Lars Wickinger – Die Natur des Menschen

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Der Hauptstädter ist schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr – auch wenn er bis dato nicht permanent im Scheinwerferlicht glänzte und in den großen Gazetten zitiert wurde. Lars Wickinger veröffentlichte in den vergangenen Jahren auf unzähligen Labels, darunter Traum Schallplatten, Liebe*Detail oder Opossum Rec. Zuletzt fertigte er einen Remix für Eric Small auf Small Records aus Oslo an. Mit So What Music führt der DJ und Produzent auch sein eigenes Imprint, auf dem am 17. April sein Debütalbum „The Unknown Side Of The Moon“ erschienen ist.

Auf insgesamt elf Titeln präsentiert Wickinger eine emotionale Reise durch geladene Soundlandschaften. Eine Mixtur aus clubtauglichen Peaktime-Tracks, melodisch atmosphärischen Stücken und sehr persönlichen Themen, wie er uns beim Gespräch erzählt. Darunter das „Leben im Jetzt“ oder auch die Kommunikation der Menschen in der heutigen Zeit. „Ich beschäftige mich relativ viel mit für mich wichtigen und spannenden Themen, die das Leben zu bieten hat. Zu versuchen hinter die ‚Fassade‘ der Menschen zu schauen, unangenehme Fragen zu stellen, ist mein Ding und finde ich spannend. Ich glaube, es ist die Aufgabe eines jeden Künstlers, Menschen in ihrem Dasein und ihrem Handeln und Tun zu hinterfragen. Sich mit unangenehmen Themen auseinander zu setzen, zu provozieren oder sei es auch nur Gefühle durch Musik zu transportieren. Musiker und Künstler sind im besten Fall ein Spiegel für die Menschheit. Ich weiß natürlich, dass meine ‚Aussagekraft‘ als Techno- bzw. Musikproduzent begrenzt ist. Aber es fängt schon damit an, dass man mit seiner Musik etwas mitzuteilen hat. Ich glaube man hört es der Musik an, ob der, der dahinter steht, etwas mitzuteilen hat, oder auch Erlebtes mitteilen will. So geht es in ‚Die Zeit Der Wölfe‘ um den Wolf, der symbolisch für die Ängste und die unterdrückte Natur im Menschen steht, die unter eben diesen leiden muss. ‚Ghost Love‘ spricht die Geisterwelt an, in die wir alle nach dem Tod zurückkehren werden und in ‚For My Mom‘ geht es um Abschied. Diese in uns unbekannte und unterdrückte Natur löst beim Menschen Faszination, Furcht und Hass aus. Doch genau dieses ‚Tier‘ im Menschen müssen wir nicht fürchten, sondern besser kennen lernen, annehmen und Verstehen, denn es ist unsere Verbindung zur Natur, aus der wir hergekommen sind und in die wir auch wieder zurückkehren werden. Zu denken, dass wir nicht Teil des Ganzen, der Natur sind, sondern Außerhalb von ihr stehen, uns von ihr entfremdet haben, ist die Tragödie des heutigen Menschen“.

Seine erste aktive Begegnung mit der Musik hatte er Mitte der 90er Jahre, wie er uns erzählt. „Ich habe schon in der Schule als Gitarrist in Bands gespielt und stand mit 15 Jahren das erste Mal auf der Bühne. Das ging nach der Schule noch Jahre so weiter, bis elektronische Sounds im Bandgefüge immer mehr Raum eingenommen haben. In Hannover hatte ich zwei Freunde, die als Techno-Live-Act – ganze ohne Computer – auf diversen Underground-Partys gespielt haben. Über die beiden bin ich dann zu Techno bzw. elektronischer Musik gekommen und habe angefangen mir mein eigenes Equipment zu besorgen, um damit herum zu experimentieren. Vom Kinderzimmer in den Club quasi. Musik ist schon immer ein wichtiger Teil in meinem Leben gewesen und elektronische Musik im Besonderen. Ein Album eines Künstlers, wie es jetzt bei mir der Fall ist, ist immer auch ein Statement, das eine Zeit lang, zumindest länger als eine EP, nachhallt. Ein Album ist auch eine Herausforderung der ich mich bis Dato noch nicht gestellt hatte. Ich musste mich erst einmal hinsetzen und heraus finden, was ich wollte, ohne dabei den kreativen Fluss des Zufalls, der beim Musikmachen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, zu kappen. Eine EP mit drei bis vier Tracks kann die Stimmung einiger Tage einfangen und wiedergeben, ein Album erfordert mehr Auseinandersetzung. Zumindest wenn man so einen Anspruch hat wie ich. Letztendlich war es an der Zeit und nicht zu vergessen dass ein Album auch mehr Aufmerksamkeit generiert. Erfahrungen und auch aktuelle Geschehnisse aus meinem Leben, bestimmte Stimmungen und Gefühle, auch Menschliche Themen im allgemeinen wollte ich mit dem Album verarbeiten. Der Titel des Albums steht letzten Endes symbolisch für die vergessene und meist verborgene Seite der menschlichen Natur.“

Für die Vocals für “Now Or Never” und “One Of Those Boys” arbeitete er mit Michael Skelton aka Skelly zusammen. Insgesamt saß Wickinger knapp fünf Monate an dem Werk, das er hauptsächlich analog produziert und auch selbst gemastert hat. „Die Beats sollten aus einer Maschine kommen, die anderen Sounds möglichst auch nur aus ein zwei Geräten. Ich wollte weg vom unüberschaubaren digitalem Überfluss und hin zum rohen Analogen limitierten warmen Sound. Ich denke, das macht das komplette Album auch aus. Am Anfang eines Tracks steht bestenfalls eine Idee und die kann auch mit wenigen Mitteln umgesetzt werden, allerdings führe ich schon beide Welten zusammen. Erst Analog und dann wird Digital im Rechner weiter gearbeitet. Wichtig waren mir ein direkter etwas roher analoger Sound und keine allzu über produzierten Tracks.“

Für die kommenden Wochen sind Remixe der Albumtitel geplant sowie weitere Projekte auf seinem Label So What Music. „Man darf weitere spannende Veröffentlichungen von mir und anderen Künstlern auf dem Label erwarten. Das bisherige Feedback der Veröffentlichungen war sehr gut, so dass ich mich auch hier auf die nächsten anstehenden Sachen sehr freue. Aber wie das immer so ist, kann ich noch nicht so viel verraten zu diesem Zeitpunkt (lacht). Im Rahmen der Veröffentlichung wird es einige Gigs geben, darunter auch diverse Festival-Show im Sommer. / Rafael Da Cruz

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Fotocredit: Vitoscha Königs