Im Studio mit Patrick Chardronnet – Drang nach Klang

IMG_71085
Ich erzähle in diesem Bericht nicht nur über meine Studio und mein Equipment, sondern auch, wie es bei mir angefangen hat. Ich denke, dass die Sucht, Klänge zu kreieren, mit der Radiosendung „Raum und Zeit“ in den 90ern begonnen hat. Damals saß ich sonntagabends an meinem Radio mit Tapedeck und war gespannt wie ein Flitzebogen auf neue Drum’n’Bass-Tracks aus England. Ich hatte noch keine Ahnung, wie diese Bässe und Sphären zustande kamen, und manchmal wünsche ich mir heutzutage noch eine ähnlich unvoreingenommene Sichtweise. Leider weiß ich nun zu gut, wie alle Klänge gemacht werden und woher sie stammen, was mich niemals mehr jungfräulich an einer Soundquelle sitzen lässt. Was früher ein Frage-Antwort-Spiel der wabernden Bässe war, sind heute zwei Oszillatoren, die von LFOs angeschubst werden. Meist waren damals die Synths durch billige Bodentreter geschickt worden und die Kombination machte den Klang.

Der Drang nach Klang wurde von Sendung zu Sendung größer, doch hatte ich kein das Geld, um einen Synthesizer zu kaufen. Ich musste mir genau überlegen, was ich mir mit dem Geld von den Ferienjobs auf dem Bau kaufen wollte. Mir war klar, dass ich den Synth, den es noch nicht gab, auch triggern musste. So schmeichelte ich ganz strategisch meiner Oma, denn sie hatte mehrere Instrumente von Hohner, Bontempi, Klavier sowie diverse Gitarren – sie war angetan von meiner Muse. Ich sprach beim Kaffeechen immer zu von „Neuzeit“, „Moderne“ und dass das alles ohne Computer nicht mehr denkbar wäre.

Letztlich bekam ich meinen ersten Computer, einen 368er mit 4 MB RAM und einer der ersten Cubasis-Versionen. Mittlerweile hatte mir Drum’n’Bass völlig die Konzentration auf Schule und Ausbildung genommen. An Studium war nicht zu denken, ich wollte schnell Geld verdienen, um Equipment zu kaufen. Ich musste meiner El- tern wegen eine Ausbildung zum Industriemechaniker machen. Von meinem ersten ersparten Lehrlingsgeld kaufte ich einen ge- brauchten Prophet 600. Ich saß wochenlang bei Kerzenlicht völlig abgeschossen in meiner ersten und letzten WG und drehte Knöpfe, von denen ich überhaupt keine Ahnung hatte. Der Computer war für eine gewisse Zeit völlig uninteressant, ich wollte unbedingt diese
Knöpfe beherrschen.

Es gab in meinem Leben keine Clubs. Discos spielten schreckliche Musik und waren außerdem zu weit weg. Den einzigen Kontakt zu elektronischer Musik hatte ich auf einer Wald- und Wiesenparty, die regel- mäßig im nächsten Dorf von einem Kollektiv Namens Appartement 18 veranstaltet wurde. Die Clique bestand aus einem hervorragendem DJ (Guntram), der auch sehr gut Schlagzeug spielte – er sah genau so aus wie Liam Howlett von The Prodigy –, einem sehr sympathischen Nerd (Kolbe), der immer sein Modularsystem, eine Roland 606 und einen Computer gekoppelt an Triggerpads dabei hatte und Neff, der immer völlig bekifft neben denn 1210ern stand, mit dem Kopf nickte und dir Katalognummer und Artist durchgab. Er war auch derjenige, der gerne den Cutoff der A 100 bediente, hehe …

Einmal, als Guntram in der aufwendig dekorierten Hütte auflegte, saß ich mit Kolbe am Feuer, starrte auf die Flammen und merkte, dass mir irgendjemand etwas in den Tee getan hatte! Ich konnte mich nicht mehr auf das Gespräch und das Feuer konzentrieren, ich musste zu der Soundquelle! Ich lief in eine Nebelwand mit Strobolicht … da war es vorbei mit Drum’n’Bass. Ich schloss die Augen und lies mich von einem 606 Tomlauf, einer runtergepitchten Stimme und einem 3-Oszillatoren-Pad, das immer weiter aufgedreht wurde, treiben. Neff gab mir die nötige Information, um an diese völlig verschickte Platte zu kommen. „Oh ja, die ist besonders lecker, ‚Portrait Of A Dead Girl’ von I-f auf Disko B.“ Das war mein Einstieg zum Four to the Floor.

Appartement 18 gibt es schon lange nicht mehr, doch die Freundschaften bestehen immer noch. Gundl konzentrierte sich auf sein Studium (heute Arzt) und überlies mir für lange Zeit seinen gesamten Backstock und die 1210er. Neff macht Grafik-Design und Kolbe ist Mitgeschäftsführer einer der größten Sounddienstleister/Studios in Deutschland.

Nun zu meinem Studio. Ich frage mich immer wieder, warum habe ich mich nie um die Raumakustik gekümmert? Wie konnte ich die ganzen Jahre nur hören und mischen? Ich sage nicht, dass ich einen perfekten Mix mache, nur habe ich nicht das Problem gegen etwas anzukämpfen, dass nicht existent ist oder mir den Fokus nimmt. Mein erstes Setup, mit dem ich richtig Spaß hatte, war ein Pro Tools-Mix plus System mit drei 882er Interfaces und einem Emagic Unitor 8.

Irgendwann konnte ich aus Kostengründen den Upgradewahnsinn nicht mehr mit machen. Ich trennte mich von Digidesign und switchte zu Apogee Symphony, was letztlich soundmäßig eine Bereicherung für mich darstellte. So konnte ich endlich die nativen Instrumente,die es mittlerweile gab, nutzen, was vorher nur spärlich möglich war. Weil Pro Tools mein erstes System war, wusste ich nicht, dass ich da eigentlich sehr verwöhnt war. Ich kannte das Wort „Latenzen“ nicht. Die Erschütterung nach dem Umstieg auf Symphony 32 – heute 64 – war umso größer! Ich heule heute noch Pro Tools hinterher und spiele auch mit den Gedanken wieder zurückzukehren.

Mein Rechner ist heute ein MacPro 12 Core mit 32GB RAM/UAD Quad und SSD. Klar, das hört sich mächtig an, doch wenn ich recorde, muss ich mir immer noch den Stress mit der scheiß Buffersize geben, das nervt. Ich frage mich auch ständig, wie man damals mit den Rechnern zum Mond geflogen sind, das ging doch auch? Apropos Mond, über Apollo habe ich auch schon nachgedacht. Ein guter Freund, der zur selben Zeit wie ich Pro Tools hatte, sagte mir, dass das Feeling mit Apollo nahe dem von Pro Tools heran- kommt – nur muss man eben über einen zusätzlichen virtuellen Mischer gehen.

Als Summierung nehme ich ein Mackie 56/8, der sehr preiswert ist und mir das analoge Feeling gibt, das ich mag. Da ich nicht gerne pache/stecke, liegen alle analogen Ausgänge der Erzeuger auf dem Pult, nur die mir wichtigsten Kisten liegen auf der Pachbay. Oft überlege ich im Raum Platz zu schaffen und auf Summierer umzusteigen, doch würde ich von diesen mindestens drei kaufen müssen. Summierer in einer professionellen Qualität wie Dangerous/AMS NEVE etc. kosten bei drei Stück dann 10.000 Euro. Und das ist mir in meinem „Dorfprojektstudio“ doch noch zu viel Geld, da haben andere Dinge Priorität.
Das Thema Abhöre hört bei mir auch nie auf. Ich habe mir damals nach der ersten Abrechnung meiner EP „Eve by Day“ die Genelec 8050 mit Sub 7070 gekauft, Sasse hatte sie mir empfohlen. Als die Speaker im Raum standen, der zu dieser Zeit noch nicht akustisch optimiert war, konnte ich gar nichts damit anfangen. Ich hörte keine Mitte im Mix und war lange Zeit vom Ausmaß des Basses völlig überfordert. Heutzutage muss ich darüber schmunzeln, weiß ich doch mittlerweile, dass sich diese Serie sich in Regieräumen von 90 Quadratmetern am wohlsten fühlt.

Ich habe eine Einstellung gefunden, die die Genelec unabkömmlich machen. Nachdem ich den Raum gemacht hatte, waren die Lautsprecher ein völlig anderes Hörerlebnis, Ich liebe sie! Doch gehen mir momentan die Barefoot Micro Main 27 nicht aus dem Kopf. Als Zweitabhöre verwende ich die kleinen Adams der X-Serie mit Subwoofer und zum stressfreieren layouten verwende ich herkömmliche PC Speaker von Klipsch, das System ProMedia 2.1.

Ich hoffe ich habe euch einen kleinen Einblick in mein Leben und mein Studio geben können und wünsche euch viel Spaß beim Knöpfe drehen!

IMG_72665

Mein Studioequipment:
Mac Pro 12-Core 32GB RAM SSD 2XCinema Display 24“
Mac Book Pro 13 Zoll Retina
iPad Air
Klipsch Pro Media 2.1 Adam A3X+Sub Genelec 8050
Genelec 7070
Mackie 56/8
Ableton Live
Logic ProX
Ableton Push
Native Instruments Maschine Studio Native Instruments Kore
Native Instruments Traktor Universal Audio UAD-Quad Roland MC 202
Roland CE-1
Roland TB-3
Roland TR-8
Roland TR-606 mod.
Korg Volca Beats
Korg Volca Bass
Korg Volca Keys
Korg Electribe -SX
Korg Electribe R x 2
Korg Electribe MX
Doepfer A-100 30HE
Yamaha DX-200
Clavia Nordlead 2
Novation Bass Station
Access Virus TI2 Polar
Dave Smith Poly Evolver
Sequential Cirquits Prophet 600
Kawai K5000S
CME UF8 Masterkeyboard
Evolution Controller UC-33
Akai S6000
Akai MPC 2000
Emagic Unitor 8×2
Dynacord Echocord Mini
Small Stone Phasor
Danelectro Spring King
Roland/Boss RE-20 Space Echo
Eventide H3000+ Modfactory
TL Audio Ivory 5051
Universal Audio 2-1176
TC-Electronic D-Two
DEX-100 Digital Delay

Das könnte dich auch interessieren:
Pioneer DJ präsentiert neue professionelle Studiomonitore
Studioportrait: Anthony Rother – Wizzard of OF
Im Studio mit Shlomi Aber – Cubase im Zentrum & satt Analoges drumherum 
Im Studio mit Hardfloor 
Im Studio mit Dominik Eulberg – Steinberg Cubase
Nocs NS2 V2 – der kabellose Studiomonitor

IMG_72285

Aus dem FAZEmag 043/09.2015