Phonique – Über Musik und Brasilien

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Der Berliner Phonique hat Anfang 2017 sein viertes Album „Green Supreme“ auf seinem Label Ladies And Gentlemen veröffentlicht. Im September folgte „Green Supreme Remixed“, u. a. mit Beitragen von Douglas Greed, The Black 80s, Tapesh und Larse. Michael Vater, wie sein bürgerlicher Name lautet, veröffentlicht seit 17 Jahren schon Alben, Remixe und EPs und ist auch seit vielen Jahren Stammgast in Brasilien, wo er mehrere Male im Jahr auflegt. Wie es dazu gekommen ist, verrät er uns hier:

Wann warst du das erste Mal in Brasilien? War es beruflich oder privat?

Mein erstes Mal war 2004 nach dem Release meines ersten Albums. Ein Gig im D.Edge in São Paulo und dann noch in Campo Grande, dem Heimatort von Renato Ratier, dem Macher des D.Edge, um dort seinen Geburtstag zu feiern. 

Warst du da schon Feuer und Flamme? Oder hast du das Gefühl schon vorher mit dir getragen? Gab es einen bestimmten Moment, eine Initialzündung?

Meine Vorstellungen von Brasilien basierten damals auf dem Filmklassiker „Grand Slam“, so eine Art „Ocean’s Eleven“, der in Rio zum Karneval spielt. Als ich dann in São Paulo ankam, war das schon ganz schön anders. Alle waren tätowiert, überall gab es Grafitti, die ganz anders waren als die, die ich aus Berlin kannte. São Paulo ist eine unglaublich coole Metropole, die Strassen sind immer übervoll und daher boomt das Hubschrauber-Business wie nirgendwo sonst.

Für mich viel entscheidender war aber mein zweiter Trip. Dort hab ich auf dem Houseship aufgelegt. Das war ein Kreuzfahrtschiff für knapp 1000 Gäste auf dem vier Nächte lang DJs aufgelegt haben. Das Gute war, dass man dort den anderen Gästen immer wieder über den Weg lief und so kam man nicht drum herum sich mit vielen zu unterhalten. Alle Gäste schienen sich auf den Auftritt von Steve Angello (Swedish House Mafia) zu freuen. Ich war damals ja den meisten völlig unbekannt und zum Glück war der Booker dort sehr mit meiner Musik vertraut und entschied, dass ich am dritten Abend gleich mein eigenes Warm-up mitmachen sollte. Warm-ups zu spielen war schon immer meine Spezialität und so konnte ich die Gäste langsam an meinen Sound heranführen. Und da lernte ich das erste Mal das Besondere an dieser Brasilianischen Crowd zu lieben: Sie sind bereit, sich auf Dinge einzulassen. Der Großteil hatte wohl den Trip gebucht, um Steve-Angello-Sound zu hören, aber man war bereit, sich an einem anderen Abend auf einen neuen Sound einzulassen und so kam es, dass selbst die drei Local-DJs, die eigentlich um 4 Uhr übernehmen sollten, mich baten, noch weiter zu spielen. Wo findet man das sonst in der Welt, dass die Local-DJs auf einer unglaublich guten Party nicht am liebsten sofort übernehmen wollen? Stattdessen haben wir alle zusammen hinterm DJ-Pult getanzt und Terry Lee Brown Jr und Timewriter, die für den letzten Abend gebucht waren, kamen nach jedem Mix an und riefen mir Sachen zu wie „Ich kann nicht glauben, dass du die Nummer jetzt spielst“.

Für mich war das wahrscheinlich der beste und wichtigste Gig meiner DJ-Karriere. Die drei Local -DJs Ale Reis, Paulo Boghosian und Mary Zander sind seither gute Freunde und da auf dem Schiff viele Promoter waren, kamen seither die Bookings nur so eingeflogen.

Wie gut sprichst du portugiesisch?

Es ist sehr traurig, aber ich spreche leider sehr wenig. Ich verstehe viel, kann mir auch am Airport mal einen Kaffee bestellen, aber leider hatte ich gerade mal vier Doppelstunden Portugiesisch.

Die Unterschiede in Sachen Clubkultur zu Deutschland?

Hier liegt ein Problem schon in der Fragestellung. Das Clubleben in Berlin ist ja weltweit nicht zu schlagen, wenn ich hingegen in meine 100.000 Einwohner starke Heimatstadt Moers komme, dann gibt es dort nicht eine gute Party. Vor zehn Jahren hat da mal Butch aufgelegt – das war wahrscheinlich das letzte Mal, dass dort ein DJ mit Name am Start war und 150 Gäste angelockt hat. Genauso wie es in Deutschland ein Qualitätsgefälle in Sachen Clubkultur gibt, findet man das auch in Brasilien. Allerdings gibt es dort irgendwo im Nichts immer wieder größere Clubs, die funktionieren und wohin die Menschen aus einem Zwei-Stunden-Radius monatlich hinpilgern.

Das D.Edge in Sao Paulo z. B. war ja durch sein innovatives Lichtdesign Inspiration für viele Clubs weltweit und ich würde mal behaupten, dass sich das Watergate in Berlin oder das Sankeys in Manchester einiges abgeschaut haben. Die Inspiration geht also nicht nur in eine Richtung, sondern Brasilien nimmt mehr und mehr Einfluß auf den Rest der Welt.

Was ist dein Lieblingsclub und welchen Club sollte man auf jeden Fall besuchen wenn man nach Brasilien fährt?

Das D.Edge in Sao Paulo hab ich ja inzwischen mehrfach erwähnt. Den Laden muss man gesehen haben. Der andere Club, über den jeder DJ spricht ist das Warung in Itajaí. Bei meiner dritten Tour nach Brasilien hatte ich dort meine Premiere, zusammen mit Erlend Øye (Whitest Boy Alive, Kings Of Convenience) als Sänger. Die Stimmung dort ist so unglaublich, dass Erlend irgendwann von der DJ-Booth in die Menge sprang und sich hat treiben lassen. Seither habe ich dort sicher um die 15 Mal aufgelegt. Der Club liegt an einem einsamen Strand, hat zwei Floors und fasst 2500 Gäste. Oft sehen die Bookings so aus, dass jemand wie Solomon, Loco Dice oder Guy Gerber den einen Floor headlinen und ich mit zwei Brasilianern auf dem anderen spiele. Nicht selten hab ich dort schon 8-Stunden-Sets gespielt, bis die Polizei abbricht, weil die Strandbesucher am Tag dann auch mal Ruhe haben wollen.

Ein weiterer Geheimtipp ist das Privilege in Búzios. Búzios ist ein altes Fischerdorf, das in den Sechzigern von Brigitte Bardot entdeckt wurde und durch seine romantische Idylle Berühmtheit als Ferienort erlangte. Von Rio aus drei Stunden Fahrzeit, die sich lohnen. Viele traumhafte Strände und im Privilege, wenn morgens die Sonne rauskommt und man durch die großen Scheiben aufs Meer schauen kann, wird man schnell wieder daran erinnert, dass man nicht gerade in der Panorama Bar in Berlin tanzt, was man aufgrund der Musik und Stimmung leicht vergessen könnte.

Was sollten wir von den Brasilianern lernen?

Offenheit. Bereit sein sich auf Abende voll und ganz einzulassen und nicht im Club aufs Handy schauen, um zu checken wann denn Acid Pauli endlich anfängt. Und häufiger mal Freude ausstrahlen im Club, nicht immer alles für selbstverständlich nehmen und nicht immer der coolste im Club sein wollen.

Dein Top 3 brasilianischen House-Tracks?

Ich habe mich mal für 3 Classics entschieden, die sozusagen nie meine Plattentasche verlassen habe:

Wehbba & Dubshape – Jitterbug
Gui Boratto – Arquipelago
Bruno Be – Lovesick

Aus dem FAZEmag 071/01.2018
www.soundcloud.com/phonique

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