Klaudia Gawlas – Traditionen & Veränderungen

Besonders im elektronischen Kosmos sind Veränderung und Entwicklung oftmals die einzige Konstante. Trends kommen, Trends gehen. So auch DJs und Produzenten. Immer am Nagel der Zeit und dennoch ihrem Stil treu geblieben ist Klaudia Gawlas mit Sicherheit. Dennoch gab es in diesem Jahr auch bei ihr einige Stellschrauben, an denen gedreht wurde. Darüber hinaus mixte sie kurz nach der intensiven Festival-Saison den offiziellen FAZEmag Download-Mix für diesen Monat – und damit nach 2013 bereits zum zweiten Mal. Zu Recht, verfolgt man die Karriere der Wahl-Passauerin. Noch in diesem Monat wird ihre „The Siren“-EP auf Redimension erscheinen, dem Label von Joseph Capriati.

klaudia gawlas

Klaudia, der Jahrhundert-Sommer ist rum. Wie war das Jahr 2018 bislang für dich?

Sehr heiß und auch turbulent. Mein altes Studio war unter dem Dach im dritten Stock und trotz Klimaanlage hatte ich durchgehend 40 Grad. Das war kaum auszuhalten. Aber ich sag immer: lieber Sommer als Winter. Die Festival-Saison war hervorragend und wenn ich mich recht erinnere, hatte ich bei Open Airs immer einen wolkenlosen Himmel. Besser kann eine Saison nicht verlaufen. Ich war dieses Jahr schon weit und viel unterwegs, unter anderem in Dubai, was sehr speziell war, und auch wieder in Südamerika.

Welche Highlights sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Erst vor Kurzem habe ich wieder in Kolumbien gespielt, in Bogota und Medellín. Das waren die zwei schönsten, emotionalsten Partys, die ich bisher erlebt habe. Temperamentvolle Südamerikaner, man kann es kaum in Worte fassen, welche Stimmung da herrscht. Aber auch in Europa war ich viel unterwegs. Ich erinnere mich gerne an Warschau zurück, die Hauptstadt meiner Heimat Polen. Ich hatte einen coolen Gig. Gute Anlage, top Location und die Betreiber sind mit dem Herzen dabei. Allerdings ist am nächsten Tag der Taxifahrer am Flughafen mit meinem Koffer davon gefahren. Ich musste nach Marseille und wusste im ersten Moment nicht, wie mir geschieht. Ich bin gleich hinterher gelaufen, habe gerufen und gerufen – keine Chance. Zum Glück hat das die Polizei beobachtet und ist dann hinterher. Der Koffer kam zum Glück rechtzeitig zurück, sodass ich in letzter Minute in den Flieger steigen konnte, was meinen Auftritt in Frankreich letztendlich gerettet hat. Man erlebt schon komische Sachen, wenn man so intensiv und oft unterwegs ist. Danach war erst mal ein Gin-Tonic notwendig. (lacht) Was mir auch noch sehr in Erinnerung geblieben ist, war ein Festival bei Frankfurt. Der ganze Boden war sehr trocken. Kaum war Stimmung auf dem Floor, hat es den ganzen Staub aufgewirbelt. Später hatte ich alles im Gesicht. Das ganze Equipment war eingestaubt. Das war schlimm. So was habe ich bisher auch noch nicht erlebt, das hat einfach auch mit dieser Hitze 2018 zu tun. Ich musste danach sofort unter die Dusche, da ich komplett mit einer Staubschicht überzogen war. Das sah wirklich witzig aus. Leider hatte ich den ganzen Staub auch noch länger in der Lunge.

Das klingt nach Spaß. Es gab in diesem Jahr neben Altbewährtem aber auch einige Veränderungen, oder?

In der Tat. Ich habe die Booking-Agentur gewechselt und bin nun bei Zeitgeist. Das war für viele ein Schock, aber manchmal ist es einfach an der Zeit, neue Wege einzuschlagen. Sven, mein damaliger Booker, und ich sind weiterhin gut befreundet und verstehen uns gut. Wir hatten eine tolle Zeit mit Abstract und hatten unfassbar viele gute Partys und Momente. So was vergisst man nie. Auch privat sind ein paar Veränderungen angefallen. Gerade bin ich umgezogen, und das hat natürlich sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Leider habe ich noch immer kein Internet, was mich etwas unruhig macht. Daran sieht man, wie sehr wir alle auf das Netz angewiesen sind. Der Umzug des Studios ist auch nicht ganz so lustig, mit den vielen Schallplatten sowieso. Daher bin ich froh, wenn alles mal wieder in den Normalzustand kommt und ich im Studio wieder Vollgas geben kann.

Am 19. Oktober erscheint deine neue EP „The Siren“ auf Redimension, dem Label von Joseph Capriati.

Ja, darauf freue ich mich sehr. Joseph und ich haben zusammen auf einer Party gespielt und haben uns im Anschluss sehr gut unterhalten. Er meinte, dass ihm meine Produktionen gut gefallen würden, und fragte, ob ich denn Lust hätte, ihm mal was für sein Label zu schicken, was ich natürlich sofort gemacht habe. Kurze Zeit später hat er drei Tracks gesignt. Als ich dann wieder im Studio saß, hatte ich noch eine coole Idee und daraus entstand dann der „Siren“-Track. Als ich ihm den geschickt habe, war er gleich total begeistert und hat die EP zugesagt. „The Siren“ ist auch mein absoluter Lieblingstrack. Er schafft auf dem Floor eine richtige Explosion und ich hatte schon ein paar Mal Gänsehaut.

Lass uns auf dein eigenes Imprint zu sprechen kommen. Was ist aktuell los auf deinem Label und was ist für die kommenden Wochen und Monate geplant?

Momentan habe ich das Label etwas auf Eis gelegt. Mir fehlen einfach gerade die Zeit und die Motivation dazu, das Label zu machen. Kann durchaus sein, dass da noch einiges in nächster Zeit kommt, aber das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich will mich mehr auf meine Gigs konzentrieren und habe meinen Output im Allgemeinen etwas runtergeschraubt.

So kommen wir zu meiner nächsten Frage: Dein Album „Visions“ ist mittlerweile zwei Jahre her. Denkst du an ein neues Album?

Es gibt zwar einige Ideen, aber mir schwirrt aktuell kein neues Album im Kopf herum. Ich möchte vorerst ein paar EPs machen. Bei Joseph Capriati zu veröffentlichen, ist eine sehr coole Sache und ehrt mich sehr. Jetzt müssen mehr gute Produktionen folgen. Aber dafür möchte ich mir Zeit nehmen und einfach der Kreativität freien Lauf lassen. Das Album darf ruhig bis 2019 oder sogar länger warten. So ein Album ist ein großes Projekt und so weit bin ich noch nicht. Ich wüsste gerade gar nicht, wo ich anfangen sollte. Dazu braucht man Ideen oder konkrete Vorstellungen. Ich lasse mich jetzt erst mal inspirieren und genieße die Musik.

Davon wird es am 27.10. sehr viel geben. Nur eine Woche nach EP-Release feierst du deinen Geburtstag im Kesselhaus in Augsburg.

Das Kesselhaus in Augsburg passt super zum Techno und dort meinen Geburtstag zu feiern, ist etwas Besonderes. Das Kesselhaus ist einer der besten Clubs in Deutschland und hat ein richtig undergroundiges Flair. Auch mit dem Besitzer verstehe ich mich sehr gut; er war einer meiner ersten Supporter, deswegen habe ich mich ganz bewusst für diesen Club entschieden. Der Sound ist cool, die Location ist ein richtiges altes Kesselhaus von früher, was einen guten Rahmen für Techno schafft. Wir werden es auf jeden Fall ordentlich krachen lassen. Letztes Jahr habe ich nicht gefeiert. Das Jahr zuvor war ich im Bootshaus in Köln. Die Nacht war wirklich legendär. Danach brauchte ich ein Jahr Pause. (lacht) Augsburg ist aber näher an meiner Heimat und so können auch Bekannte und Freunde kommen und mit uns feiern. Dann habe ich endlich alle um mich herum, worauf ich mich wahnsinnig freue. Natürlich wird im Zuge dessen auch das Release ordentlich gefeiert, wozu ich mir standesgemäß tatkräftige Unterstützung geholt habe. Wird also eine lange Nacht werden.

Nur wenige Tage später spielst du ein letztes Mal im Butan in Wuppertal, das Ende des Jahres seine Pforten schließt. Welche Beziehung hattest du zum Club?

In erster Linie denkt man immer an Tobi, den Betreiber, wenn man an den Club denkt. Er ist ein sehr guter und herzlicher Gastgeber und ich war immer gerne im Butan Club. Er hat 20 Jahre so viel Herzblut in den Club gesteckt, so viel für unsere Musik getan. Er war das Gesicht des Clubs für so eine lange Zeit. Schon früher als Raver wollte ich in dem Club spielen. Ich kann mich noch erinnern, als ich endlich den ersten Gig hatte, da habe ich damals dann auch noch den ICE verpasst. Ich weiß nicht mehr, wie ich es gemacht habe, aber ich kam noch rechtzeitig an. Ab da begann eine schöne Geschichte mit dem Butan Club. Mir persönlich tut es sehr weh, zu erfahren, dass es jetzt plötzlich nicht mehr weitergeht. Ich hatte in dem Club viele gute Nächte, sehr schöne Erinnerungen und tolle Begegnungen. Ich werde den Club sicher vermissen, hoffe aber, dass uns Tobi und seine Partys trotzdem erhalten bleiben.

Wie haben sich Deutschlands Festivals für dich in den letzten Jahren verändert bzw. entwickelt? Viele sind ja der Meinung, es gäbe gerade einen Overload.

Nun ja, die Festivals sind zahlreicher und vor allem größer geworden. Das hat Vor- und Nachteile. Es kommt darauf an, welchen Zeitraum man genau beleuchtet. Wenn man etwas weiter zurück denkt, sind die Festivals jetzt alle professioneller geworden und auch für uns Artists irgendwie besser vom Ablauf und der Organisation. Früher fanden die Partys irgendwo mitten im Feld statt, waren zum Großteil nicht mal legal. Da wurden Anlagen aufgestellt und man hat so lange gefeiert, bis die Polizei kam und die Party dicht gemacht hat. Heute braucht es viele Genehmigungen, die Floors dürfen nicht zu voll werden, es gibt viele Auflagen, Vorschriften usw. Natürlich müssen die Festivals dadurch Geld generieren, um auch die Sicherheit der Raver gewährleisten und alles, was dazugehört, bezahlen zu können. Somit steigen auch die Ticketpreise. Aber ich glaube, das ist ganz normal. Ich habe auch nichts dagegen, wenn es viele Festivals gibt. Aber es müssen gute und schöne sein – und solange sie gut besucht sind, ist doch alles gut. Das Wichtigste aber: Solange es weiterhin noch große Techno-Floors gibt, ist für mich alles total okay. Dass neue Veranstaltungen kommen und gehen, das gab es schon immer.

In unserem letzten großen Interview im Juli 2017 haben wir über Kontrollverlust und zwei Wochen Urlaub im Hochsommer gesprochen. Was hat sich in deiner Karriere in diesen Bereichen getan?

Bei den Gigs ist es ziemlich gleich geblieben. Wenn es turbulent wird, weiß man oft nicht, wo man sich morgens genau befindet. Das ist ja eine Form von Kontrollverlust, nämlich hinsichtlich seiner momentanen Lage. Aber damit komme ich mittlerweile klar und kann drüber lachen. Dass unser Leben ein sehr schnelles ist, daran habe ich mich gewöhnt. Manchmal muss man kurz überlegen, wo genau man letztes Wochenende war, und leider vergesse ich auch immer mehr Gesichter, wenn ich sie länger nicht mehr sehe. Das ist einfach oft zu viel Input. Aber ich mache Musik aus Liebe, möchte spielen und gute Partys mit den Leuten feiern. Da ist mir der Kontrollverlust mittlerweile auch egal. (lacht)

In diesem Monat mixt du bereits den zweiten offiziellen FAZEmag Download-Mix nach deiner Premiere im März 2013. Worauf dürfen sich die Hörer freuen?

Wow, so lange ist das schon her? Der Mix ist, wie man es von mir gewohnt ist, treibend und melodiös, mehr wird nicht verraten.

Wo wir schon bei DJ-Sets und deinem Sound sind: Wie hat sich dein Sound oder haben sich deine Sets in den letzten Jahren deiner Meinung nach verändert?

Allgemein ist er wieder schneller geworden und es ist an der Zeit, etwas flotter zu spielen. Das liegt mir sehr. Ich war schon immer Fan der flotteren Gangart. Sonst aber lässt sich das immer schwer beschreiben. Ich bin ein klassischer DJ auf der Bühne und spiele mindestens zu 80 % Musik anderer Künstler und probiere viel aus. Ich kann nicht wirklich sagen, wie sehr sich mein Sound speziell verändert hat, da es der Sound unterschiedlicher Produzenten ist – und der unterliegt einem stetigen Wandel. Und so ändert sich auch der Style automatisch. Das können andere vielleicht besser beurteilen, die sich die Sets regelmäßig anhören. Generell denke ich, dass ich meiner Richtung immer schon treu geblieben bin und sie sich nur dem momentanen Zeitgeist etwas anpasst.

klaudia gawlas schmal

In wenigen Wochen startet erneut der FAZEmag Jahrespoll, in dem du schon sehr erfolgreich warst. Wer war für dich in diesem Jahr in den Bereichen DJ, Produzent und Event herausragend und warum?

Richtig überrascht hat mich das WET Festival in Gärtringen. Ich habe dieses Jahr zum ersten Mal dort gespielt und das Closing gemacht. Der Sonnenuntergang, die Anlage, gepaart mit diesem Kessel im Freibad – all das hat richtig Spaß gemacht. Meine Lieblingsfestivals kennt ihr ja. Neben der Nature One werde ich auch immer großer Fan der MAYDAY bleiben. Es gibt viele gute Events. Es wäre unfair, jetzt das beste zu nennen. Auch bei den Produzenten habe ich mehrere Favoriten. Einen wie FLUG muss man vielleicht sogar hervorheben, da ich von niemandem so viele Tracks spiele wie von ihm. Da wir uns auch gut kennen, würde es mich sehr freuen, wenn er es im Poll weiter nach oben schafft.

 

Aus dem FAZEmag 080/10.2018
www.facebook.com/klaudiagawlasmusic

Text: Triple P

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