Photek – Klangvielfalt aus L.A.

Photek wurde bekannt durch eigenwillige Drum’n’Bass-Releases in den 90er-Jahren. Seine Musik repräsentierte aber schon immer eine blühende Stilvielfalt. Mittlerweile wohnt der Brite in Los Angeles und hat sich in den letzten Jahren auch auf anderen Gebieten klanglich ausprobiert. Jetzt aber gilt sein Engagement wieder verstärkt der elektronischen Musikszene. Die beglückt er unter anderem mit einer DJ-Kicks auf !K7. Ein neues Album steht ebenfalls in den Startlöchern. Zeit für ein Interview.

Was war denn der Auslöser dafür, dass du jetzt in Los Angeles lebst ?

Photek: Ich habe ja vorher in London gewohnt. Um 2001 tourte ich dann in L.A. Zu der Zeit fragte mich  Paramount Pictures, ob ich die Musik zu einer TV-Show zu machen kann. Ich habe dann diesen Job bekommen und wohnte halb in LA, halb in London. Es folgten einige weitere Arbeiten für Filme und Fernsehformate. Irgendwann wurde mir klar, wie viel Zeit ich durch das Pendeln zwischen den Wohnsitzen an Flughäfen, in Flugzeugen und mit Jetlag verbringe. Als ich dann entscheiden musste, wo ich lieber leben wollte, entschied ich mich für den Ort mit dem besseren Wetter. (lacht)

 

Waren der Umzug und die Produktion von Filmmusik auch eine Art Befreiung für dich?

Ja, es hat mein musikalisches Repertoire sehr erweitert, da ich die unterschiedlichsten Klänge für Filme machen musste und weil das so fern von dem war, was ich zuvor gemacht hatte. Dadurch habe ich verdammt viel dazu gelernt, was Flexibilität und schnelles Arbeiten angeht. Es war eine große Lehre und eine großartige Erfahrung. Heute bin ich aber wieder viel mehr daran interessiert Platten zu machen. Ich liebe es zwar, Musik zu Bildern zu erschaffen und Filme zu vertonen, aber in dem Business ist das auch mit einiger Politik verbunden.

 

Hat dich die örtliche Distanz zur elektronischen Musikszene in Europa noch eher auf den Geschmack gebracht, als wenn du immer noch mittendrin wohnen würdest?

Es ist ja oft so: Was immer du auch gerade machst, meistens würdest du am liebsten etwas anderes tun. Als ich Musik für Filme machte, hätte ich lieber irgendwo aufgelegt. Und als ich dann unterwegs war zu Gigs, wünschte ich mir, lieber in L.A. zu sein und an Filmscores zu arbeiten.
Es ist schön, die Möglichkeit zu haben, beides zu tun. Mein Fokus liegt aber momentan ganz klar auf der eigenen Musik. In Europa habe ich letztes Jahr viel Zeit verbracht, dadurch, dass ich auf Festivals im Sommer gespielt habe. Es ist toll, wenn man sein Leben auf zwei Kontinenten verbringen kann. Ich bin sehr dankbar dafür …

 

Von L.A. hört man, dass dort in der Musik- und Kunstszene gerade einiges wächst. Viele Künstler aus anderen Städten und Ländern hat es dort hin verschlagen …

Ja hier passiert so viel momentan Und gerade im Bereich der elektronischen Musik fand eine Zuwanderung an Produzenten statt. Switch sind hier. Adam Freeland war es lange Zeit. Mit Jesse Rose habe ich zusammen Musik gemacht. Es gibt hier viele Talente aus aller Welt und es ereignet sich einiges. Die ganze Dubstep-Bewegung bekommt in den USA gerade mehr Aufmerksamkeit als je zuvor, denn der DJ-Sound hat auch eine Nähe zu dem von Rockbands. Es gibt auch einige großartige Promoter für dieses Genre und riesige Events für elektronische Musik.

 

Was ist denn deiner Ansicht nach der Hauptunterschied zwischen der Dubstep-Szene in den USA und der in europäischen Metropolen wie London?

Ich denke, dass die europäische Szene anspruchsvoller ist. Dubstep und elektronische Musik im Allgemeinen sind dort aufgewachsen. Aber die Bewegung hier in den US ist sehr stark. Die Ähnlichkeiten zu Rockmusik haben es zu einem echten Crossover-Sound werden lassen. Das letzte Jahr war wirklich aufregend für alle Dubstep-Leute vor Ort.

 

Du warst einst berühmt für deine Jungle-Tracks. Welchen Eindruck hat denn Dubstep auf dich gemacht, als du ihn das erste Mal gehört hast?

Ich habe so um 2005 erstmals Dubstep mitbekommen. Für mich klang das damals ein wenig wie der frühe Drum’n’Bass. Wir machten da manchmal harte Geschwindigkeitsreduktionen. Mir kam Dubstep eigentlich wie eine coolere Version von Drum’n’Bass vor. Damals hörte ich den in UK produzierten Sound. Der, den ich heute in den US höre, klingt völlig anders. Er enthält viel mehr Synths und ist viel mehr Hi-NRG und bombastischer.

 

Der US-Dubstep ist vermutlich auch viel massentauglicher als der aus UK, oder?

Ja. Ich mag vielleicht nicht mit der ganzen Entwicklung vertraut sein, aber auf mich wirkt es so, als sei Native Instruments „Massive“ zur neuen Gitarre geworden. Wenn du dann noch paar laute Becken auf die Beats legst, wird daraus Rockmusik. Die ganze Bewegung in den USA hat ihren eigenen Dreh gefunden, einen einheimischen Sound zu erschaffen. Den Original Dubstep begreift man jetzt einfach als coole Broken Beats. Die ganze Energie der US-Szene öffnet dann sicher auch die Türen für viele andere Styles. Jeder braucht doch erst einmal eine Einführung.

 

Wie wirken sich denn europäischer und amerikanischer Dubstep auf deine eigenen Arbeiten aus?

Sie erweitern einfach meine Palette. Ich habe ja immer schon Sounds und Einflüsse von verschiedenen Arten von Musik in meinem Werk aufgegriffen. Dubstep hat nun auch mein Bewusstsein für Bassmusik vergrößert An dem Genre mag ich ebenso, dass es in Sets verschiedene Stile zusammenbringt, was ich ja auch gerne als DJ mache.

 

Wie wichtig ist für dich als Produzent Veränderung? Dein musikalisches Werk beinhaltet ja die verschiedensten Klänge, egal ob nun Jungle, Downbeat, experimentelle Tunes oder gar House. Passiert die Veränderung als natürlicher Prozess oder eher nachdem du den Drang verspürt hast, etwas Neues zu machen?

Ich glaube, das passiert auf natürlichem Wege. Du hast einen Song fertiggestellt, möchtest danach eine neue Richtung einschlagen. Nachdem ich Sachen gemacht habe, die keine direkte Abweichung von den Stücken davor waren, will ich die neue Richtung herauszufinden. Seit ich Musik mache, betreibe ich diese Entwicklung konstant. Schon bevor ich überhaupt eine erste Platte veröffentlicht habe, waren die ersten vier Tracks, die ich machte schon komplett verschieden. Einer war Minimal Techno, einer hatte HipHop-Beats, einer war ein jazzy Houseding und einer war verrückter Rave-Hardcore. Wenn ich eine Idee habe und dann anfange, Musik zu produzieren, kann das oft in einer ganz anderen Richtung enden. Der kontinuierliche Richtungswechsel ist auf jeden Fall wichtig, denn der sorgt dafür, dass man kreativ bleibt.

 

Dann müsste doch der Musikjournalist dein größter Feind sein? Der versucht doch, dich stets in irgendwelche stilistischen Schubladen zu stecken, oder reduziert dich vielleicht bloß auf bestimmte Phasen deines Schaffens …

(lacht). Wir brauchen doch Leute, die über Musik schreiben und sie diskutieren. Aber man ist eben beschränkt durch die Wörter. Wenn man dann einen Sound beschreiben soll, muss man ihn definieren. Und beim Definieren begrenzt man ihn schon. Das ist die Beschränkung, die uns durch unsere Sprache auferlegt  ist. Ich denke nicht, dass es der Fehler des Journalisten selbst ist.
Es ist möglicherweise viel gefährlicher, in Clubs zu spielen, in denen die Crowd sehr engstirnig ist und etwas Bestimmtes von dir hören will. Es gibt nichts Schlimmeres, als vor einem Publikum aufzutreten, das deine Musik nicht hören will.