Nile Rodgers über Daft Punk – Auf die gute alte Art

Daft+Punk+Pharrell+Nile+Rodgers

Für das heute erschienene vierte Daft Punk-Studioalbum „Random Access Memories“ haben sich die Roboter Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo einige hochkarätige Musiker eingeladen. Nile Rodgers, Giorgio Moroder, Todd Edwards, Paul Williams, Pharrell Williams, Panda Bear, Julian Casablancas … Schon im Vorfeld hat die Liste der am neuen Daft Punk-Album Mitwirkenden einige Herzkasper bei Journalisten, Hörern und dem weltgrößten Daft Punk-Fan ausgelöst. Auch näher betrachtet erscheinen die Kollaborationen durchaus stimmig. Die beiden Franzosen wussten genau, wen sie da ins Boot holen und zu welchem Zweck.

Mit dem grundsympathischen Nile Rodgers haben wir nun ein Interview geführt. Darin spricht er über die Zeit mit Daft Punk, livegespielte Songs und den Spaß, den er auch nach all den Jahren immer noch an der Musik hat. Bei wem der Name Nile Rodgers ein Fragezeichen im Gesicht hinterlässt, der sollte schleunigst das Internet bemühen und sich danach die wichtigsten Tonträger, an denen dieser 1952 in der Bronx geborene Herr beteiligt war, in physikalischer Form besorgen. Denn Rodgers ist eine Legende, dessen Karriere übrigens in der Studioband der amerikanischen Sesamstraße begann und der zusammen mit Bernard Edwards die stilprägende Band Chic gründete. Rodgers hat im Laufe seiner Karriere mit unzähligen Größen gearbeitet, darunter Sister Sledge, Debbie Harry, Madonna, David Bowie, Grace Jones, Mick Jagger oder auch Laurie Anderson. Auch heute ist er der leidenschaftlicher Musiker geblieben, der immer noch enorme Freude an der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Künstlern hat.

Hallo Nile. Was war für dich das Besondere an der Zusammenarbeit mit Daft Punk?

Die Tatsache, dass sie auf so natürliche Weise geschah. Das trifft auch auf all die anderen großen Platten zu, die ich in meinem Leben gemacht hatten. Es war immer ein Künstler-zu-Künstler-Verhältnis. Nie war es der Manager, der mich anrief oder die Plattenfirma, die mich mit dem Künstler verbunden hat. Daft Punk habe ich schon vor vielen Jahren getroffen. Wir haben dann versucht zusammenzukommen, das wurde vor einem Jahr möglich.

War es denn einfach, im Studio gemeinsam an etwas zu arbeiten und sich auf eine Arbeitsweise zu einigen?

Daft Punk haben mich in meiner New Yorker Wohnung besucht. Zu dem Zeitpunkt hatten sie schon im Studio an etwas gearbeitet. Und ich denke, dass ihnen bei einem bestimmten Song die Idee gekommen ist. mich mit dazu zu holen. Wir redeten bei mir dann darüber und über Musik im allgemeinen. Und ich ging danach zu ihnen ins Studio. Das war übrigens genau jenes Studio, in dem ich meine allererste Chic Platte aufgenommen hatte. Das wussten die Jungs allerdings nicht. Ich habe ihnen dort gezeigt, wie wir damals mit Chic gearbeitet haben. Das war wirklich spannend für sie. Und das hat so gut funktioniert, dass wir direkt noch einen Song gemacht haben. Da hat sich eins aus dem anderen ergeben, das ist einfach perfekt.

Denkst du, dass Daft Punk einen großen Druck verspürt haben, ein neues Hit-Album abliefern zu müssen, von dem die Leute erwarten, dass es die Vorgänger noch übertrifft?

Nein, sie haben über keinerlei Druck nachgedacht. Es war echt entspannt bei ihnen im Studio. Wir dachten nicht darüber nach, irgendetwas zu übertreffen, sondern waren einfach nur begeistert vom ganzen Verlauf der gemeinsamen Arbeit. Dadurch dass wir es gemacht haben, fühlte es sich toll an. Es ging einfach nur um den Spaß.

Deine Musik hat ja bekanntlich großen Einfluss auf Daft Punk. Haben dich auf der anderen Seite diese auch irgendwie beeinflusst?

Das ergibt sich immer, wenn ich man mit jemandem zusammenarbeitet. Wenn du ihn schätzt und respektierst, lernst du auch immer etwas von ihm. Das konnte ich bisher jedes Mal erleben und das ist großartig.

Ist es nach so vielen Platten, die du gemacht hast, eigentlich schwierig, immer noch mit der gleichen Begeisterung an eine neue heranzugehen?

Es ist immer ein neues Abenteuer. Du veränderst das Leben des anderen und er verändert deins. Daft Punk riefen, nachdem ich ihr Studio verlassen habe, einen ihrer besten Freunde an und sagten „We just touched magic“. Das habe ich später herausgefunden. (lacht)

Für mich hat es sich schon von Anfang an so angefühlt, da wir nicht einfach Musik sondern Aufnahmen gemacht haben, das ist ein Unterschied. Wenn man Musik macht, komponiert, live spielt, dann ist das nur für den Moment. Wir haben aber live gespielt, um es zu einer Aufnahme werden zu lassen. Wir konnten dadurch eine bestimmte Zeit einfrieren. Ich liebe es mit Leuten zu jammen und habe das schon mit so vielen in meinem Leben gemacht. Wenn man das aber dann aufnimmt, damit es auch andere hören können, ist das ein Unterschied und verschafft eine andere Art von Befriedigung.

Ist Disco denn generell viel emotionaler wenn es aus live eingespielten Aufnahmen generiert wird, als wenn die Stücke am Computer entstehen?

Ich selbst denke das ist so, aber das bedeutet nicht, dass das eine allgemeingültige Wahrheit sein muss. Ich habe es einfach so gelernt. Es ist wie bei Ärzten – der eine hat sich auf diese Methode spezialisiert, der andere auf jene. Natürliche Bandmusik ist einfach das, was ich mein ganzes Leben lang mache. Viele Platten haben wir einfach live eingespielt.

Auf der anderen Seite ist es heute viel einfacher als früher, Discosongs oder Danceplatten zu machen. Beeinflusst dich das, so dass du vielleicht auch einen Mittelweg suchst zwischen traditoneller und moderner Weise?

Ich setze beim Songschreiben immer noch auf den traditionellen Weg. Momentan arbeite ich mit David Guetta und Avicii und auch bei denen mache ich das so. Und sie machen es so, wie sie es gewohnt sind.

Heutzutage basieren viele Tracks auf Samples oder greifen etwas auf, das schon mal da war. Vermisst du manchmal die Einzigartigkeit in der Musik?

Ich mag neue Musik, ich mag Musik, die auf Samples basiert. Denn nur weil ich etwas nicht so mache, heißt das nicht gleich, dass ich es auch nicht mag. Es gibt so viele neue Platten, die ich liebe. Die Producer heute haben natürlich viel mehr Tools zur Verfügung. Wenn ich früher einen bestimmten Sound auf einer Platte haben wollte, den ich selbst nicht spielen konnte, musste ich jemanden dafür anheuern. Mir ist es heute manchmal egal, ob ein Klang jetzt künstlich erzeugt ist, aber manchmal möchte ich eben den echten Klang. Ich finde es großartig, dass Leute, die nicht das musikalische Wissen haben wie wir früher, trotzdem tolle Platten machen können. Sie können zum Beispiel auf Samples zurückgreifen. Und das ist nicht weniger funy oder soulful. Manchmal sogar mehr. Ich hingegen habe es eben über den klassischen Weg gelernt und mag es noch immer so. Für mich ist es ein großer Spaß, Musik zu machen. Ich muss das nicht aus finanziellen Gründen machen. Bei Daft Punk hat es dann sogar noch mehr Spaß gemacht, da wir auf die altmodische Art Musik gemacht haben.

Ist es heutzutage schwieriger ein Album zu promoten und die Aufmerksamkeit der Leute für längere Zeit zu bekommen? Zum Daft Punk-Werk gab es ja eine äußerst bemerkenswerte Werbekampagne mit all den Videos, und es wurde dadurch eine hohe Erwartung geschürt. Andererseits scheinen Alben heute längst nicht mehr die Halbwertzeit zu haben wie noch vor 20, 30 Jahren.

Die Promotion bei Daft Punk war wundervoll. Sie ließen Filme drehen, die im Kino und Fernsehen liefen, machten Werbung in Radio und Zeitungen. Das war Werbung nach der alten Methode. Daft Punk haben eine sehr künstlerische Sicht auf die Dinge. Das kommt dem sehr nahe, wie wir früher waren. Unsere Platten waren Konzeptplatten. Das „Four Season“ Album von Donna Summer etwa, das sich um Frühling, Sommer, Herbst und Winter drehte. Wir haben in erster Linie Alben gemacht. Singles waren einfach nur die eingängigsten Songs dieser, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erweckt haben. Alben spiegeln dann die gesamte Arbeit des Künstlers wider. Ich war kürzlich bei einem Seminar zu David Bowie. Dort wurde zwischendrin eine Pause gemacht und alle hörten sich gemeinsam das „Let’s Dance“-Album von Platte an. Danach redeten wir darüber. So ist auch „Random Access Memories“ von Daft Punk angelegt. Als etwas, das man sich komplett anhört. Von Anfang bis Ende.