Musikhören im Jahr 2020 – Pt.3

 

STREAMINGDIENSTE

SPOTIFY 

Erst vor wenigen Wochen ging der seit Oktober 2008 aktive Streamingriese aus Schweden auch in Deutschland an den Start. Damit ist Spotify in 13 Ländern mit mehr als zehn Millionen Usern und drei Millionen zahlenden Abonnenten der stärkste Musikdienst im World Wide Web. Gründe hierfür gibt es einige, wenngleich die unumgängliche Verknüfpung mit Facebook allen Zuckerberg-Gegnern ein Dorn im Auge sein dürfte. Doch ist das derzeit angebotene Paket zur Personalisierung bei Spotify schlicht am unfangreichsten. Und auch die verfügbaren Apps externer Partner wie Laut.de, Last.fm, Rolling Stone, The Guardian uvm. bieten mit Vorschlägen, Kritiken und Konzerttipps für den User einen nicht zu verachtenden Mehrwert.

Seit 2006 wurde Spotify entwickelt, ehe das Unternehmen 2008 ans Netz ging. „In unserem Herkunftsland Schweden war die Piraterie im Jahr 2006 fast ein Volkssport: Illegal geladene Musik machte 85 Prozent des gesamten Datenverkehrs aus und es ist kein Zufall, dass auch die erste Piratenpartei in Schweden entstanden ist. Unsere Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzen fanden es nicht gut, dass eine ganze Generation für Musik nichts mehr zahlt. Ihr Ziel war ein legales Produkt, das sogar besser sein sollte als die Musik-Piraterie. Das Ergebnis ist Spoitfy“, erklärt uns Axel Bringéus, Spotify-Reginalvorstand für Deutschland, Österreich, Belgien und die Schweiz.

Die Einführung in Deutschland hat eine Weile gedauert, wofür Bringéus diverse Gründe nennt. „Als drittgrößter Musikmarkt nach den USA und Japan ist Deutschland für Spotify sehr wichtig. Deshalb haben wir den Start hier besonders gründlich geplant und uns die nötige Zeit genommen, Spotify an die hiesigen Verhältnisse anzupassen und ein Team in Berlin aufzubauen.“ Außerdem wollte man auch direkt mit deutschen Partnern starten. Ob zusätzlich die Verhandlungen mit der GEMA mehr Zeit in Anspruch nahmen als geplant, bleibt offen. „Wir schließen unsere Verträge nicht mit einzelnen Künstlern, sondern mit Plattenfirmen, Rechteinhabern und Verwertungsgesellschaften. Jeder Künstler wiederum erhält – je nach verhandeltem Vertrag – von seinem Label und von den Verwertungsgesellschaften einen bestimmten Prozentsatz an den Gebühren, die Spotify pro gespielten Stream zahlt. Das heißt: Jedes Mal, wenn ein Lied auf Spotify abgespielt wird, fließt Geld an Rechteinhaber und –verwerter und somit an die Künstler. Seit wir auf dem Markt sind, haben wir über 200 Millionen Euro an die Musikbranche weitergegeben: An Plattenfirmen und Verwertungsgesellschaften und über diese an die Künstler. 60 bis 70 Prozent unserer Einnahmen gehen an die Musikindustrie. In Schweden sind wir deren größte digitale Einnahmequelle.“ Allerdings gibt es wohl gerade mal einen halben Cent pro gespieltem Song. Da macht es – wenn überhaupt – am Ende die Masse. „Unser gesamtes Angebot wird von Hunderttausenden von Labels und Rechteinhaber aus aller Welt bereitgestellt. Mit allen haben wir länderspezifische Verträge abgeschlossen. Die inhaltliche Verantwortung für die Musik liegt bei den Rechteinhabern. Einige Bands wie Metallica, The Beatles, Pink Floyd, AC/DC oder Led Zeppelin verweigern sich derzeit leider noch dem Musik-Streaming. Aber es ist ja nicht gesagt, dass das für alle Zeiten so bleibt.“

2011 startete Spotify auch in den USA, und dem folgte wenig später die enge Zusammenarbeit mit Facebook. Heute ist es nicht mehr möglich, bei Spotify einen Account einzurichten, ist man nicht auch bei dem größten sozialen Netzwerk angemeldet. Für die Verantwortlichen scheint dies eher eine logische Konsequenz als ein Manko zu sein, um ein durchweg soziales Spotify aufzubauen. „Jeder kann am Bildschirm sehen, was seine Facebook-Freunde gerade hören – mit nur einem Klick kann man sofort mithören. Viele Spotify-Nutzer sind von diesem sozialen Aspekt begeistert und von der Möglichkeit, über Facebook neue und alte Musik zu entdecken und zu teilen. Facebook ist daher ein ganz natürlicher Partner für uns.“ Und der Erfolg gibt ihnen Recht, bildet Spotify aktuell doch die Speerspitze der Streamingservices. Axel Bringéus wagt abschließend noch einen Blick in die Zukunft, auf das Jahr 2020: „Musik-Streaming ist die Zukunft des digitalen Musikgenusses. Das bestätigen viele Labels und Musikexperten. Musik-Downloads sind eine Art Zwischenschritt. Wenn wir aber durch unsere internetfähigen Geräte überall und jederzeit ins Netz kommen, benötigen wir keine physischen Datenträger mehr. Viele Rechner haben heute schon keine CD-Laufwerke mehr. Wir finden alle Inhalte in der Cloud.“

Fakten Spotify

  • 〉 Angebotene Songs: 16 Millionen
  • 〉 Desktopplayer für Windows, Mac
  • 〉 spezielle iPhone-App: ja
  • 〉 spezielle iPad-App: nein
  • 〉 Außerdem: Android, Blackberry
  • 〉 Facebook: ohne geht es nicht
  • 〉 eigene Mediathek integrierbar: ja
  • 〉 Qualität: 160 bis 320 Kbit/s (bei Premium-Account)
  • 〉 Gratis verfügbar: ja, mit Werbung
  • 〉 Preis: 4,99 EUR (ohne Werbung) / 9,99 EUR (mobil, Offline-Modus)

 

 

SIMFY 

Einst als MP3-Download-Suchmaschine gestartet, hat Simfy die in Deutschland lange bestehende Lücke in Sachen Streamingdienst bereits im März 2010 geschlossen. „Weg von der CD und einen zentralen Zugang zu deiner ganzen Welt der Musik – genau das war und ist der Beweggrund für simfy. Wir lieben alle Musik und hören ganz unterschiedliche Richtungen von Musik – aber eines vereint uns, wir hören alle sehr viel. Dieses zu vereinfachen und vor allem viel leichter neue Songs, Alben und Künstler zu entdecken, das hat uns als Herausforderung enorm gereizt“, erklärt Simfy-CEO Gerrit Schumann heute.

Mit 16 Millionen verfügbaren Songs ist das Repertoire des in Köln ansässigen Unternehmens ebenso stark wie das der schwedischen Konkurrenz. Doch hakt es z.B. noch bei der Verfügbarkeit in anderen Ländern, ist man derzeit nur in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Holland vertreten. „Simfy bietet das nahezu vollständige Repertoire der Major sowie unzähliger Independent-Labels. Entscheidend bei den Indies ist, dass das jeweilige Label sich einem Aggregator anschließt, der die Interessen vieler kleiner Label in Sachen digitaler Vermarktung vertritt. Unsere Vision ist es, sämtliche Musik der Welt bei simfy verfügbar zu machen. Es gibt aber einige Bands und Künstler, die ihre Titel nicht bei Streamingportalen anbieten wollen. In Deutschland sind da wohl die prominentesten Namen die Toten Hosen, die Ärzte oder Rammstein, international fehlen beispielsweise AC/DC, Metallica oder auch die Beatles bei allen legalen Streamingangeboten.

Simfy hat aktuell ca. zwei Millionen User, setzt aber alles daran, am Ball zu bleiben. „Music Discovery wird zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Es ist das Ziel von simfy, seinen Nutzern das Entdecken von neuer Musik so einfach wie möglich zu machen. Wir entwickeln zudem ständig neue Features, um die Benutzung des Desktop Players und der mobilen Apps noch komfortabler zu gestalten. Darüber hinaus gibt es Pläne für eine weitere Internationalisierung des Dienstes.“ Ein großer Vorteil gegenüber Spotify liegt ganz klar darin, dass eine Verknüpfung mit Facebook zwar möglich, aber nicht notwendig ist. Entscheidet man sich für das Andocken, erfährt man auch hier, was die ebenfalls Simfy-nutzenden Freunde musikalisch bevorzugen. „Es ist sicherlich ein großer Vorteil, den Nutzern die Wahl lassen zu können, ob sie sich mit einer E-Mail-Adresse und einem Passwort oder über Facebook Connect anmelden wollen. Beides ist bei simfy möglich. Wer sich über seinen Facebook-Profil anmeldet, kann alle Vorteile der Integration mit dem Social Network nutzen, also z.B. alle gehörten Tracks im Ticker mit seinen Freunden teilen.“ 

Abschließend wirft auch Gerrit Schumann einen Blick in die Zukunft des Musikhörens: „Der Markt befindet sich in einem permanenten Umbruch, wächst aber global sehr stark. Der Druck auf etablierte Player ist enorm, und es ergeben sich ständig Chancen für disruptive Geschäftsmodelle. Der Paradigmenwechsel im Medienkonsum ist eine davon. Besitz wird von Musik untergeordnete Rolle spielen, weil die permanente Verfügbarkeit mehr und mehr durch den Zugriff auf cloudbasierte Dienste, wie eben simfy, gesichert ist. Schon heute gibt es simfy auf Rechnern, Smartphones, Tablets, Home Entertainment-Geräten und demnächst auch in den ersten Autoradios. Große Entwicklungspotenziale sehen wir in der Entdecken neuer Musik und auch weiterhin in neuen Geschäftsmodellen für Kreative, Musiker und Künstler im digitalen Zeitalter – da werden sich alle Beteiligten stark verändern müssen, weiter entwickeln und spannende neue Modelle vorantreiben. Hier sind längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die sich über den neuen Musikkonsum ermöglichen.“

Fakten Simfy

  • 〉 Angebotene Songs: 16 Millionen
  • 〉 Desktopplayer für Windows, Mac, Linux
  • 〉 spezielle iPhone-App: ja
  • 〉 spezielle iPad-App: ja
  • 〉 Außerdem: Android, Blackberry
  • 〉 Facebook: kann, muss nicht
  • 〉 eigene Mediathek integrierbar: ja
  • 〉 Qualität: 160 bis 320 Kbit/s
  • 〉 Gratis verfügbar: mit eingeschränktem Zeitvolumen
  • 〉 Preis: 4,99 EUR (ohne Werbung) / 9,99 EUR (mobil, Offline-Modus)

Rdio

Rdio ist seit August 2010 am Start, wurde von Janus Friis, einem der Skype-Erfinder, gegründet und hat seinen Sitz in San Francisco. Seit Anfang des Jahres ist der Musikservice auch in Deutschland verfügbar sowie in acht weiteren Ländern. Im Laufe des Jahres schreitet die Expansion voran, es folgen weitere europäische und südamerikanische Nationen sowie der Start in Asien.

Bisher sind über 15 Millionen Titel online, Tendenz steigend. „Es kommen jeden Tag Tausende dazu. Unser Katalog geht quer durch alle Genres Genres bis hin zu Comedy und Hörbüchern. Wir legen den Fokus aber auch auf einen starken Regionalkatalog, um dem User Zugang zu internationaler und seiner nationalen Musik zu verschaffen“, erklärt Carter Adamson, COO von Rdio. Täglich also wächst die Bibliothek, kommen neue Labels und Vertriebe hinzu. Ziel ist es, einen weltweiten Streamingdienst aufzubauen, damit man ohne Probleme immer und überall auf seine Musik zugreifen kann. „Wir haben durch unsere Firmengründer, die auch Skype entwickelten, die DNA in uns, um unser Geschäft zu einem weltweiten Musikservice wachsen zu lassen und sind zudem der einzige Dienst, der von Grund auf mit der Absicht aufgebaut wurde die Musik, die du hörst, nicht nur von deinen Freunden entdecken zu lassen, sondern von allen Usern.“ Wie bei Skype steht auch hier der Gedanke der Vernetzung – unabhängig von der Entfernung – im Vordergrund. Die Verknüpfung mit einem sozialen Netzwerk (Facebook, Twitter & Last.fm) ist möglich, nicht nötig, aber durchaus praktisch und vorteilhaft.

Es herrscht Gründerstimmung. Der Markt ist noch jung, wächst aber rapide und kippt gerade in die digitale Richtung. 2011 war das erste Jahr, in dem es mehr digitale als physische Verkäufe gab, was auch Adamson Mut für die Zukunft macht: „Wir glauben, dass der Verbraucher einen ähnlichen Weg gehen wird wie beim Schauen von Videos in Ländern wie den USA: Lieber einen Streaming-Zugang, als einen physischen Datenträger kaufen. Seit Jahren sehen wir diesen Trend – weg vom Besitztum und hin zur Zugängigkeit, wie sogar beim Car Sharing. Immer mehr Leute erkennen die Vorteile an dieser Art des Musikhörens. Und um diesen Bedarf zu erfüllen, wollen wir einen wirklich globalen Service erschaffen.“

Fakten Rdio 

  • 〉 Angebotene Songs: Über 15 Millionen
  • 〉 Desktopplayer für Windows, Mac, Linux
  • 〉  spezielle iPhone-App: ja
  • 〉   spezielle iPad-App: ja
  • 〉   Außerdem: Android, Blackberry, Windows 7 & Sonos Wireless Musiksysteme
  • 〉   Facebook: kann, aber muss nicht
  • 〉   eigene Mediathek integrierbar: Synchronisation mit iTunes
  • 〉   Qualität: Bis zu 320 Kbit/s
  • 〉   Gratis verfügbar: nein/7-tägige Testphase
  • 〉    Preis: 4,99 EUR (Desktop)/9,99 EUR (mobil, Offline-Modus)

Weitere Anbieter im Kurzüberblick:

Napster
15 Mio. Songs verfügbar
14-tägiges Probeabo
7,95 EUR normaler Account
12,95 EUR Premium-Account
iPhone, Android
Keine Social Media-Anbindung

Juke mymusic
15 Mio. Songs verfügbar
14-tägiges Probeabo
9,99 EUR Premium-Account
iPhone, Android
Keine Social Media-Anbindung

Deezer
15 Mio. Songs verfügbar
15-tägiges Probeabo
4,99 EUR normaler Account
9,99 EUR Premium-Account
iPhone, Android, Blackberry, Windows, Nokia
Anbindung an Facebook und Twitter möglich

WiMP
13 Mio. Songs verfügbar
30-tägiges Probeabo
Preis noch nicht bekannt
iPhone, Android
Anbindung an Facebook und Twitter möglich

 

Fazit:
Für den User sind Streamingdienste eine schöne Sache, da sie mit nur wenigen Klicks die neueste Musik verfügbar machen. Auch ist es mit ihnen so einfach wie nie zuvor, neue Künstler zu entdecken. Ob und wie sich das am Ende auf ihr Kaufverhalten auswirkt, wird sich wohl erst noch zeigen. Der Mensch neigt nach wie vor zum Jagen und Sammeln, so dass er im besten Falle einen Unterschied zwischen Zugang und Besitz macht. Das gilt zumindest für Musikliebhaber jenseits der 25. Beim Nachwuchs, der mit Streamingdiensten groß wird, dürfte hier ein neues Bewusstsein einsetzen, das eher kontraproduktiv für die Verkäufe ist. Die Einnahmen seitens der Künstler über die Gebühren der gespielten Songs sind außerdem mehr als überschaubar. Ob hier schon das perfekte Modell gefunden ist, sei einmal dahin gestellt. Immerhin ist es dem Inhaber eines Premium-Accounts möglich, über seine ausgewählte Musik auch offline in guter Qualität zu verfügen. Hier ist der Unterschied zum „echten“ Download bei der Nutzung erst mal nicht spürbar. Es sind gerade Labels aus dem elektronischen Musikbereich, die sich dem Streamingmodell bisher – verständlicherweise – verschließen. Ob und wie lange ihnen das aber noch gelingt, sofern sie am Markt weiter bestehen und im Gespräch bleiben wollen, ist fraglich. Ein kritischer Umgang mit dem Thema Urheberrecht und ein Bewusstsein hinsichtlich der Folgen dieser neuen Entwicklungen sei auf jeden Fall jedem ans Herz gelegt, der für Musik etwas übrig hat und sie noch lange genießen möchte.

Texte: Nicole Ankelmann
Rdio-Text: Tassilo Dicke

Musikhören im Jahr 2020 Pt.1
Musikhören im Jahr 2020 Pt.2