Novys Welt – Hallo Amsterdam

Novys Welt

Novys Welt 11/2012 – FAZE 009

Es ist mal wieder soweit: Wir sind alle auf dem Amsterdam Dance Event. Die jährliche Techno/House-Klassenfahrt zu unseren Holzschuh tragenden, Gouda essenden, vollgekifften Nachbarn steht an. Diesmal sollte es spannend werden, denn lange nicht mehr war die Szene so uneins und so kaputt wie in diesen Tagen. Habe ich nicht schon vor ein paar Monaten vom großen Crash gewettert? Hier ist er nun so langsam. Nicht, dass ich schwarzmalen möchte, das liegt mir fern. Eigentlich ist ADE ja schon die Messe, bei der gearbeitet wird und nicht nur gefeiert wie etwa in Miami. Das Wetter ist diesmal eh kacke. Sprich, ich muss gleich auf die Messe, Panels besuchen und sehen, was der Untergang so mit sich bringt. Beliebte Panels sind diesmal: „Der Sync-Button beim Nexus ist scheiße!“ – „Warum ist der Guetta immer noch da?“ – „ Ibiza – Top oder Flop?“ – „Sollen wir alle nach Berlin ziehen?“ – “Wo gibt es gutes Gras?“, oder aber mein Lieblingsthema: „Wie werde ich Promoter oder DJ Millionär?“ Ich werde allen beiwohnen, schließlich will ich ja wissen, was läuft, und das erfährt man heute nicht mehr im TV.

Zurück also zum bevorstehenden Crash: Überall wird gejammert. Die DJs finden sich alle gegenseitig peinlich und spielen sowieso am liebsten ihre eigenen Tracks. Die Promoter und Festival-Organisatoren heulen rum, weil alles zu teuer ist, keiner kommt und das Wetter ein totales Arschloch ist. Es wird also eigentlich nur noch über Geld gesprochen. Die Musik ist längst zweitranging geworden. Man hört, wie teuer ein DJ ist und nicht, wie toll der auflegen kann oder was für coole Musik er macht. Hier läuft schon mal grundlegend etwas falsch, denn wenn man es so betrachtet, ist ganz klar, dass auch dieses Business wie jedes andere in einer Finanzkrise steckt. Da gibt es Faktoren, die einfach nicht stimmen. Egal, ob die GEMA, die völlig überzogenen Preise mancher Kollegen oder einfach nur die ewige Lästerei im Internet, die macht es nicht besser. Habt ihr bemerkt, wie kurzlebig alles geworden ist? Die Musik, die Trends. Manche Tracks sind so gehypet, dass sie schon wieder out sind, wenn sie erscheinen. Merkt ihr noch was? Ein guter Track ist ein guter Track – und das für lange Zeit.

Ebenso verhält es sich mit den Acts, die durch die Clubs gebucht werden. Heute der riesen Hype bei 20.000 EUR Gage und morgen will ihn schon niemand mehr hören. Das ist Konsum in Reinform und tut dem Ganzen nicht gut. Für alles Gute braucht es Beständigkeit und Erfahrung – und vor allem Seele und viel Liebe. Musik ist Ausdruck der Seele in Tönen und nicht Ramschware am Computerwühltisch.

Ich habe lange nach Antworten für die Misere gesucht, in der alles zur Zeit steckt, und ich denke, es muss sich einfach gesund schrumpfen. Viele werden einsehen, dass eben nicht mehr das große Geld zu verdienen ist und 20 veröffentlichte Tracks pro Woche der Qualität keinen Gefallen tun. Diese ganze Fließbandscheiße muss aufhören, und das geht nur, indem etwas wieder kleiner wird und von Neuem wächst. Mit Seele und Bedacht. Vielleicht eine gute Option, um neue Talente zu finden oder aber die vielen Trittbrettfahrer und unnötigen Spacken, die es gerade an allen Ecken und Enden gibt, wieder loszuwerden.

Aber jetzt mal auf zur Messe und ab zum ersten Panel und ins erste Meeting. Ich bin schon neugierig, was es so Neues gibt und werde natürlich berichten. Zum Abschluss dann mal eben noch meinen Lieblingsholländerwitz, bevor sich wegen meiner frustrierenden Prognose noch einer ins K Hole stürzt:
Wie heißt Linda De Mol mit grünen Haaren?
Antwort: Linda Guacamol
Liebe Grüße aus Amsterdam
Euer Tom

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Foto: Markus Keuter