeben, unter anderem durch die Anfrage eines Musikverlags, den Bereich der Lizenzierungsmusik mit Sounds zu bedienen. In diesem Bereich kann ich mich frei von Genrekonventionen ausleben. Seit 2018 kann nun auf vier Alben im Bereich der Produktionsmusik bei Warner Chappell Music und Roba PM zugegriffen werden. Die meisten Soundscapes dienen der akustischen Gestaltung in TV, Film und Advertising.

In deiner Biografie ist von deiner eher introvertierten Persönlichkeit die Rede, die im Kontrast zu deinem Sound steht. War diese Introversion jemals hinderlich für dich? Als DJ/Live-Act steht man ja durchaus in der Öffentlichkeit …

Meine introvertierte Seite gibt mir Ruhe für Produktionen und lässt mich fokussiert arbeiten, wodurch wiederum melancholisch düstere Sounds mit einer gewissen Tiefe und Spannung entstehen. Auch beim DJing profitiere ich von der Introversion, da sie es mir ermöglicht, meine Sets sorgfältig zu kuratieren und zu strukturieren. Meine Liebe zur Musik gibt mir die Kraft und Sicherheit, das in der Öffentlichkeit zu präsentieren, hinter dem ich stehe.

Kommen wir zum Musikalischen. Du bist ein echter Passionist und Studiofreak. Wie sieht dein Studio aus und wie läuft ein klassischer Produktionstag bei dir ab?

Mein Studio ist eine Mischung aus analogen Synthesizern, Hardwaregeräten und diversen digitalen Plug-ins, die ich mit Ableton Live kombiniere. Für den optimalen Klang sind meine Studiomonitore eingemessen und an den Raum angepasst. Meine Gerätekombination bietet mir die Möglichkeit, eigene Mixdowns und Masterfiles zu gestalten. Einen festen Produktionsablauf gibt es nicht, ich liebe es, spontan zu jammen, denn Kreativität kann man nicht erzwingen. Oft beginne ich damit, eingesendete Promos zu hören und zu klassifizieren, bevor ich selbst zu Werke gehe.

Wie hat sich dein Sound über die Jahre hinweg entwickelt und wie würdest du „Could Not Exist“ auf dieser Timeline einordnen?

Vom allerersten Release bis heute war es selbstredend ein sehr weiter Weg. Durch neue Geräte, das Erlernen neuer Techniken und viel Ausprobieren gibt es immer wieder neue Impulse. Das macht das Produzieren spannend und sorgt für eine stetige Entwicklung. Ich denke, dass dieser Fortschritt auf „Could Not Exist” nun seinen bisherigen Zenit erreicht hat. Besonders stolz bin ich aber auch auf die „Push und Hold“-EP aus 2021.

Für den Remix hast du dir Hanna Haïs ins Boot geholt. Wie kam es zu dieser Auswahl? Ihr Remix ist ja recht düster. Wolltest du einen Kontrast zum Original und dem Vocal Edit schaffen?

Hannas „Mandala“-EP wurde mir 2020 als Promo zugeschickt und ich war sofort begeistert. Ihre perkussiven Tracks haben mich sofort gecatcht, und seither spiele ich ihre Tracks kontinuierlich in meinen Sets. Über Social Media sind wir dann in persönlichen Kontakt gekommen und sie steuerte unter anderem ein DJ-Set für unsere MYR-Podcast-Reihe bei. Anschließend fassten wir den Entschluss, gemeinsam an einer EP zu arbeiten. Ihr treibender Remix rundet das Original und die Instrumental-Version von „Could Not Exist“ perfekt ab.

Wie sind deine weiteren Pläne für das Jahr, auch mit deinem eigenen Label MYR?

Es ist ordentlich was los. Bis Ende des Jahres gehe ich einmal im Monat für die IBIZA-Club-News-Radioshow „Save Me From The Unknown“ an den Start und auf Soundcloud wird es zudem monatliche DJ-Sets geben. Dazu gesellen sich Mastering- und Mixing-Aufträge und hoffentlich die Fertigstellung zweier weiterer Alben mit Produktionsmusik. Auf MYR sind in diesem Jahr noch zwei Releases geplant: die Single „Hypnotise“ von Scotty Cal und im Dezember meine „Mirror of Speaking“-Veröffentlichung.Einen Kontakt zu MYR, weitere Infos zu unserem Label und unserer Arbeit findet ihr auf: www.goeranmeyer.com.
Passt auf euch auf.

 

Aus dem FAZEmag 126/08.2022
Text: Hugo Slawien
„Could Not Exist“ erscheint am 5. August via MYR.