UNER – Familiengründung

UNER
Der spanische DJ und Produzent UNER blickt auf ein bewegtes Jahr zurück. Neben seiner Dauerpräsenz auf Ibiza spielte er auf dem legendären Burning Man, tourte mit der UNER Live Band und gründete sein eigenes Label. Wer nun glaubt, dass Manuel García Guerra – so lautet sein bürgerlicher Name – im neuen Jahr etwas kürzer tritt, hat sich mächtig getäuscht. Im Interview spricht er mit uns über kommende Projekte, resümiert das letzte Jahr und erzählt uns, wie und wo sein Interesse an elektronischer Musik geweckt wurde.

Zum Jahreswechsel schauen wir natürlich auch zurück auf das alte Jahr und eines der 2015er Highlights geschah erst vor wenigen Wochen, als es seinen offiziellen Anfang nahm. Du hast die erste EP auf deinem neuen Label Solar Distance veröffentlicht. Was hat dich dazu bewogen, unter die Labelbetreiber zu gehen?

Die Idee zu Solar Distance hatte ich vor gut einem Jahr, die Idee für ein eigenes Label trage ich schon länger mit mir rum. Die Motivation habe ich mir bei all den internationalen Labels geholt, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe. Man sieht, wie sich dadurch unglaubliche Familien geformt haben, und manchmal sieht man auch, dass man Künstler bei ihrem Wachstum mit einer eigenen Plattform viel besser unterstützen kann. Ich werde nicht aufhören, mit anderen Labels zusammenzuarbeiten – wir haben natürlich immer noch ein sehr gutes Verhältnis zu vielen –, aber ich möchte auch einen eigenen Beitrag leisten.

Die Vision des Labels ist sehr klar: Musik ohne Tags, ohne Schublade. Ich möchte mich nicht auf ein spezielles Genre konzentrieren, ich möchte mich auf spezielle Musik konzentrieren – es ist sehr wichtig für mich, dass die Musik eben mit Herz gemacht wird und eine Geschichte erzählt. Es gibt eine ganze Menge von Künstlern, die diese Art der Musik auf anderen Labels nicht veröffentlichen können. Solar Distance ist jetzt ihre Heimat.

Du kannst außerdem auch auf eine erfolgreiche Ibiza-Saison zurückblicken – mit zahlreichen Gigs und als einer der Haupt-Acts der Ants-Reihe im Ushuaïa. Wir lautet dein Fazit?

Ein weiterer Sommer, der wieder sehr besonders war. Mit der Ants-Kolonie haben wir Stunden mit guten Freunden und guter Musik verbracht. Aber es gab auch magische Nächte mit Carl Cox, mit Reverse im Sankeys, sonntags im Blue Marlin – und vor allem mein erster Auftritt im DC10 mit Jamie Jones auf dessen Paradise-Partyreihe. Zusammen mit der Magie der Insel war das eine außergewöhnliche Saison.

Du hast außerdem beim legendären Burning Man gespielt. Ich könnte mir vorstellen, dass das eine besonders außergewöhnliche Erfahrung war.

Man könnte sagen, dass das eine meiner besten Erfahrungen meines bisherigen Lebens war. Außerhalb der Welt zu sein, die uns sonst umgibt, mit nichts drumherum. Zusammen mit Leuten aus aller Welt, die man kaum kennt und die unverzichtbar wurden. Man teilt so intensive Emotionen, die über aller Musik stehen. Es ist eine Erfahrung, die man nicht nur einmal im Leben macht, sondern die man leben muss.

Auf zur nächsten Legende. Du hast einen Remix für Laurent Garnier abgeliefert. Wie seid ihr in Kontakt gekommen?

Ich bin natürlich ein Fan seit meiner Jugend. Wir sind schon seit Jahren in Kontakt, ich sende ihm regelmäßig meine Musik. Ich kann da voll auf seinen Support zählen und es ist gut zu wissen, jemanden wie ihn zu haben, der einem hilft, zu lernen, wie man sich auf seine Arbeit mit größtmöglicher Demut fokussiert. Er ist das beste Beispiel dafür.

Er schickte mir die EP und ich war begeistert davon. So schrieb ich ihm, dass er auf mich zählen kann, wenn er einen Remix braucht. Ich bekam eine Antwort-Mail von ihm mit einem Anhang und ich hörte sofort mit allem anderen auf, um mich darauf zu konzentrieren. Der Rest ist Geschichte.

Insgesamt scheint es also als ein sehr interessantes Jahr gewesen zu sein.

Ja, es war sehr speziell, was die Musik angeht. Sehr intensiv, schön und mit viel Spaß. Wenngleich es auch ein sehr schmerzhaftes Jahr war, da mein Vater gestorben ist. Aber wenn ich berücksichtige, dass er es war, der mich lehrte, die Musik zu lieben und zu respektieren, dann wird er immer bei mir sein – und jetzt auch mehr als je zuvor.

Vor zwei Jahren hast du dein Debütalbum „Tune 432“ auf Diynamic veröffentlicht. Wie würdest du es jetzt mit dieser zeitlichen Distanz bewerten? Und wann können wir mit einem neuen Album rechnen?

Das war ein sehr energiegeladener Prozess, als ich viele Monate an 22 Tracks arbeitete, von denen es schließlich 13 aufs Album geschafft haben. Ich höre es mir heute immer noch gerne und voller Stolz an, denn es war genau das, was ich zu dieser Zeit machen und erzählen wollte. Ich würde mir daher 9,5 von 10 Punkten geben (lacht).
Das neue Album wird konzeptionell anders, denn es wird ein Band-Album. Wir arbeiten aktuell daran, da wir es in diesem Jahr noch veröffentlichen wollen, inkl. der Live-Umsetzung. Und es ist wirklich eine weitere tolle Erfahrung, mit Musikern zusammenzuarbeiten.

Also waren dein Auftritt mit Musiker im Boiler Room im letzten September sowie die UNER Live Band schon die ersten Schritte Richtung Album?

Genau. Wir haben das immer wieder bei verschiedenen Anlässen ausprobiert, bis wir die perfekte Balance und Idee gefunden haben. Drums, Gitarre, Bass, Piano und Gesang. Das ist es und so wird es dann auch live zu hören sein. Also bleibt dran, es wird fantastisch!

Du bist in Lleida, einer Stadt in Katalonien mit gut 140.000 Einwohnern, aufgewachsen und lebst dort noch immer. Die Stadt gehört ja eher nicht zu den großen Hotspots elektronischer Musik in Spanien. Wie bist du dort mit ebendieser in Berührung gekommen und warum lebst du dort noch immer?

Ich bin hier geboren worden, aufgewachsen, ich werde hier für immer bleiben. Hier startete ich meine musikalische Karriere und hatte meinen ersten Kontakt mit elektronischer Musik im Club Florida 135, der unweit der Stadt ist. Dort bin ich zum ersten Mal ausgegangen, dort habe ich Väth und Hawtin zum ersten Mal gesehen, hatte meinen ersten Gig als Live-Act und erlebte das erste Mal von so vielen Dingen. Dieser Ort war mein größter Einfluss, zusammen mit dem Monegros Desert Festival, das ebenfalls nicht weit von hier stattfindet. Natürlich beeinflusst dich und deine Musik jeder Ort, an dem du viel Zeit verbringst. Umso mehr, wenn es auch dein Geburtsort ist. Spanien selbst beeinflusst mich auch sehr in Bezug auf Licht in meiner Musik. Ich habe nie in einer kalten Klimazone gelebt, an einem Ort mit 340 Tagen Wolken und Regen im Jahr, in einem Land, das von einer Mauer geteilt wurde oder das kontinuierlich von Krieg heimgesucht wird. Generell ist der Spirit hier sehr positiv, das Wetter ist unglaublich, geografisch sind wir mit allen möglichen Schönheiten gesegnet und die Menschen sind liebenswürdig. Das alles hat mich dazu gebracht, ein positiver Mensch zu werden und mich von den Sorgen fernzuhalten, obwohl ich sie dennoch erfahren habe, was wiederum dazu geführt hat, dass ich Musik als Weg zu einem Lächeln sehe. Eben nicht blass und traurig zu sein und vor allem die Arroganz zu vermeiden, dass wir Menschen etwas Besonderes sind. Und das macht dich noch natürlicher, weil du dir und keinem anderen irgendwas beweisen musst.

Gibt es denn darüber hinaus noch Einflüsse bzw. DJs oder Musiker, die dich beeindruckt haben? Hast du selbst ein Instrument gelernt?
Ich spiele Klavier. Ich habe im Alter von vier Jahren eine klassische Ausbildung gestartet, die ich auch einige Jahre später beendet habe, inkl. Harmonielehre, Komposition und Musiktheorie. Das waren harte Jahre, sehr intensiv, aber auch mit viel Freude. Alles, was ich habe und was ich bin, kommt daher.
Jean-Michel Jarre war einer dieser Musiker, die mein Interesse für elektronische Musik geweckt haben. Der Startschuss für meine Produktionen. Jahre später kam ein anderer Franzose dazu, über den wir ja bereits gesprochen haben. Garnier führte mich letztlich zur Tanzmusik.

Wie würdest du die Szene Spaniens beschreiben, einschätzen und wie hat sie sich in den letzten Jahren entwickelt?

Ich bin sehr glücklich darüber, sagen zu können, dass unsere Szene kontinuierlich wächst. Regelmäßig tauchen neue und überraschende Artists auf. Es gibt großartige Genies und viele, die noch etwas abseits im Schatten stehen, darauf wartend, dass jemand ihnen eine Chance gibt. Die musikalische Leistung ist wirklich exzellent. Das einzige Problem ist, dass es innerhalb dieser jungen Szene noch einige Sachen zu verbessern gibt, wie z. B. die Beziehungen zwischen den Künstlern. Aber es wird besser.
Außerdem haben wir viele tolle Promoter, die daran arbeiten, große Festivals zu organisieren und gute Acts für Clubs zu buchen. Der Club Elrow in Barcelona beispielsweise macht einen guten Job. Aber auch Reverse, Mondo (beide Madrid) oder Sonora in Bilbao muss man erwähnen. Sie alle – und noch viele weitere – leisten gute Arbeit und unterstützen auch lokale DJs, was ich sehr wichtig finde.

Wie sieht es mit weiteren Veröffentlichungen auf Solar Distance in naher Zukunft aus?

Es stehen großartige Produktionen von bekannten und unbekannten Künstlern in den Startlöchern. Katalognummer 002 kommt von Point Sole, einem Produzenten aus Alicante, und danach geht es so weiter: Paul Stickman, Philip Bader, Copy Paste Soul, J.U.D.G.E … Wie ich bereits erwähnte, Solar Distance ist ein Haus für alle, die eine schöne Geschichte zu erzählen haben.

Wie sieht es mit Diynamic aus? Wird es denn dort auch weitergehen? Oder bei anderen Labels?

Vor sechseinhalb Jahren startete mein Wirken bei Diynamic und wir hatten immer ein sehr nahes und freundschaftliches Verhältnis. Aber Trennungen passieren auch oft einfach aus evolutionären Gründen und so ist das auch hier. Ich möchte nun meine Karriere mit meinen eigenen Ideen weiterführen und meine eigene Familie formen, zusammen mit einem Manager und meinem Team. Für mich war es daher das Beste, das eine zu beenden, um was Neues zu starten. Wir haben jetzt schon seit einem Jahr nicht mehr zusammengearbeitet, sind aber immer noch Freunde. Aber sie sind natürlich auch ein absolut professionelles Team, von dem ich eine Menge gelernt habe. Mein Debütalbum war meine letzte Veröffentlichung dort – aber hey, man kann natürlich nie wissen.
Was andere Labels angeht, da sind ein paar Releases auf dem Weg, die ich dann ankündigen werde, wenn die Zeit reif ist. In Zeiten der Globalisierung werde auch ich mit meiner Musik so weit es geht expandieren und der Weg führt natürlich dann zu anderen Labels.

Viele DJs legen im Januar eine kleine Pause ein, um frisch und ausgeruht ins neue Jahr zu starten. Gehörst du auch dazu?

Ja, in diesem Jahr mache ich das auch. Nach dem BPM Festival in Mexiko werde ich zwei Wochen zu Hause bleiben und nirgendwo hingehen, -fahren oder -fliegen. Das erlaubt mir, mich zu erholen, Zeit mit meiner Familie und viele Stunden im Studio zu verbringen. Man muss zwischendurch innehalten, sonst kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem dein Verstand dich aus dem Verkehr zieht.

Wie kannst du dich am besten erholen? Gibt es da bestimmte Techniken, Rezepte oder Tätigkeiten?
Ich lese sehr gerne und verbringe sehr viel Zeit mit Meditation. Sport hilft mir auch, mich zu zerstreuen und meinen Verstand aus dem Tagesgeschäft herauszunehmen. Den Fokus aus den Augen zu verlieren ist wichtig, um sich erneut zu fokussieren. Und auch in meiner täglichen Arbeitsroutine mache ich regelmäßig Pausen. Nach 20 bis 30 Minuten maximaler Konzentration nehme ich mir ein paar Minuten, um mich abzulenken. Dann checke ich WhatsApp oder E-Mails, kümmere mich um meinen Hund oder gehe eine Runde ums Haus.

Im Laufe deiner Karriere warst du bestimmt an vielen unglaublichen Orten. Hast du da einen Favoriten?

Jede Location ist auf ihre Art speziell und ich habe viele Städte gefunden, die ich mag. Aber wenn ich wählen müsste, dann gehört auf jeden Fall Bali dazu mit seiner superspeziellen Energie. Doch ich mag auch die US-Westküste, Südamerika, die Londoner Underground-Szene … Wie ich schon sagte, jeder Ort ist speziell und das sollte man genießen.

Gibt es denn auch Orte, an denen du noch nicht warst, an denen du aber unbedingt spielen möchtest?

Australien gehört zu den Plätzen, die mich sehr reizen und wo ich unbedingt hin möchte. Oder Länder wie Venezuela und Brasilien.

Hast du einen speziellen Wunsch für 2016?

Der Wunsch, den ich habe, ist leider unerfüllbar, daher würde ich einfach sagen, dass es für alle viel Liebe und Gesundheit geben möge. Alles andere ist nicht wirklich wichtig …

Kurz & Knapp
Meine erste Platte:
Jean-Michel Jarre – Magnetic Fields
Meine erste DJ-Platte:
Laurent Garnier – The Man With The Red Face
Mein erster Gig:
1995 im Florida 135 in Huesca
Meine erste Gage:
Umgerechnet etwa 100 EUR
Mein Talisman auf meinen Touren:
Meine Halsketten
Diese Alben höre ich zurzeit auf meinem MP3-Player:
„Bless You“ von Lulu Rouge und „Elaenia“ von Floating Points
In zehn Jahren …
… werde ich immer noch eine Glatze haben.

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