UNKLE – Politisch unpolitisch

UNKLE

Ziemlich genau 25 Jahre ist es her, dass James Lavelle – damals gemeinsam mit Tim Goldsworthy – das Projekt UNKLE ins Leben rief. 25 Jahre, vier Studioalben und unzählige Tracks und Remixe. Mit „The Road Pt. 1“ steht nun Album Nr. 5 bereit. Kein klassisches Jubiläumsalbum, aber dennoch etwas Besonderes, ist es doch das erste, das James Lavelle – nach mehreren wechselnden Studiopartnern, darunter DJ Shadow und Rich File – allein produzierte. Ohne Partner, dafür wie gewohnt mit einer Handvoll Gäste.

Sieben Jahre wiederum sind vergangen, seit das letzte Album „Where Did The Night Fall“ erschien. Das mag für den Fan eine lange Zeit sein, für James Lavelle aber verging sie dank zahlreicher anderer Projekte wie im Flug. Neben Live-Shows und Kollaborationen mit Musikern auf der ganzen Welt stand vor allem die Kunst in dieser Zeit im Fokus. Da wäre James Lavelle als Kurator der „Daydreaming With Stanley Kubrick“-Ausstellung in der Londoner Kreativzelle Somerset House. Und als kreativer Kopf des zweiwöchigen Meltdown-Festivals im Jahr 2014, ebenfalls in London, das vor ihm schon Künstler wie Nick Cave, David Bowie und Morrissey kuratierten. All das kann man sich anschaulich im kürzlich veröffentlichten Film „The Man From Mo’Wax“ noch einmal zu Gemüte führen. Auf ebenjenem Festival keimte dann auch die Idee, sich an die Arbeit für ein weiteres UNKLE-Album zu machen – auf der Bühne während der Auftaktshow zum Event. Seinerzeit mit dabei u. a. ESKA, Keaton Henson, Liela Moss, Philip Shepherd und Mark Lanegan – und ebendiese sind nun auch Teil der Gästeschar auf „The Road Pt. 1“. Dennoch ist es das erste Album, für das Lavelle allein verantwortlich ist.

„Der Arbeitsprozess war weitaus ruhiger und entspannter als bei allen Alben zuvor. Für mich war es so etwas wie ein Neustart. Ich konnte mich auf mich konzentrieren und wollte einen Blick zurück in meine Vergangenheit werfen, aber auch Gegenwart und Zukunft miteinbeziehen. Das geht nicht, wenn du mit jemandem zusammenarbeitest“, erklärt mir James, als wir an einem Dienstag im Juli via Skype miteinander sprechen. „Und so drückt dieses Album viel exakter aus, was UNKLE für mich überhaupt ist.“ Cineastisch ist es, ähnlich all den Produktionen, die in Lavelles Studio für diverse Filmprojekte über die Jahre entstanden. Doch machen Film und Kunst nur einen kleinen Teil der Inspiration Lavelles aus. „Es ist vor allem etwas sehr Emotionales. Die Frage, wo wir als Menschen in der heutigen Welt überhaupt stehen, ist das Hauptthema des Albums. Es ist keine politische Platte im konkreten Sinn, aber viele der Leute, mit denen ich für dieses Album gearbeitet habe, sind jetzt in einem Alter, in dem sie sich an einem Scheideweg befinden und über viele Dinge nachdenken. Zum Beispiel, wie Social Media unser Leben verändert haben – wie all das gerade funktioniert oder auch nicht funktioniert. Wir werden bombardiert, haben keine Zeit, ständig strömt irgendetwas auf uns ein. Wo stehen wir in all dem Chaos?“ Eine Frage, an der sich James Lavelle mit diesem Album keineswegs komplett abgearbeitet hat, sondern etwas, das ihn nachhaltig beschäftigt. „Mich verwirrt das alles und es erschöpft mich. Wir haben eine Welt kreiert, in der niemand mehr weiß, was wirklich real ist.“

Einen Schritt in die richtige Richtung hat Lavelle schon im letzten Jahr getan, denn nach Jahren des DJings ist er mit Band auf die Bühne zurückgekehrt. „Die Tour läuft schon. Gerade erst waren wir in Russland, Spanien, nächstes Wochenende steht Rumänien an. Es werden weitere Shows folgen und ich habe jetzt – ganz frisch – eine Residency in Camden/London. Außerdem arbeite ich auch schon wieder an einigen Filmsoundtracks.“ Lavelle ist ein Mann, der niemals zu ruhen scheint und sich doch nach Ruhe sehnt – zwar mit Instagram-Account, doch ohne dort Privates preiszugeben. Wer Infos über zukünftige Termine sucht, checkt dafür am besten regelmäßig die UNKLE-Facebook-Seite.

Aus dem FAZEmag 065/07.2017
Text: Nicole Ankelmann | Fotos: Warren Du Preez/Nick Thornton Jones | www.facebook.com/unkle