Miyagi – Immer weiter

Im November vergangenen Jahres haben wir uns letztmals mit Robert Wagenknecht aka Miyagi in Hamburg zum Interview getroffen. Vor gut zehn Monaten also, als sein zweiter Langspieler „Scene From A Dream“ auf seinem eigenen Label Lost Diaries das Licht der Welt erblickte. Damals erzählte er von einem neuen Lebensabschnitt – und dass er wohl noch nie zuvor in seinem Leben so viel gearbeitet habe. Für 2018 hatte dann wohl dieser Umstand – gepaart mit etwas Glück, das ja meist mit den Tüchtigen ist – zur Folge, dass es mitnichten ruhiger um den Hanseaten wurde. So bespielte er erstmals die Mainstage auf dem Fusion Festival sowie erst vor wenigen Tagen die diesjährige Ausgabe des Burning Man Festivals in der Wüste Nevadas. Auch das Remix-Album der angesprochenen LP wurde veröffentlicht. In diesem Monat zeichnet Miyagi für den offiziellen FAZEmag Download-Mix verantwortlich. Ein Interview.

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Einer der heißesten Sommer aller Zeiten liegt nun so gut wie hinter uns. Wie geht es dir, Robert, und wie waren deine letzten Wochen?

Meine letzten Wochen waren vor allem schlaflos und dementsprechend müde fühle ich mich gerade. Ich liebe ja den Sommer, aber ich liebe auch Klimaanlagen in heißen Nächten. Diesen Luxus hatte ich aber nur in Hotels an den Wochenenden. Aber um ehrlich zu sein, ist es mir lieber, nachts zu schwitzen, als einen verregneten Sommer zu haben. (lacht)

Du hast vor wenigen Wochen deinen ersten Gig auf einer großen Bühne bei der Fusion gespielt. Wie war’s?

Ich hatte schon immer den Traum, auf der Fusion zu spielen. Aufgewachsen bin ich unweit des Festivals und in meiner Jugend haben immer alle davon erzählt. Als ich dann das erste Mal dort gewesen bin, fand ich es sehr beeindruckend. Die folgenden Jahre war ich Stammgast, bis ich 2015 endlich das erste Mal im Schuhkarton spielen durfte. Dieses Jahr kam dann die Einladung, den Samstagabend in der Tankwüste – ehemals Tanzwüste – einzuleiten. Eigentlich kommt das nicht mehr so oft vor, aber ich war schon mehrere Tage vorher ziemlich aufgeregt. Angekommen auf dem Festival, haben wir erst einmal zwei, drei Flaschen Weißwein gegen die Nervosität getrunken. Als ich auf der Bühne stand, ist aus der Aufregung aber reine Vorfreude geworden. Der komplette Floor war ein Meer aus verkleideten und bunten Menschen. Ich war beim Spielen so konzentriert und in Trance, dass die zweieinhalb Stunden wie im Flug vergingen. Das war schon heftig und eines meiner aufregendsten Erlebnisse als DJ.

Erst kürzlich hast du das fünfte Jahr beim Burning Man erlebt. Erzähl uns von deinen wildesten Erlebnissen dort und auch von der Entwicklung des Events!

Auf dem Burning Man sind so viele wilde Sachen passiert. Wenn ich die jetzt preisgeben würde, kündigen mir auf jeden Fall ein paar Leute die Freundschaft. (lacht) Dieses Festival muss man selbst live erlebt haben. Erzählen kann man immer viel, Videos kann man mittlerweile auch viele sehen, aber das Gefühl, dort zu sein und eine gute Zeit zu haben, ist einfach unbeschreiblich. Für mich wird das Burning Man von Jahr zu Jahr schöner. Das hat aber weniger mit der Entwicklung des Events zu tun, sondern eher mit mir selbst. Anfangs war es noch ein bisschen befremdlich, so fernab der Zivilisation eine Woche in der Wüste zu verbringen. Aber mit den Jahren bin ich ein Teil der Community geworden. Viele Menschen sagen auch über den „Burn“: „Früher war alles besser.“ Aber von diesen Gedanken bin ich generell kein Fan. Denn wer sich an die Vergangenheit klammert, verpasst die Gegenwart. Und die hat sehr viel zu bieten.

Gigs auf der Fusion und beim Burning Man – das seien deine größten Träume für deine Karriere gewesen, sagtest du mal. Wie steinig war der Weg dorthin und wie fühlt es sich jetzt an, rückblickend?

Mein Weg war auf jeden Fall lang. Ich hatte ja nie vor, professioneller DJ zu werden. Von daher stand ich auch nie wirklich unter Leistungsdruck und konnte einfach machen, worauf ich gerade Lust hatte. Über die Jahre hat sich das dann irgendwie entwickelt. Natürlich war das auch immer mit viel Arbeit verbunden. Als ich gemerkt habe, dass da doch mehr gehen kann, habe ich sogar noch mehr gearbeitet – und irgendwann hat es sich dann ausgezahlt. Aber egal, wie man es macht, ob man den langen oder kurzen Weg geht, am Ende zählt das Ergebnis.

Was sind deine nächsten Life-Goals?

Um ehrlich zu sein, bin ich gerade sehr glücklich mit dem, was ich habe. Ich würde einfach genauso weitermachen wollen und schauen, was in der Zukunft noch so passiert. Am wichtigsten ist es dabei aber, gesund zu bleiben.

Im Juni ist das Remix-Album von „Scene From A Dream“ erschienen. Erzähl uns von den Kollaborationen, die das Album birgt, und wie du bei der Auswahl der jeweiligen Acts vorgegangen bist!

Ich habe mir ganz klassisch eine Liste mit Acts gemacht, die ich gut finde und die vom Sound passen. Danach habe ich alle angefragt. Das waren Solee, Niconé, Jonas Saalbach, David Hasert, Chris Schwarzwälder, Allies For Everyone und Sid Le Rock. Bis auf Sid kannte ich alle Acts persönlich, das hat das ganze Prozedere auf jeden Fall vereinfacht. Am Ende bin ich superhappy mit dem Gesamtpaket und danke hiermit noch einmal allen offiziell für die tollen Remixe.

Was sind deine Pläne für Lost Diaries für die nächste Zeit?

Mit Lost Diaries machen wir genauso weiter wie bisher. Der Stil bleibt melodisch und die Tracks sind durchweg sehr deep. Ein Special wird vielleicht das Release vom New Yorker Live-Trio N/UM. Mastering-Engineer und Produzent Jeremy hat unter anderem schon fünfmal den Grammy gewonnen. Elias ist Gitarrist bei der Band Calle 13 und Emil ein Multiinstrumentalist. Gute Voraussetzungen also für einen erfolgreichen Act. Außerdem sind die Jungs seit ihrem Debütalbum „Zebra“ sehr gefragt. Remixe zu ihrem „Lost Diaries“-Release kommen von Sasse und mir selbst. Weitere Veröffentlichungen sind außerdem noch von Jonas Saalbach, Savvas und Allies For Everyone geplant.

Lass uns über deinen Download-Mix sprechen: Was können die FAZE-Zuhörer erwarten?

Der Mix wird eine musikalische und melodische Reise. Ich mag es, in meinen Sets zu variieren. Das hört man eigentlich immer raus und so fängt es ein bisschen verträumt an, baut sich auf, wird dynamisch und endet wieder verträumt mit Break-Beats. Im FAZE-Mix wird es auf jeden Fall viele Miyagi- und „Lost Diaries“-Tracks zu hören geben.

In Hamburg hört man diese auch regelmäßig auf deinen WEIRD-Events, die du unter anderem mit einem Boot oder auch einem Festival abhältst.

Mit meinem Kollegen und langjährigen Freund Thomas veranstalte ich schon seit etwa zehn Jahren Events in Hamburg. Ähnlich wie das DJ-Dasein wurden auch die Events immer professioneller und mit WEIRD haben wir 2011 eine wirklich sehr gute Plattform zum Feiern in Hamburg geschaffen. Wir veranstalten zweimal jährlich ein großes Indoor-Event, zweimal das WEIRD Boat und außerdem diverse Open Airs wie zum Beispiel das Katermukke Festival oder das Sisyphon Open Air.

Du bist in diesem Jahr bereits mehrfach lange auf Tour gewesen. Welche Routinen hast du im Laufe deiner Karriere bereits entwickelt und wo besteht deiner Meinung nach noch Nachholbedarf, um „perfekt und angenehm“ reisen zu können?

Das könnte jetzt auf jeden Fall der längste Absatz im Interview werden. (lacht) Ich versuche aber, mich kurz zu halten. Ich mag das Reisen und bin mittlerweile auch sehr routiniert dabei. Koffer packen etc. mache ich nebenbei beim Zähneputzen. Meine Flüge würde ich am liebsten auch immer selbst buchen, da ich mich privat auch für die Luftfahrt interessiere. Am Flughafen bin ich wie ein Rennfahrer mit Rollkoffer. Immer auf der Suche nach dem schnellsten Weg und der Lücke zum Überholen. Ich will einfach nur in die Lounge oder ins Flugzeug kommen. Am besten ohne von den „normalen“ Touristen behindert zu werden oder in Warteschlangen stehen zu müssen, ohne dabei jetzt despektierlich klingen zu wollen. Wenn dann zum Beispiel mal die Fast Lane oder das Priority-Boarding nicht vernünftig läuft, bricht für mich schon fast eine Welt zusammen. Das sind zwar alles Luxusprobleme, aber durchfeierte Clubnächte und Schlafmangel machen das Reisen nicht unbedingt angenehmer. Aufwerten könnte man das Touren nur noch mit mehr Business-Class-Flügen. Aber dafür muss ich wohl noch ein paar mehr Interviews im FAZE Magazin geben. (lacht)

Halt dich ran. Dann geht es vielleicht auch öfter in den Libanon, wo du ebenfalls erst kürzlich warst. Welche Eindrücke hast du dort gewonnen?

Ich war vorher schon zweimal im Libanon und muss sagen, dass ich dieses Land liebe. Die Menschen dort sind sehr herzlich und weltoffen. Die Szene für elektronische Musik muss sich auch nicht verstecken und das Essen ist einfach eine Klasse für sich. Bei meinem letzten Besuch sind wir außerhalb von Beirut in das Landesinnere gefahren. Das Team von Revolver und der Eyedia Production hatte mir ein Fotoshooting in den Bergen angeboten. Wir hatten einen wirklich sehr lustigen Tag, haben nebenbei coole Bilder gemacht und sind dann später direkt weiter zu der Party gefahren. Dort angekommen, habe ich zum Sonnenuntergang zweieinhalb Stunden gespielt. Die Location lag auch in den Bergen und die Wolkendecke hing so tief, dass wir praktisch über den Wolken getanzt haben. Das war schon magisch.

Gab es in den letzten Wochen noch andere Situationen, die für dich besonders waren – egal, ob in positiver oder negativer Hinsicht?

Auf dem Feel Festival habe ich mit Budakit zum Sonnenaufgang ein b2b-Set gespielt. Das war auch gleichzeitig unsere gemeinsame Premiere hinter dem DJ-Pult. Wir waren schon nachmittags dort und haben ein bisschen gefeiert, ehe wir uns nachts aus den Augen verloren haben. Als wir uns morgens am Auto getroffen haben, um unser Equipment zu holen, bemerkten wir, dass mein Fahrer mit dem Schlüssel durchgebrannt war. Der reagierte leider nicht auf Anrufe, WhatsApp oder SMS. Warum auch immer, später ging er bei einem Facebook-Call ran und eilte zum Auto. Dann konnten wir endlich zur Stage sprinten und auf die Minute genau anfangen. Das b2b-Set lief ohne jegliche Proben, Absprachen oder Sonstiges so gut, dass wir uns in einen regelrechten Rausch gespielt haben. Am Ende waren das definitiv zwei der lustigsten Stunden dieses Sommers und wir haben sehr viel positives Feedback bekommen. Da fällt mir auch noch ein: Auf dem Weg von der Party im Libanon zurück zum Airport saß ich mit zwei Jungs im Auto und wir unterhielten uns über mein Alter. Als ich sagte, dass ich am 1. September Geburtstag habe, erwiderte einer: „Hey, ich auch!“ Und daraufhin der andere: „Hey, ich auch! Wir sind alle Jungfrauen.“ Wir haben sehr laut gelacht.

Passend, dass du in deinem Geburtstagsmonat auch noch unser Cover zierst! Nun steht, auch wenn das Thermometer was anderes sagt, der Herbst vor der Tür: Was steht bei dir an im letzten Teil des Jahres?

Gute Frage, da muss ich erst mal den Kalender checken. Auf jeden Fall bin ich dieses Jahr wieder beim ADE in Amsterdam dabei. Es steht ein großes „Einmusika x Katermukke Showcase“ an und wenn ich mir das Line-up für diese Nacht anschaue, kann ich jetzt schon sagen, dass es eine sehr wilde Party werden wird.

Kommen wir zu den kurzen Fragen. Ohne lange zu überlegen: Jägermeister oder Wodka?

Wodka. Der hat weniger Kalorien und einem ist am nächsten Tag nicht so übel.

Club oder Festival?

Beides. Im Sommer gerne Festivals mit guten Freunden an schönen Plätzen feiern. Im Winter gerne mal im Club versacken und sich am nächsten Tag an nichts mehr erinnern können.

Zwei-Stunden-Slot oder all night long?

Definitiv der Zwei-Stunden-Slot. Wenn ich jedes Wochenende all night long spielen würde, wäre ich wahrscheinlich jetzt schon an meine Grenzen gekommen. Es gab aber auch schon Nächte, in denen aus einem Zwei-Stunden-Set am Ende spontan fünf oder sechs Stunden geworden sind.

Sunset oder Sunrise?

Schwierige Entscheidung. Aber der Sonnenaufgang ist wohl mein Favorit.

 

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Aus dem FAZEmag 079/09.2018
www.facebook.com/00miyagi
Text: Rafael Da Cruz

 

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