Tom Wax – 50

Tom Wax – Foto: Meryem Schmölz

Die Diskografie von Tom Wax aufzuzählen, ist nahezu unmöglich. Der Output, den der Darmstädter seit seinem Release-Debüt 1991 generiert hat, ist schlichtweg enorm. Dabei hat Wax den berühmt-berüchtigten „Sound Of Frankfurt“ maßgeblich beeinflusst. Im Herbst 2020 veröffentlichte er sein zweites Album, nun macht er mit „GENERATION 72“ den Hattrick voll. Sein dritter Langspieler erscheint auf seinem eigenen Label Phuture Wax und erscheint pünktlich zu seinem 50. Geburtstag. Die 16 Titel dienen dabei als eine Art Reminiszenz an die letzten drei Jahrzehnte, in denen Wax aktiv ist. Treibende Beats, massive Synths, experimentelle Sounds, eingängige Melodien. Darüber hinaus zeichnet er in diesem Monat auch für den offiziellen FAZE-Download-Mix verantwortlich.

Tom, in wenigen Tagen feierst du großes Jubiläum. Wie fühlst du dich mit knapp 50?

Nach meinem Achillessehnenriss Anfang Mai läuft es jetzt rechtzeitig zu meinem 50. Geburtstag im wahrsten Sinne des Wortes wieder gut. Bedingt dadurch konnte ich meine DJ-Gigs zwischen Mai und Anfang Juli nicht wahrnehmen, da ich im Rollstuhl durchs Studio gefahren bin, was aber zur Folge hatte, dass ich weiterhin musikalisch sehr kreativ war und viele neue Releases dabei herauskamen. Generell fühle ich mich kreativer denn je und bin seit Beginn der Pandemie so produktiv wie noch nie zuvor in den letzten 30 Jahren meines Schaffens. Bis Anfang 2023 habe ich alle zwei Wochen ein Release und kann theoretisch jetzt erst einmal die Füße hochlegen.

Du hattest in deiner Karriere maßgeblichen Einfluss auf den typischen „Sound Of Frankfurt“. Die Stadt hat kürzlich das MOMEM eröffnet und steht auch durch eine neue ARTE-Dokumentation erneut im Fokus. Wie blickst du auf deine Connection mit der Stadt zurück?

Da ich aus der Nähe von Darmstadt komme, wurde ich natürlich immer zum Sound Of Frankfurt gezählt, was mich sehr stolz macht. Natürlich war meine erste große DJ-Station 1991 das Dorian Gray im Frankfuter Flughafen sowie auch das Omen in der Junghofstraße, meine ersten Releases waren 1992 auf Sven Väths Harthouse/Frankfurt Label oder bei Logic Records in der berühmten Strahlenberger Straße 125. Ich habe von 2003 bis 2010 meine eigene Radioshow beim Hessischen Rundfunk bei YOU FM gemacht. Daher haben mich meine Wege immer wieder in diese Metropole geführt. Allerdings war ich immer froh, etwas abseits der Großstadt zu leben und zu arbeiten, da ich mir den Trubel der Städte zwar mal gerne antue, aber doch immer wieder froh bin, wenn ich mir das Ganze aus der Distanz anschauen kann. Leider passiert mittlerweile in der einstigen Techno- und Trance-Hochburg nicht mehr viel, was gute Clubs und Events in dieser Richtung angeht. Außer im Freud oder Tanzhaus West gibt es fast keine guten Partys mehr in der Stadt und ich selbst spiele dort nur noch sehr selten. Man hat das Gefühl, Frankfurt ruhe sich auf seiner Historie aus und habe jetzt auch noch passend dazu das erste Techno-Museum und eine Dokumentation, ja.

Deine erste Produktion ist 1991 erschienen, vor mehr als 30 Jahren also. Wie rekapitulierst du diese drei Jahrzehnte – inklusive Digitalisierung, unzähligen Trends und Co.?

Allgemein, würde ich sagen, haben die technischen Neuerungen die Musik nicht unbedingt besser, sondern einfach nur mehr Leuten zugänglich gemacht. Die Social-Media-Hypes haben leider auch nicht die größten Musiktalente hervorgebracht, sondern nur die, die das meiste Geld in ihre Promotion investieren. Alles wurde über die letzten 30 Jahre professioneller, und es bewahrheitet sich – wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Die musikalischen Trends wurden von Jahr zu Jahr weniger und Retro ist die neue Zukunft, was der alten Garde an DJs und Produzenten wie mir dann wiederum zugutekommt. Die Magie der immer wieder neuen elektronischen Musik-Genres ist dem Hype um langweilige, weniger kreative DJs gewichen und TikTok verblödet die Welt und senkt unsere Aufmerksamkeitsspanne an die Minimaluntergrenze.

Unser letztes Feature zu deinem zweiten Album trug den Titel „Driven By Passion“. Generell ist Passion wohl dein größter Antreiber seit deinen Anfangstagen, würdest du das unterschreiben?

Ja, meine große Leidenschaft zur Musik treibt mich jedenfalls immer wieder aufs Neue an, und trotz so vieler Jahre im Musikbusiness stecke ich noch voller Tatendrang und Ideen, mich musikalisch zu verwirklichen. Auch meine Leidenschaft, als DJ hinter dem Mischpult zu stehen, ist ungebrochen und treibt mich auch nach jedem Wochenende wieder an, ins Studio zu gehen und an neuen Tracks zu arbeiten. Musik, Emotionen, Leidenschaft halten mich am Leben und motivieren mich jeden Tag weiterzumachen.

Dabei war die Szene nahezu stillgelegt für über zwei Jahre. Aktuell ist die Pandemie etwas zur Nebensache avanciert und die Industrie zu einem Großteil wieder reaktiviert. Wie macht sich das bei dir bemerkbar?

Das Schönste daran ist, endlich meine ganzen eigenen neuen Produktionen wieder laut vor Publikum spielen zu können bzw. zu hören. Es gibt nichts Besseres, als Musik live zu erleben und die Reaktionen der Menschen darauf zu spüren und zu erleben. Das ist für mich der Lohn einer jeden Musiker*in und DJs. Die zwei geklauten Jahre habe ich zwar perfekt genutzt, aber ich hoffe, dass so etwas nicht nochmal passiert – FCK CVD!

Genutzt hast du die Zeit zweifelsfrei, Mitte September erscheint dein neues Album „GENERATION 72“.

Ich wurde 1972 geboren, und genau am 19. September, meinem 50. Geburtstag, erscheint mein neues Album. Die Idee dahinter war, alle meine musikalischen Einflüsse darin zu verarbeiten und schon mit dem Intro zu zeigen, welche die Inspirationen und Einflüsse in meiner Jugend waren, um damit der Hörer*in verständlich zu machen, wo ich herkomme und dann zu zeigen, wo ich musikalisch hingehe. Einige werden die einzelnen Melodien und Sounds des Intros natürlich auch kennen und haben dadurch möglicherweise selbst ihre Liebe zur Musik entdeckt. Ich habe für den Longplayer 35 Titel produziert, dann die 16 besten Tracks ausgewählt, und auf das Endresultat und auf die ganze Produktion bin ich mächtig stolz. Es repräsentiert den perfekten Querschnitt durch meinen DJ-Sound und damit alle meinen Vorlieben auch beim Auflegen über die gesamte Spielzeit. Ein kleiner Höranreiz für alle da draußen – der- oder diejenige, der mir alle Tracks, die ich in meinem Intro des Albums verarbeitet habe, per Mail an info@phuturewax.de nennen kann, bekommt von mir die CD-Version des Albums geschickt. Kleiner Tipp – es sind 21 Songs.

Wie lange hast du an dem Werk gearbeitet und was war in diesem Fall anders, im Vergleich zu den Vorgängern?

Ich habe ungefähr ein Jahr an dem neuen Album gearbeitet und im Vergleich zu den vorherigen Werken wusste ich ganz genau, wo ich vom Sound her hinmöchte und wie es klingen soll. Durch die Pandemie war ich so im Produktionsflow, dass mir alles superleicht von der Hand ging und ich eine Idee nach der anderen in kürzester Zeit realisieren konnte. Die Arbeit daran hat unglaublichen Spaß gemacht und ich habe bei der gesamten Produktion beim Sound und Mixing sehr auf Details geachtet. Es wird auch eine gemixte CD-Version des Albums geben und auch beim Artwork hatte ich eine besondere auffällige Idee, die mein Grafiker dann super umgesetzt hat. Mit dem gesamten Resultat bin ich superzufrieden und ich hoffe, es wird viele Hörer*innen genauso begeistern wie mich selbst.

Einige, wenn nicht sogar alle Track-Titel auf dem Album haben eine vermeintlich tiefere Bedeutung. Gibt es welche, die du in den Vordergrund heben möchtest bzw. kannst?

Generell liegen mir natürlich alle Titel des Albums sehr am Herzen und die Tracknamen habe ich alle sehr bewusst so gewählt. Die erste Auskopplung vom Album – „Game Changer“ – allerdings sticht durch die ganze Produktion und das Arrangement hervor, da der Track aus ganz vielen Glitches gebaut ist. „Rave Repeater“, die zweite Single, hebt sich durch den markanten Vocal-Loop von den anderen Tracks ab. Mein persönlicher Favorit ist der Track „It´s The Beat“, weil er mich persönlich immer wieder aufs Neue kickt. „Soulmate“ ist der wohl melodischste Track des Albums, der mir sehr viel bedeutet. Es wird jeden Titel nach dem Erscheinen des Albums noch als Auskopplung jeweils mit einem amtlichen Remix geben. Dafür habe ich z.B. Uto Karem, Alex Bau, Felix Reichelt, Ben Champell, Frank De Wulf, Fractious, Conscious und Kay Barton an den Start gebracht.

Am 24. September wird groß gefeiert – geladen sind Kai Tracid und Dima Riva.

In der Tat. Ich feiere in der Centralstation in Darmstadt und habe mir die zwei eingeladen. Über Kai brauche ich, glaube ich, nicht viel zu erzählen, da wissen die meisten Bescheid, was sie erwartet. Dima Riva ist eine junge DJ-Kollegin aus Österreich, die aktuell starke Techno-Releases auf IAMT und Absinthe in der Pipeline hat und die ich schon seit einigen Jahren auch auf meinem Label Phuture Wax supporte. Es wird ein großes Fest mit allen meinen Freund*innen, Wegbegleiter*innen und hoffentlich auch allen meinen Fans.

Wir wünschen schon jetzt eine gute Party und stimmen uns mit dem offiziellen FAZEmag-Download-Mix in, für den du in diesem Monat verantwortlich bist.

Danke! Ich habe zahlreiche eigene Tracks benutzt und meinen aktuellen DJ-Sound in den Fokus gerückt – seriösen, straighten Peak-Time-Techno.

Der Sommer ist in vollem Gange – was steht für die kommenden Wochen und Monate auf deiner Agenda?

Aktuell ist ja noch Festival-Zeit und dann hoffen wir mal, dass ab Herbst auch alle Clubgigs weiterhin stattfinden werden. Ab jetzt erscheint bis Ende Dezember erst einmal im Zwei-Wochen-Rhythmus jeweils ein Track von meinem neuen Album. Zwischendurch gibt es noch eine Kooperation von mir mit Ben Champell auf Gain Records und eine weitere mit Sisko Elektrofanatik auf Codex Records. Zusätzlich habe ich noch Remixe für Kay Barton, Rico Puestel, TWO und Frank De Wulfs B-Sides gemacht, die demnächst erscheinen werden. Gemeinsam mit Drea Perlon arbeite ich an gemeinsamen neuen Tracks sowie an ihrem Soloalbum, was sich sehr spannend gestaltet, weil wir eine super Wellenlänge gefunden haben, wo wir musikalisch mit ihrem Sound hin wollen.

Last but not least, was macht dein Vorhaben, beim Tennis in die Top 50 der „Herren 45“ zu kommen?

Mittlerweile wären es ja die Herren 50, aber leider wurde ich durch meine Verletzung recht unsanft bei diesem Vorhaben ausgebremst. Das muss ich jetzt auf 2023 verschieben. Und da möchte ich dann nochmal topfit angreifen.

 

Aus dem FAZEmag 127/09.2022
Text: Triple P
Foto: Meryem Schmölz
www.facebook.com/tomwaxofficial