Ray Kajioka – Der Kanzlerkandidat

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Ray Kajioka – Der Kanzlerkandidat

Der nach Ray Charles benannte Techno-DJ und Live-Act Ray Kajioka veröffentlicht diesen Monat sein neues und elf Tracks starkes Album „Consistency“. Wie auch schon einige Releases zuvor findet auch dieser Longplayer sein Zuhause auf Kanzleramt, dem Label von Heiko Laux. Wir wollten mehr über den Werdegang und die Arbeit von Ray Kajioka wissen und haben nachgefragt.

Wann hast du begonnen, Musik zu machen und dich für elektronische Klänge zu interessieren?

Angefangen habe ich mit 15 Jahren, das war im Jahr 1995. Damals habe ich viel House, Techno, Rave, Breakbeats, Drum ’n’ Bass, Hardcore, Acid, New Age und Synthie-Pop gehört. Also quer durch den elektronischen Gemüsegarten. Dabei beeinflusste mich das, was meine Eltern an elektronisch erzeugter Musik aus den Siebzigern und Achtzigern favorisiert haben. Musik gemacht habe ich eigentlich seit jeher. Ich mochte es schon immer, mich musikalisch auszudrücken, sei es durch Singen, Pfeifen, indem ich diverse Geräusche mit meinem Mund erzeugte bzw. nachahmte oder auf jeglichen Objekten in meiner Umgebung rumklimperte. Ich tue das heute noch – zum Beispiel mit Freunden am Esstisch. Es dauert nicht lange, dann greife ich nach dem Besteck und beginne, damit auf Gläsern, Tellern, Tassen oder allem, was gerade in greifbarer Nähe ist, zu spielen. Das führt dann so weit, dass ich entweder meinen Leuten so richtig auf den Sack gehe oder sie einfach mitmachen und wir dann gemeinsam durchdrehen.

Du bist in Wittenberg aufgewachsen und hast auch die dortige Technoszene kennengelernt. Wann war die Zeit für dich reif, nach Berlin zu ziehen?

Mitte bis Ende der Neunziger war ich zunächst Resident im Oxyt Muzikclub meiner Heimatstadt, ab 2000 dann im Global Village im nahe gelegenen Dessau. Nachdem beide Clubs aus bestimmten Gründen schließen mussten, gab es für mich keinen Ort mehr, wo ich mich hätte musikalisch ausleben bzw. weiterentwickeln können. Auch jobtechnisch gingen die Aussichten für mich fast gegen Null. Zwar hatte ich meine abgeschlossene Berufsausbildung und die Fachhochschulreife in der Tasche, doch hätte mir das alles nicht viel gebracht, wäre ich in meinem Heimatort geblieben. Ich sah dort leider keine Zukunft für mich und beschloss dann 2004, nach Berlin zu gehen.

Mit „Consistency“ erscheint nun dein zweiter Longplayer. Steckt ein Konzept dahinter?

Mit dem Album beschreibe ich mehr oder weniger mich selbst und die Art, wie ich meinen Weg bisher gegangen bin. Dafür gab es auch eine breite Palette an Inspirationen. Eben Dinge, die ich erlebt habe, die mich im täglichen Leben bisher begleitet oder auch direkt während der Produktionsphase beschäftigt haben. Jeder Track hat seine eigene Geschichte – doch dreht es sich immer um das gleiche Thema.

Welchen Stellenwert hat das Format Album für dich?

Einen sehr hohen! Für mich persönlich ist es sehr wichtig, auch weil ich immer versuche, etwas Neues zu schaffen. Das ist heutzutage, wie ich finde, sehr schwierig, da es schon so vieles gibt. Außerdem wäre es langweilig, wenn ich immer nur Singles oder einzelne Tracks rausbringen würde. Es ist nur gut für die eigene Weiterentwicklung, denn so ein Album fertigzustellen, ist noch mal eine ganz andere Erfahrung, die es als Musiker jedoch zu machen gilt. Aber abgesehen davon macht man ja auch Alben, um etwas Besonderes damit auszudrücken, eine Botschaft zu hinterlassen oder einen Denkanstoß zu geben, wie man die Welt etwas besser machen und bestimmte Werte und Dinge aufrechterhalten könnte. Oder eben um Dank an die Familie und Freunde auszusprechen, die einem die ganze Zeit den Rücken gestärkt haben. Ein weiterer Aspekt wäre, dass man sich als Künstler und Musiker von der Masse abheben muss, um weiterhin bestehen zu können. Andernfalls geht man unter – besonders in der heutigen Zeit. Und ohne Album hätte ich das Interview mit euch gar nicht machen können (lacht).

Gehen wir noch etwas auf die technische Seite des Albums ein. Wie dürfen wir uns dein Studio vorstellen?

Mein Studio ist recht bescheiden aufgebaut. Hier arbeite ich mit Hardware wie dem Nord Lead 2, Korg-MS 20 oder dem Roland JP-08. Auch diverse Software bzw. Vst-Plugins wie der Korg Legacy Collection, TAL Synths (Bassline 101, U-No-LX, NoiseMaker) und TAL FX kommen zum Einsatz. Bis auf „Constantsind alle Tracks am Rechner in Verbindung mit Ableton Live und den externen Geräten entstanden. Das einzige Instrument, das nur einmal vorkommt, ist der Yamaha RM1X, von dem auch der Sound bzw. die Chords für „Constant” stammen. Diese Kiste habe ich anfangs oft als Sequenzer für den Nord Lead Synth und andere Maschinen verwendet.

„Consistency“ erscheint, wie auch schon einige Releases zuvor, auf Kanzleramt. Wie kam diese Zusammenarbeit eigentlich zustande?

Das ist eine lange Geschichte. Kurz gesagt, begegneten Heiko und ich uns auf indirektem Weg. 2003 hatte ich ein Release-Projekt zusammen mit einem DJ aus England. Die Tracks auf der Platte stammten ausschließlich von mir. Der Kollege damals hatte bereits einige Kontakte und schickte ein Demo an verschiedene Labels, unter anderem auch an Kanzleramt. Irgendwann erhielt ich einen Anruf: „Ja, Heiko Laux hier, servus!“ Er sprach mich auf das Demo bzw. die Tracks an, die, wie er sagte, ihm den Tag gerettet hätten, weshalb er sie gern über sein Label veröffentlichen würde. Ich hätte das damals sehr gern getan – blöderweise hatte ich gerade bei einem anderen Label unterschrieben. Somit waren die Tracks weg, es war auch nichts mehr rückgängig zu machen. Dennoch hielt Heiko mich dazu an, eine Platte auf Kanzleramt zu machen, weil er wohl Potenzial in mir sah für einen neuen Kanzleramt-Artist, aber auch weil wir uns bereits super verstanden.

Vor dem Album erschien bereits eine Remix-EP. Weshalb hast du dich für Rolando, The Persuader und Heiko Laux als Remix-Künstler entschieden?

Diese Jungs zählen zu meinen Lieblings-Acts und -Produzenten. Ihre Tracks kommen auch oft in meinen DJ-Sets vor. Zudem schätze ich jeden Einzelnen von ihnen als Menschen. Ich mag auch alle drei Mixe sehr und bin happy darüber, dass sie Teil dieses Projekts sind.

Was steht für den Rest des Jahres noch auf dem Plan?

Derzeit arbeite ich an neuen Singles und einigen Remixen. Über eine Album-Tour denke ich gerade nach. Ansonsten kann man mich bereits am 11.11. live im White Noise in Stuttgart und am 25.11. im Club Mmmmm in Stockholm erleben.

Aus dem FAZEmag 057
Text: Gutkind
www.raykajioka.com