Kleysky – Ein Künstler genreübergreifender Vielfalt

Matthias Kley alias Kleysky kommt ursprünglich aus Berlin und hat bereits drei verschiedene Ausbildungen in seinem Lebenslauf zu verzeichnen. Mit 25 Jahren verschlug es den Wahl-Hamburger aus musikalischen Gründen in die Psytrance-Hochburg, wo er sich bis dato einen durchaus bekannten Namen gemacht hat. Wer regelmäßig seine Storys auf Instagram verfolgt, kommt des Öfteren in den Genuss des ultimativen Burger-Foodporns, denn Matthias ist nicht nur Dirty Psytrance“-Produzent, sondern auch kreativer Burger-Artist bei Dulfs Burger im Karolinenviertel. Wir haben uns mit Kleysky über seinen musikalischen Werdegang, seinen einzigartigen Musikstil und über immer häufiger aufkeimende Diskussionen zum Thema Genredenken“ unterhalten.


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Hallo, Matthias. Bei deinen dreckigen Dirty-Psy-Produktionen kann man gar nicht glauben, dass du mal mit Jazz und Drum ‘n‘ Bass angefangen hast. Was hat deine Leidenschaft für Goa entfacht und wie bist du dorthin gekommen, wo du heute stehst?

Hey, Denise! Mit 20 Jahren hat mir mein Bruder zwei Schallplattenspieler geschenkt. Ich habe damals eine Jazz-Platte von Glenn Miller und eine Drum-‘n‘-Bass-Platte auf dem Sperrmüll gefunden. Daraufhin wurde meine Plattensammlung immer größer. So startete ich dann auch irgendwann die ersten Versuche, Übergänge zu gestalten. 2013 hat mich mein Freund Harry gefragt, ob ich mit ihm zu einem Psytrance-Festival gehen würde. Das war das Waldfrieden Wonderland Festival. Ich stand dort zum ersten Mal auf dem Mainfloor und war einfach nur fassungslos, denn diese Musik hat eine Geschichte erzählt. An diesem Tag hat sich meine Liebe zu Psytrance entfacht. Nach dem Festival habe ich mir ohne mit der Wimper zu zucken einen DJ-Controller gekauft. Mein erstes Album, das ich gemischt habe, war „That Moment“ von Slackjoint. Das habe ich rauf und runter gemischt, bis ich immer mehr verstanden habe, wie Übergänge und Cue-Punkte funktionieren. Je mehr man sich mit Musik beschäftigt, desto tiefer versinkt man darin und versteht, wie Tracks aufgebaut sind. Nach langem Üben schrieb ich damals Frank Hyde von der Holographic Universe an und bot ihm ein DJ-Set an. Kurze Zeit später hatte ich meinen ersten Gig in der Garage in Lüneburg. Darauf folgte meine dreijährige DJ-Karriere in der Szene, in der ich wertvolle Erfahrung sammeln konnte. Mein erstes großes Festival, auf dem ich spielen durfte, war das Psychedelic Circus Festival 2015. Nach dem Festival wollte ich mehr! Ich wollte meine Musik spielen, meine Inspirationen und Ideen verwirklichen. Ein sehr guter Freund von mir, der Timo, hatte damals Ableton. Er hat mir dann gezeigt, wie man die Kick und den Bass in einen Offbeat setzt. Das war der Beginn meiner Produzenten-Karriere. Ich habe mir am Folgetag direkt zwei Wochen frei genommen und jeden Tag vor dem Rechner verbracht. (lacht)

Hast du dir dein Wissen über das Produzieren fortan selbst angeeignet?

Entweder man erlangt sein Wissen irgendwo in Schulen, im Musikunterricht, oder man muss sich das Ganze selbst beibringen. In Israel gibt es Psytrance-Schulen, wo man lernen kann, wie man produziert. Hier ist es eher so, dass man sich Tutorials anschaut und andere fragt. So war es auch bei mir. Ich habe dann den Labelchef von Upward Records kennengelernt. Er hat damals schon viel produziert – unter anderem auch Hip-Hop. Von ihm durfte ich viel lernen und wir haben dann unseren ersten gemeinsamen Track produziert. „Scary Mary“ hieß der. Für mich war das der perfekte Start in meine Karriere, weil er viel fachliches Wissen an mich weitergegeben hat. Was ich bei ihm gelernt habe, hätte ich mir selbst nicht in einem Jahr beibringen können. Sein damaliger Mitbewohner Lee Roy alias W.A.D zeigte mir seine Skills, wir produzierten ein paar Tracks zusammen und auch meine ersten eigenen Tracks sind mit der Zeit entstanden. Chris alias Chrizzlix, Duopartner meines Zweitprojekts Binary Function, begleitet mich bis heute mit seinem fachlichen Know-how. Egal, ob in Kollaborationen oder beim Mastering – er war bis dato für meine Karriere unabdingbar.

Du hast gesagt, dass Psytrance eine Geschichte erzählt. Was macht dieses Genre für dich so besonders?

Die meisten Tracks, die geschrieben oder produziert werden, erzählen natürlich irgendwie eine Geschichte. Diese Geschichten sind aber immer sehr kurz gehalten und werden nur geloopt. In vielen Tracks aus verschiedenen Bereichen gibt es beispielsweise eine Melodie und einen Refrain, die immer wiederholt werden. Ich habe das Gefühl, im Psytrance beginnt die Geschichte ab der ersten Sekunde und endet irgendwo bei der sechsten bis achten Minute. Und in dieser Zeitspanne verändert sich unheimlich viel. Das war ausschlaggebend dafür, dass ich damals auf dem Floor stand und einfach fasziniert war. Deswegen hat mich mein Weg zu dem geführt, was ich heute selbst produziere und mehr liebe als alles andere.

Stichwort Genredenken“ im Psytrance. Dein Musikstil hat sich innerhalb der letzten zwölf Monate sehr verändert. Du bist immer mehr in Richtung Psytrance gegangen, die meisten kennen dich allerdings für deinen treibenden Dirty Prog“-Sound.

Damals war es mir noch nicht bewusst, aber „Crazy Show“ war nur eine stumpfe Produktion im Sinne von Nicht-Wissen. Man lernt im Laufe der Zeit und anhand der Erfahrungen anderer, wie sich ein Track aufbaut. Und das dauerte bei mir eben etwas. Damals kam ich mit dem Aufbau eines Tracks noch nicht so gut klar, heute dafür umso besser. Das ist der Grund, warum sich mein Musikstil entwickelt bzw. verändert hat. Das „harte“ Grundgerüst ist immer noch dasselbe – ich nutze auch heute noch dieselben Basslines und Kicks. Nur die elementare Funktion der Tracks hat sich geändert. Es sind mehr Melodien hinzugekommen, auch Elemente aus anderen Genres, zum Beispiel Orchester- oder Chor-Elemente. Man kann alle möglichen Genres miteinander verbinden, um neue zu schaffen. Dafür sind Genres meiner Meinung nach da und nicht dafür, sie zu kritisieren. Geschmäcker sind verschieden und jeder sollte das hören, was er mag. Auch innerhalb der Goa-Szene gibt es immer wieder Diskussionen darüber, welches Subgenre und welche dazugehörige Szene am besten ist – sei es die Offbeat-, Psytrance- oder Hitech-Szene. Das spielt meiner Meinung nach aber keine Rolle, denn letztendlich hören wir alle die gleiche Musik – sie ist nur anders aufgebaut oder hat eine andere Geschwindigkeit. Und schlussendlich verbindet uns doch alle nur die Liebe zu dem Genre, das der Überbegriff für alle Subgenres ist: Psytrance. Deshalb ist Genredenken meiner Meinung nach Quatsch. Vini Vici arbeitet jetzt mit Armin Van Buuren zusammen, wodurch innerhalb der Szene eine kritische Diskussion angeregt wurde im Hinblick auf die Kommerzialisierung. Aber im Endeffekt ist auch das nur Musik. Erfolg sei dem gegönnt, der hart dafür gearbeitet hat. Und Produzenten wie Neelix oder Vini Vici haben für ihren Erfolg hart gearbeitet. Das ist alles nur genrespezifisches, eingeschränktes Denken.

Fühlst du dich denn einem Genre zugehörig“?

Nein. Ich produziere das, woran ich gerade am meisten Spaß habe. Deshalb verschwimmen in meinem Musikstil die Grenzen der Musikgenres, und das ist auch gut so. Das bringt eine gewisse Vielfalt in meine Produktionen. Für mich ist es einfach nur wichtig, dass man – wie Neelix schon sagte – mit seinen Tracks eine Message vermittelt. Und ich denke, wenn man sich meine neuste Produktion „Careful Steps“ mit Hatikwa anhört, versteht man die Message dahinter.

Careful Steps“ ist meiner Meinung nach deine derzeit größte experimentelle Produktion. Die Kombination aus deinem eher Dirty Psy“-lastigen Sound und Hatikwas minimalistischem Ansatz von Progressive Trance ist sehr außergewöhnlich und mag für viele per Definition der Genres“ nicht zusammenpassen. Daher war deine Kooperation mit Hatikwa für viele sehr überraschend … Sind das erste vorsichtige Schritte“ in eine komplett andere Stilrichtung?

Ein musikalischer Wechsel fand schon vor dieser Kooperation statt. Die alten Tracks spiele ich immer weniger, dafür festigen sich die neuen umso mehr. Meine EP „Nirvana“ hat schon signalisiert, dass da neue Musik kommen wird. Aus der Kollaboration mit Hatikwa konnte ich viel lernen. Wir waren uns natürlich auch mal uneinig, weil wir einfach zwei komplett verschiedene Charaktere sind, aber daran hat man auch gesehen, wie professionell wir zusammengearbeitet haben. Generell lernt man aus einer Zusammenarbeit mit einem anderen Künstler am meisten, weil man sieht, wie andere arbeiten, und das gibt einem Inspiration für eigene Produktionen.

Eine letzte Frage an dich: Welche Kollaborationen stehen in Zukunft noch an?

Mit W.A.D wird es bald einen Neelix-Remix geben. Am 8. Februar kommt eine neue Single zusammen mit Mind Void auf Iono Music. „Time Is Unity“ heißt der Track. Für 2019 steht einiges an. Seid gespannt.

Aus dem FAZEmag 84/02.2019 
Text: Denise Kelm  |  @wayofdk
Foto: Julian Huke

www.sptfy.com/kleysky

 

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