Native Instruments Traktor Kontrol S8 – Zurück in der Zukunft

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Native Instruments hat in letzten Jahr für das am schlechtesten gehütete Geheimnis im Technikbereich gesorgt. Bilder des neuen Controllers Traktor Kontrol S8 erschienen früher, als der Berliner Firma lieb war – und damit begannen auch die Spekulationen. Denn zeitgleich startete Native Instruments in seine „The Future Of DJing“-Kampagne. Allen voran steht das neue Flaggschiff S8, das pünktlich zum Weihnachtsgeschäft in den Handel kam. Und nachdem der Innovationsmotor zeitweise etwas ins Stocken geraten zu sein schien, ist NI damit tatsächlich wieder weit in der Zukunft angekommen.

Masse und Klasse
Der S8 fällt direkt auf. Schon auf der Verpackung stellt sich der Controller als etwas Besonderes dar: All-In-One DJ System steht drauf, nicht nur schnöde „Controller“. Beim Auspacken überwältigen die Gerätedimensionen. Mit einer Breite von 58 cm und einer Tiefe von fast 40 cm entpuppt sich der S8 nicht als einfacher Begleiter auf langen Touren. Auch mit einem Gewicht von 5 Kilo macht sich die Workstation bemerkbar. Dafür ist die Oberfläche aus gebürstetem Aluminium, die Fader fühlen sich genau so wertig an wie bei einem Premium-Mischpult. Kein Potentiometer wackelt, die Knöpfe haben einen sehr angenehmen Druckpunkt. Die Displays sind durch eine robuste Plastikverkleidung geschützt. In Sachen Verarbeitung schlägt der S8 die Controller-Konkurrenz um Längen.

Nix für Jogger
Der S8 besitzt keine Jogwheels, dafür aber zwei Farbdisplays seitlich der Mixersektion. Es ist die Manifestierung der verkündeten Revolution, der Fokus rückt endlich wieder auf die Hardware und unweigerlich auf die Remix-Decks. Traditionelles Angleichen geschieht nur noch über zwei kleine Touchstrips am unteren Ende. Generelle Geschwindigkeitsänderungen regelt man über den großen Tempoknopf in der Mitte des Geräts. Rund die Hälfte des Platzes der Seitenelemente wird von acht Pads, vier Fadern und vier Potentiometern beansprucht. Mit diesen steuert man die Remix-Decks, Hot-Cues, den Freeze-Mode und wahlweise auch die Loops. Darüber prangt das blickfangende Display. Mit einer Größe von 4,3 Zoll entspricht es ungefähr dem eines durchschnittlichen Smartphones. Die Waveform und selbst die kleine Schrift sind klar zu erkennen. Zudem liefert der Bildschirm Informationen über Tracklänge, Position, Geschwindigkeit und Interpret. Sogar ein kleines Cover des gespielten Songs hat Platz gefunden. In verschiedenen Menüs wählt man bequem neue Songs aus, setzt das Beat-Grid neu oder steuert den Freeze-Modus. Mit dem Versprechen, nicht mehr den Laptop-Bildschirm zu benötigen, hat sich Native Instruments ein ambitioniertes Ziel gesetzt – und dies absolut erreicht.

Spitze für Kreative
Für das Gerät hat sich Native Instruments die Kreativität des Künstlers als Credo gesetzt. Der Kontrol S8 soll es ermöglichen, kreativer denn je mit DJ-Sets umzugehen und mit Loops und Samples zu etwas Einzigartigem werden zu lassen. Im Arbeitsablauf spürt man den Drang zum Samplen, Mashen und Remixen sehr schnell. Nicht nur, dass die Fader und Potis bei Berührung direkt den Bildschirm ändern – ohne Jogwheels erscheint das simple Vermischen von zwei Songs geradezu dröge. Der Controller ist für traditionelles Auflegen einfach überqualifiziert. Außerdem sind die Remix-Decks so simpel und zugleich spaßbringend zu bedienen, dass man sie nicht außer Acht lassen möchte. In Kombination mit den Effekten von Traktor gibt es zudem viele Möglichkeiten, den Klang geschickt zu modulieren. Aus einem Hi-Hat-Loop wird mit zwei Knopfdrücken eine Fläche, die sich über den Song legt. Jede Sample -Bank verfügt über einen Filter und eine Tonhöhenmodulation, Bewegungen im Klang sind also ebenfalls sehr einfach durchzuführen. Exakt an diesem Moment wird auch klar, warum der S8 so offensichtlich auf Jogwheels verzichtet. Denn wenn man sich in den Samples und Loops verliert, passiert es nicht selten, dass ein Song schneller vorbei ist, als gedacht. Wenn man möchte, kann man sich sehr lange mit den Remix-Decks vergnügen.

Laptop zu!
Die wahre Revolution findet aber ein wenig oberhalb der Decks statt. Die zwei Displays sammeln alle Informationen, die wichtig sind. Dank der vielfältigen Darstellungsmöglichkeiten konnten die Beschriftungen an der Hardware selbst reduziert werden. Diese Einfachheit macht den Controller zu dem wohl attraktivsten, den es derzeit auf dem Markt gibt. Keine lästigen Doppelbeschriftungen, keine Wiederholungen für Potis mit der gleichen Funktion – all das wird im Display angezeigt. Somit wandert der Blick wirklich nicht mehr auf den Laptop, für den Test hatte ich ihn sogar zugeklappt und weggestellt. Es gibt einfach keinen nennenswerten Anlass mehr, sich das komplette Programm anzuschauen. Hier liegt einer der großen Pluspunkte des Controllers für DJs, die nicht an einem Live-Hybrid-Set arbeiten: Dank der Displays ist es sehr entspannt, mit Timecode-Vinyls aufzulegen. Der S8 funktioniert nämlich auch als eigenständiges Mischpult inklusive der Filter. Und dann ist da natürlich noch das große Potenzial der Traktor-Community, die noch kaum Zeit hatte, über geschickte MIDI-Templates etwas völlig anderes aus dem Gerät herauszuholen. Mit den insgesamt über 104 Buttons, Fadern und Drehknöpfen lässt sich bestimmt einiges anstellen. Die einzigen negativen Punkte an dem Gerät sind die Vielzahl der berührungsempfindlichen Elemente und die Anordnung der Buttons unter dem Touchstrip. Während letzteres eine Tradition bei NI ist, erzeugen simple Berührungen an Fadern oder Effekt-Potis durch das ständige Umschalten zu viel Hektik auf dem Display. Manchmal ist die Waveform nunmal interessanter und wichtiger, als die Position des Filters für ein Sample.

Abschließend bleibt die Frage, ob Native Instruments mit dem S8 wirklich die Zukunft des Auflegens beschreitet. Generell kann man darüber natürlich kein Urteil fällen, nichts ist gegen ein traditionelles Vinylset zu sagen. Aber der Traktor Kontrol S8 bietet allen, die weiter gehen wollen, die mehr machen wollen, als nur zu matchen, ideale Möglichkeiten. Das Fehlen der Jogwheels mag für manchen alten DJ wie ein Affront wirken. Es löst aber die Verkrampfung an Bewährtem festzuhalten, da es den DJ quasi zwingt, neu zu denken und Neues zu versuchen. Dank der ungeschlagenen Verarbeitungsqualität, dem glasklaren Sound und der vielseitigen Displays bleibt nichts übrig außer der Erkenntnis: Das ist kein halbgares Spielzeug. Durchdacht bis ins Detail ist der Kontrol S8 eine ernst zu nehmende Workstation, die viel Raum für Kreativität lässt. / Philipp Steffens

Technische Details:
4-Deck DJ Controller mit integrierter Soundkarte und Traktor Scratch Pro 2 Software
Insgesamt 30 berührungsempfindliche Regler und Fader
Touch-Strips für Kontrolle über Track-Position
Berührungsempfindliche 4+4-Kanal Remix Deck-Fader
16 Multi-Color-Pads
Zwei anpassbare Effekt-Einheiten mit mehr als 30 Effekten
24-Bit / 48 kHz Audiointerface
Vier analoge Eingänge mit Phono- und Mikrofon-Preamps
Line-Ausgänge: XLR / Cinch / Klinke 6.3 mm
Standalone-Mixer Funktion
Abmessungen (B x H x T): 38,7 x 6,6 x 58,5 cm
Gewicht: 5 kg
Preis: 1.199 EUR UVP

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Aus dem FAZEmag #035/01.2015
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