Wir sind dann mal kurz weg – mit Recondite

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Der Herbst hat sich im größten Teil des Landes breit gemacht. Wie alle Jahreszeiten hat auch er seine Eigen- und Besonderheiten. Es wird wieder früher dunkel und morgens später hell. Die Tage werden häufig von Regen begleitet, und tiefliegende Nebelschwaden erschweren uns die Sicht. Eine Zeit voller Melancholie, doch nicht nur das. Sie ist ebenso geheimnisvoll, ja beinahe mystisch. Für das Release des Albums „Iffy“ hätte der Wahlberliner Recondite wohl kaum einen besseren Jahresabschnitt wählen können. Sein Alias, das etwa so viel bedeutet wie „unergründlich“, „schwer verständlich“ aber auch „verborgen“, „tief“ und „dunkel“, ist zugleich eine treffende Beschreibung für den Sound, den Lorenz Brunner kreiert. Seine atmosphärischen, treibenden, düsteren Tracks sind durch und durch Techno – und dennoch fällt es den Kritikern immer wieder schwer, seinen Sound zu klassifizieren, denn er serviert seine Arrangements und Strukturen nicht auf dem Silbertablett, sondern lässt viel Raum für Interpretation.

„Iffy“ ist Brunners drittes Album, doch seit 2008 das erste, das auf dem Berliner Label Innervisions erscheint. Das spricht für sich, denn das Label von Âme und Dixon hat sich seit 2005 hauptsächlich durch 12Inches einen Namen gemacht. So gab es EP-Veröffentlichungen von Hochkarätern wie Henrik Schwarz, Laurent Garnier, Agoria, Tokyo Black Star, Ian Pooley und The xx. Doch nun wieder ein Longplayer, einer der zum Label passt wie vielleicht kein zweiter. Auf seinem neuen Werk vermittelt der Protagonist wie gewohnt eigene Erfahrungen und Gefühle, ohne auch nur eine einzige Silbe zu verwenden. Es geht um Sehnsucht, Nostalgie, Romantik und Zerbrechlichkeit, vielleicht mehr noch, Vergänglichkeit. „Sie passen in eine gelungene Clubnacht und erlauben doch auch tiefe Einblicke in die Abgründe der menschlichen Seele.“

Lorenz Brunner ist der Natur sehr verbunden, das konnte man bereits dem letzten Interview mit ihm entnehmen. „Natur und Familie geben mir die Wurzeln und Normalität zurück, die ich auch für meine Kreativität und die Musik so dringend benötige.“ Aus Niederbayern stammend verbrachte er viel Zeit draußen in der freien Natur. Eine sehr prägende und wichtige Phase für ihn selbst und seinen musikalischen Werdegang. Nach dem Umzug in die Hauptstadt, die gerade während der kalten Monate oft trostlos erscheint, ist ihm der Bezug und die Nähe zur Natur wichtiger denn je. „Als Mensch, der nicht ausschließlich in artifiziellen Umfeldern groß geworden ist, versuche ich vor allem während meines derzeitigen Lebensabschnitts, der sehr stark vom Künstlichen geprägt ist, immer wieder zu entfliehen. Der Stadt den Rücken zuzukehren bringt mich nach all den Reisen wieder auf den Boden.“ Recondite hat uns nun einige seiner Lieblingsorte verraten, an die es ihn zieht, wenn er sich für kurze Zeit ausklingt, um Energie und Inspiration zu tanken. „Es gibt da einige Refugien, die ich immer wieder gerne besuche, um mich zu erden und um den Blick aufs Wesentliche lenken.“

In Berlin sind das die folgenden Orte:

Der Hirschgarten
Ein mittels einer 15-minütigen S-Bahn-Fahrt erreichbarer Wald, in dem man tatsächlich das Gefühl hat, komplett aus der Stadt raus zu sein. Dort gibt es auch einen ehemaligen Truppenübungsplatz mit einer Schallschutzmauer, die sehr verwachsen ist.

Der Georgen-Parochial-Friedhof
Einfach ein ruhiger Ort in der Mitte von Friedrichshain. Ein Friedhof, auf dem es viele freie Stellen gibt, wo auch mal das Gras nicht gemäht wird und es ein bisschen nach Wildnis aussieht.

Der Plänterwald
Der am nächsten gelegene Wald zu meinem Wohnort in Berlin. Dort gibt es im Frühjahr riesige Bärlauchfelder. Der dortige alte Vergnügungspark „Spreepark“ hat auch etwas Besonderes.

Die Stralauer Halbinsel
Eine kleine Halbinsel zwischen Spree und der Rummelsburger Bucht. Dort gibt es an der Spitze einen sehr schönen kleinen Park mit alten Kastanien. Passend zur Jahreszeit: besonders schön im Herbst.

Auch in der niederbayrischen Heimat gibt es diese wertvollen Orte:

Das Naturreservat und Vogelschutzgebiet Unterer Inn
Direkt an meinem Heimatort gelegen kann man hier im Herbst und Frühjahr außergewöhnlich viele verschiedene Zugvögel beobachten. Dort habe ich sogar schon mal Flamingos gesehen.

Waldgebiet Fürstberg
Das ist mein mein Lieblingsort in der Heimat. Ein sehr dicht bewachsenes, hügeliges Gebiet mit schöner Aussicht auf das Inntal. / Julian Haußmann

www.twitter.com/_recondite_
Aus der FAZEmag Ausgabe 033/11.2014
Foto: Shai Levy

Der Artikel aus der FAZEmag Ausgabe 028/06.2014:
Recondite – Techno geprägt von Natur und Emotionen