Hercules P32 Grid Controller – Mixing for the Masses

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Seit Anbeginn der digitalen DJ-Revolution gibt es für klassisch geschulte DJs eine Horrorvorvision: Die Einführung eines DJ-Tools, mit dem jeder ungeübte Dödel einen sauberen Mix hinbekommt. Zwar haben wir diesen Zeitpunkt prinzipiell schon vor einigen Jahren hinter uns gelassen – schließlich besitzen praktisch jeder moderne Player, jeder Controller und jede Software eine „Auto-Sync“-Funktion. Am Jogwheel als letzter Insignie des wahren DJ-Tums wagte jedoch noch kein Hersteller zu rütteln. Reine Launchpad-Controller für Ableton Live rechnen wir hier einmal heraus – denn damit konnte der DJ sich und das kritische Publikum immerhin noch mit dem Argument beruhigen, dass er live produziere oder zumindest aufwendig remixe. Wie oft jedoch selbst bei Profis komplette Tracks einfach nur BPM-synchronisiert durch die Software gerauscht sind, wollt ihr lieber gar nicht wissen.

Der französische Hersteller Hercules bricht mit dem P32 nun das letzte Tabu. Der neue Doppeldeck-Controller setzt unverblümt auf Auto-Sync und lässt als Konsequenz die Jogwheels einfach weg. Drücken statt drehen, ohne Skills zu beherrschen – ist das nun die letzte Stufe der DJ-Demokratisierung, vielleicht sogar Anarchie im Sinne des Drei-Akkorde-Punk? Oder doch der endgültige Niedergang der DJ-Kultur?

Viel fördert die Verpackung des P32 erst einmal nicht zutage: Lediglich ein USB-Kabel und eben der P32 sind im Lieferumfang enthalten. Die Verarbeitungsqualität darf mit „gut“ bewertet werden und entspricht dem, was man von einem Controller im 250-EUR-Segment erwarten kann: Ein stabiles, vorbildlich verarbeitetes Vollkunststoff-Chassis mit kleinen, aber gummierten und somit gut führbaren Potis. Als professionell dürfen die weichen und hinterleuchteten Gummi-Taster inklusive der 2 x 16 Performance-Kissen bezeichnet werden, wobei letztere allerdings nicht anschlagdynamisch reagieren. Reine Launch-Pads halt. Die ebenfalls gummierten Fader verrichten annehmbar ihren Dienst. Die kurzen 50-Millimeter-Wege sind für einen Rucksack-Controller im Notebook-Format völlig normal. Die Führbarkeit ist sauber, jedoch im Widerstand überaus fest. In Anbetracht der Tatsache, dass der P32 ohnehin nicht als Scratching-Tool konzipiert ist, geht aber auch das in Ordnung.

Als Anschlüsse bringt der P32 rückseitig ein Cinch-Out-Pärchen, den unverzichtbaren USB-Port zur Rechnerverkoppelung sowie an der rechten Kante einen Kopfhöreranschluss im Klinke-Format mit. An den Outputs wird erkennbar: Wie bei fast allen Hercules-Controllern wurde auch im P32 eine Soundkarte integriert. Über die genauen Audiowerte des Vierkanal-Interfaces schweigt sich der Hersteller leider aus.

Zur DJ-Software selbst: Natürlich kann der P32 auch andere Lösungen wie NI Traktor oder Ableton Live steuern. Dedizierte Mappings sind bereits angekündigt. Dennoch sollte man DJUCED 40° unbedingt ausprobieren, denn einerseits ist die Software in der neuen Version 3.0 speziell auf den P32 zugeschnitten – Plug & Play & DJ ist also kein leeres Versprechen. Zum anderen läuft die Hercules-eigene Software inzwischen derart flüssig und stabil, dass man bereits nach kurzer Zeit gar nicht mehr umsteigen will. Auch ihr Funktionsumfang ist derart üppig, dass sie mit anderen Profi-Lösungen mithalten kann. Im Zentrum steht übrigens auch hier die automatisierte Synchronisation der bis zu vier virtuellen Decks und des integrierten Samplers mit zahlreichen Hilfsfunktionen wie Snap und Quantisierung. Zudem bietet DJUCED 40° das, was die P32-Bedienungsanleitung vermissen lässt: Umfangreiche Tutorials und Demos, anhand derer sich der kreative Umgang Schritt für Schritt erlernen lässt.

Im Zusammenspiel mit der Software gibt der P32 dann auch Einsteigern keinerlei Rätsel mehr auf. Ein Profi hat die kleine Zauberkiste ohnehin sofort durchschaut. Zentrales Hardware-Element sind neben dem Zweikanalmixer die 4 x 4 Performance-Pads auf jeder Seite. Über die zugeordneten vier Mode-Schalter auf den Innenseiten lässt sich bestimmen, welche Aufgabe die Performance-Pads insgesamt übernehmen: das Setzen und Abrufen von Hot-Cues, das Einrichten von Loops, die Zerstückelung in Slices oder das Abfeuern von Samples. Die 16 Grid-Pads pro Deck übernehmen dann die Funktion exakt so, wie man es sich sinnvollerweise vorstellt: Im Hot-Cue-Modus lassen sie sich mit bis zu 16 Startpunkten belegen. Im Loop-Modus sind die ersten acht Kissen dafür abgestellt, die darauf abgelegten Loops bei Betätigung einmalig (One Shot) abzuspielen. Die Kissen neun bis 16 versetzen die Loops hingegen in den Repeat-Modus. Die Loops werden also mit dem ersten Triggern gestartet und laufen als Dauerschleife bis zur erneuten Pad-Berührung weiter (Loop On/Off). Über den zugeordneten Size/Adjust-Regler pro Deckseite lassen sich die Loops jederzeit in der Länge von 1/16 bis 8 Bars einstellen. Ein Minidisplay gibt optisch Auskunft über die eingestellte Loop-Länge.

Ähnlich logisch verhält sich der P32 im Slice-Modus. Dabei lässt sich ein Musikauszug in der Länge von einem bis zu 32 Takten über die Pads legen und in Abschnitten wieder abspielen. Um nach einer Loop-Orgie oder Track-Zerstückelung wieder direkten Anschluss an den gespielten Haupttrack zu erhalten, besitzt der Hercules-Controller eine „Slip“-Funktion, wie man sie unter anderem von Pioneer-Tools kennt.

Zur weiteren Klangbearbeitung bringt der P32 eine Effekt-Controller-Sektion mit, die auf die FX-Abteilung in DJUCED 40° zugreift. Insgesamt drei Effekte können pro Deck zugeschaltet und in der Intensität sowie im Dry/Wet-Verhältnis eingestellt werden. Eine Makro-Option sorgt zudem dafür, dass mit nur einer Reglerbewegung auf alle drei Effekte zugegriffen werden kann. Last but not least ist pro Deck auch noch ein Filter-Encoder mit Push-Funktion vorhanden, womit sich der DJUCED-40°-Filter separat manipulieren lässt.

Die Lust am Automatismus
Auch ein alteingesessener Profi wird dem Hercules P32 nach einem Probelauf – wenngleich sicher naserümpfend – zugestehen, dass das Arbeiten mit dieser Auto-Sync-Schleuder ganz einfach Spaß macht. Es ist das bekannte Lied: Wer sich nicht auf das Beatmatching konzentrieren muss, schafft den zeitlichen Freiraum, um sich an anderer Stelle kreativ zu entfalten – mit Loops, Slices und Samples zum Beispiel. Wer den P32 als reine Abspielstation missbrauchen will, kann das sicherlich tun. So wie es mit vielen anderen Tools ebenfalls seit Langem möglich ist. Insofern ist der P32 vielleicht sogar ehrlicher und anarchistischer als alle anderen Tools mit ihren verschämten Auto-Sync-Funktionen. Auch dieses Gerät wird das Ende der DJ-Kultur also keinesfalls besiegeln. Es wird ihr eine weitere Facette hinzufügen. Ohnehin sind dem klassischen Auflegen mit dem P32 Grenzen gesteckt: Denn ebenso wie sich ein Titel ohne Jogwheel weder anschieben noch abbremsen oder scratchen lässt, kann mit dem Hercules-Neuling kein komfortabler Track-Search vorgenommen werden. Mal rasch einen bestimmten Punkt in einem Titel aufzusuchen, ist einfach nicht drin. Und auch klassische Pitchings und Tonhöhenanpassungen lassen sich nur über einen Umweg realisieren. Vielleicht hätte Hercules seinem Tabubrecher dafür einen Ribbon-Controller spendieren sollen.

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Aus dem FAZEmag 050/04.2016

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