Juan Sanchez – Das Geschäft mit der Kunst

Juan Sanchez – Das Geschäft mit der Kunst
Oder die Kunst des Geschäfts? Wie auch immer, zumindest geht das eine nicht ohne das andere. Der DJ und Produzent Juan Sanchez jedenfalls ist ein erfolgreicher Künstler. Als Sohn einer niederländischen Mutter und eines spanischen Vaters wurde er in den Niederlanden geboren und wuchs auch dort auf. Der junge Juan Sanchez war von Musik begeistert und begann mit acht Jahren, Gitarre zu spielen.

Während der 90er-Jahre übernahm er auch die E-Gitarre in einer Progressiv-Rock-Band. Doch der Musiker war offen für andere Stile, und so hörte er Bands wie Tool und Dream Theatre, während er sich ebenso von Technogrößen wie Sven Väth, Laurent Garnier und Dave Clarke inspirieren ließ. „Diese Art von Musik wurde immer gefragter. Viele meiner Freunde hörten sie, und einige unter ihnen waren bereits DJs, an deren Equipment ich auch meine ersten Mixversuche machen konnte.“ Mit der Zeit zog ihn die elektronische Musik immer mehr in ihren Bann, bis er die Turntables der Gitarre vorzog. „Professioneller Musiker zu werden stand für mich relativ früh fest, was ein Grund mehr war, die Band zu verlassen. Es ist sehr schwierig, Erfolge zu feiern und eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen im Bereich des Progressiv Rock. Abgesehen von der musikalischen Ausrichtung der Band sah ich im DJing den Vorteil, alleine arbeiten zu können. Es ist um einiges leichter, wenn man unabhängig ist und seine eigenen Entscheidungen treffen kann. Eines Tages fragte mich der Booker eines Clubs aus meiner Heimatstadt, den ich bereits durch frühere Zusammenarbeit mit der Band kannte, ob ich ihm nicht bei einer anstehen Party aushelfen könnte. Auf diese Weise kam ich zu meinem ersten Gig. Als Band hatten wir zwar auch einige Auftritte, doch die Leute kamen hier mehr aus dem Grund, uns zu sehen, nicht aber um zu tanzen und abzuschalten. Genau das jedoch taten die Leute bei meinem ersten DJ-Set. Es war großartig, und fortan war mir klar, was ich zu tun hatte!“ Juan Sanchez kam also zu seinem ersten Auftritt durch Vitamin B. Kontakte und Netzwerke gilt es im Allgemeinen nicht zu unterschätzen. Auch oder gerade in der Musikbranche. „Natürlich ist Glück ein großer Faktor, wenn es um Erfolg und die eigene Weiterentwicklung geht, doch heutzutage ist das richtige Marketing und Networking ebenso wichtig wie die Qualität deiner Musik! Ich bin mir nicht sicher, ob sich das erst in den letzten zehn Jahren so entwickelt hat, denn in gewisser Weise war das schon immer so, egal in welchem Bereich der Kunst, egal in welcher Branche. Wenn du ein gutes Produkt hast, musst du es passend vermarkten. Dafür ist auch ein gutes Netzwerk essentiell. Das Einzige, das sich wirklich grundlegend verändert hat, ist der Wettbewerb, denn heute ist schließlich jeder DJ oder könnte es morgen schon sein.“

Wir leben in einer Zeit, in der Social Media nicht mehr wegzudenken ist, einer Zeit, in der jeder Stimme Gehör geschenkt wird. Das ist zwar nicht unbedingt schlecht, aller- dings wird dadurch alles schnelllebig, verliert schneller an Wert. „Während ein Track damals neun oder zehn Minuten Zeit hatte, um sich zu entfalten, muss er heute nach fünf bis sechs Minuten zum Ende kommen. Den spielst du dann auch nicht über Monate hinweg immer wieder, sondern sortierst ihn nach rund zwei Wochen wieder aus. Ich habe den Eindruck, früher wurdest du lediglich an deiner Musik, sprich deinen künstlerischen Fähigkeiten gemessen, weshalb du dich auch ausschließlich darauf konzentriert hast. Heutzutage bist du jedoch durch die Masse an Künstlern, Tracks und Events dazu gezwungen, einen Weg zu finden, ständig neu in Erscheinung zu treten, die Leute zu überraschen und im wahrsten Sinne bei Laune zu halten. Sei es durch Bilder und Videos der letzten Gigs, Interviews oder andere Dinge abseits der eigentlichen Kunst. Das gehört mittlerweile einfach dazu und ist Teil deines Jobs – ob du willst oder nicht. Allerdings versuche ich, meine Beiträge so zu gestalten, dass ich den Leuten nur tatsächlich ’relevante‘ Dinge mitteile. Wenn ich also momentan keine Inhalte habe, die ich auf den gängigen Plattformen veröffentlichen könnte, dann gibt es auch keine Posts. Wie die meisten anderen habe ich allerdings auch schon das eine oder andere Bild mit mir am Flughafen geteilt, doch versuche ich, mich mehr auf die Arbeit im Studio zu konzentrieren und die Musik für mich sprechen zu lassen.“

Das Ergebnis kann sich hören und sehen lassen, denn in den letzten Jahren platzierte er seine Arbeiten auf renommierten Labels wie 100% Pure, Break New Soil, Wolfskuil und Adam Beyers Drumcode. Wie sieht es also aus, das Studio des Juan Sanchez? „Um ehrlich zu sein und das gleich mal vorwegzunehmen. Ich benutze kaum zusätzliche Hardware bei meinen Produktionen. Ich veröffentliche meine Musik nun seit gut acht Jahren, doch mit meiner Art Tracks zu erstellen, gehöre ich eindeutig
den Künstlern der neuen Generation an, digitalisiert, schnell und flexibel. Und genau das möchte ich auch sein bei der Arbeit im Studio. Mit der großen Auswahl an Plug-Ins und Software-Synthesizern in hervorragender Qualität ist es letztendlich egal was man benutzt. Was zählt, ist das Ergebnis. Wichtig ist nicht die Küche, wichtig ist der Koch!“ Seit gut einem Jahr betreibt Sanchez auch sein eigenes Label Format. „Ursprünglich war Format eine Veranstaltungsreihe hier in Amsterdam, die einmal im Monat über die Bühne ging. Nach vier Jahren legten wir die auf Eis, und da ich schon immer mein eigenes Label betreiben wollte, schien die Gelegenheit günstig, genau das aus Format zu machen.“ Diesen Monat erscheint in Zusammenarbeit mit dem Künstler Flug das fünfte Release auf Format, und die Dinge scheinen sich prächtig zu entwickeln. „Neben der Freiheit zu entscheiden, was auf dem eigenen Label erscheinen soll und was nicht, ist das Label ein weiteres nützliches Tool, neue Künstler kennenzulernen, das eigene Netzwerk zu vergrößern und seinen eigenen Sound weiterzuentwickeln. Natürlich wäre es super, wenn wir in einiger Zeit sogar von einem speziellen ‚Format-Sound’ sprechen könnten!“ Abgesehen von der Arbeit und den Veröffentlichungen auf dem eigenen Label, fand Juan auch Zeit für Releases auf Stockholm LTD und dem Londoner Imprint Quant Records. Es gibt also noch einiges zu hören! Wer möchte, der hat dieses Jahr noch mindestens zwei Chancen, Juan Sanchez in Deutschland zu erleben. Anfang Oktober wird er im Berliner Club Magdalena zu Gast
sein und ein weiteres Set wird er uns im Butan Club in Wuppertal präsentieren. Wann das genau
sein wird, erfahrt ihr bei uns oder auf der Homepage von Juan Sanchez. / Gutkind

Aus dem FAZEmag 041/07.2015
www.juansanchez.nl