Trance im Mai

Wem ist folgende Situation nicht bekannt: Man hört in Playlists und Radioshows diverser Artists bestimmte Tracks, die sich akustisch unbewusst so einprägen, dass man regelmäßig realisiert, diese irgendwo schon einmal gehört zu haben, nachdem sie nach einem bestimmten Abstand zum wiederholten Male aufgefallen sind. Durch das geweckte Interesse versucht man dann sich grob über die Durchsicht der Tracklist zu informieren, wie der Titel des Fundstücks sein könnte, nachdem geläufige Smartphone-Apps keine Abhilfe schaffen konnten. In nicht seltenen Fällen handelt es sich um Promos, die vor VÖ einem exklusiven Kreis an Künstlern zur Verfügung gestellt wurden, um diese geschickt vorab zu promoten, was in der Regel sehr gut wirkt. Manchmal sind es Mashups, private Reworks und Reconstructions oder gar Produktionen oder Remixes, die nicht für den regulären Release angedacht sind oder es aus variablen Gründen nicht bis dahin geschafft haben – zumindest vorerst.

Aus diesem Anlass führt Armada Music eine genau auf diese Tracks ausgerichtete Sampler-Reihe mit dem Titel „Armada Exclusive“ ein, die teilweise mit „ID“ in verschiedenen DJ Mixen gelistet waren. Kürzlich ist die zweite Ausgabe der 2012er Edition mit Enthüllung zehn dieser neuen Perlen erschienen. Zu finden sind nicht nur neue Remixes von bereits früher bekannten Hits, wie unter anderem Myon & Shane 54 feat. Arunas „Helpless“ im neuen Gewand von Alexander Popov, oder Susanas „Home“ im Ken Loi Remix, sondern auch neue bisher unbekannte Namen erhalten ihre Widmung mit Originals und Remixen wie Matt Bukovski aus Polen mit „Eagle Of Hope“. Dieses Paket ist ein absoluter Geheimtipp und Must-Have in vollem Umfang. Solche Überraschungen sind bei mir immer gerne gesehen, und ich freue mich bereits auf die nächsten Ausgaben.

Dass die Trance-Szene einer ausgeprägten Talentförderung nachgeht, ist unschwer erkennbar bei der Vielzahl von neuen Namen, die regelmäßig aus dem Boden schießen. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch Talente von der Szene profitieren und zu internationalem Ruhm gekommen sind, die weder DJs noch Produzenten sind. Eine dieser Personen ist die Australierin Emma Hewitt. Ursprünglich Frontsängern einer Rockband, hatte sie ihre Debüt-Single 2007 im Bereich der elektronischen Tanzmusik als Vocalist mit Chris Lakes‘ „Carry Me Away“. Seitdem wurde sie von bekannten Größen wie Lange, Gareth Emery, Markus Schössow oder Dash Berlin für diverse Vocalprojekte engagiert und hat es geschafft, sich komplett als eigenständige Songwriterin speziell im Trance-Bereich zu etablieren und ihren Fokus nur auf dieses Genre zu legen. Ihre aktuelle Single „Colours“, die erste Auskopplung ihres noch zu veröffentlichenden Albums „Burn The Sky Down“, genießt einen massiven Remixsupport. Nach Interpretationen von Armin Van Buuren und Jerome Isma-Ae folgt nun auch die Version des legendären deutschen Trance-Duos Cosmic Gate. Stefan Bossems und Claus Terhoeven haben mit ihrem bereits 15-jährigen Bestehen internationale Trance-Geschichte geschrieben und sind momentan durch ihren progressiven Sound und ihr Feingefühl für warme Vocals aktueller sind denn je.

Omnias „The Fusion“ in Kollaboration mit DJ Ira, einem Member des Projekts Smart Apes macht nicht nur einigen seit Wochen besonders in den Playlisten von Armin Van Buuren und Markus Schulz Furore, sondern wurde auch für die jeweiligen aktuellen Compilations, „Los Angeles ´12“ und „A State Of Trance 2012“ der beiden gesigned. Der 24-jährige Evgeny Smirnov aus der Ukraine, der sich hinter diesem Pseudonym verbirgt, machte bereits in der Vergangenheit mit Remixen unter anderem auf Above & Beyonds Anjunabeats Label für Mat Zo & Artys „Rebound“ oder „Phoenix From The Flames“ von Boom Jinx auf sich aufmerksam, aber auch für Orjan Nilsens „La Guitarra“ oder für Markus Schulz‘ „Surreal“. Ebenso bekannte Eigenproduktionen sind mit den norwegischen Kollegen The Blizzard „My Inner Island“, „Metanoia“ und deren Kooperation zu „Closer“ mit Susanna, oder „Plug & Play“ als sein zweites alias Ain Mo. Nahezu parallel mit „The Fusion“ auf Coldharbour ist auf Andy Moors AVA Recordings “Halo” erschienen. Diese durch die unterschwellig fast geheimnisvolle Stimme von Melissa Loretta aus Kanada – von der bereits Shogun oder ATB Gebrauch machten – mystische Vocalproduktion begeistert mit sehr starkem Charakter. Einen etwas upliftigeren aber keinesfalls dem Original nachstehenden Remix liefert der Brite Dan Stone zum Paket.

Aus einer etwas anderen Ecke der Welt kommt Coldharbours neues Steckenpferd KhoMha, oder bürgerlich Robert Alzate Pasos. Der Kolumbianer ist mit seinen gerade mal 21 Jahren zweifellos einer der am schnellsten kommenden Künstler der Szene. Von Markus Schulz bereits bei seiner DJ Mag Top 100 Befragung zum Breakthrough DJ/Producer genannt, ist dieser mittlerweile ein gefragter Mann in Sachen Releases und Remixes und eine wichtige Figur des Labels. Sein aktuelles Machwerk „Mind Gamer“ bietet gleich zwei Versionen. Eine Verschmelzung von vordergründig stampfenden Basslinien mit einer einprägsamen Melodie, die im Break zur Ausprägung kommt im Original, wird noch einmal verstärkt durch einen separaten „Trance Mix“, der sich komplett durchgehend auf die melodische Entfaltung des Titels konzentriert. „The Sky Inside You“ hingegen geht eher in die traditionelle Ausrichtung wie man sie bereits von der „507 EP“ oder den Remixen für Dakotas „Sinners“ oder DNS Projects „Another Day“ kennt.

Ein weiterer unnachgiebiger Vertreter ist der in dem norwegischen Kirkenes ansässige Orjan Nilsen. Bereits 2008 kam der erste große Hit mit „La Guitarra“, mit dem Orjan international auf sich aufmerksam machte. Danach konnten bis heute zahlreiche Erfolge wie „Between The Rays“, „Mjuzik“ oder „Viking“, wie auch das sensationelle Album „In My Opinion“ letztes Jahr verbucht werden. Aktuell folgt der neue Clubsmasher „Amsterdam“ traditionell auf dem Label, das das kleine Engel-Logo auf dem Wölkchen ziert: Armin Van Buurens Heimatlabel Armind. Es handelt sich um eine gewohnt feurige und qualitative Big Room-Produktion mit unendlich akustischer Weite. Aufgrund der gemeinsamen musikalischen Wellenlänge von Armin und Orjan und gegenseitiger Bewunderung war es nur eine Frage der Zeit, bis eine Studio-Kooperation zustande kommt. Nicht nur auf den Titel anspielend, ist „Belter“ auch wahnsinnig gut gelungen, die eine Symbiose aus typischen Produktionselementen der beiden gut erkennbar macht. Zusätzlich lässt Armins „Suddenly Summer“ mit verträumten Vocals der holländischen Sängerin Ana Criado, klassischer Pianosequenz und anschließend explodierender Hook Vorfreude auf die Sommersaison erwachen.

 

 Damian Duda