15 Jahre Skryptöm Records – Labelgründer Electric Rescue im Interview

Bonne Anniversaire! Auch wenn sie die 15 schon hinter sich gelassen haben, gratulieren wir Skryptöm Records mit seinem Gründer Electric Rescue alias Antoine Husson nachträglich zum 15. Geburtstag und zum außergewöhnlichen und vierteiligen Jubiläums-Release – jeder Label-Act lud einen seiner Lieblingsproduzenten für eine einzigartige Zusammenarbeit ein – das im Dezember und Januar erschienen ist.
Im Interview erzählt uns Antoine, was die Philosophie des Labels ist, wie es zur Gründung kam, wie er bei elektronischer Musik gelandet ist und was wir in diesem Jahr noch erwarten können.

Los ging es übrigens Ende 2006 mit der „Air Conditionné EP“ von Julian Jeweil.

 

Salut Antoine, herzlichen Glückwunsch nachträglich zum 15. Geburtstag von Skryptöm Records. Wie fühlt es sich an, ein Label 15 Jahre lang in einer doch sehr schnelllebigen Szene zu führen?

Hallo, danke für die Einladung zum Interview.
Es ist nicht immer einfach, man kann ein bisschen Erfolg haben, aber die Ausrichtung und das Label langfristig interessant zu halten, ist fortwährende Arbeit, die man open minded erledigen muss. Ein Label bedeutet zunächst, Künstler zu entwickeln und nicht nur ein Label für sich selbst zu betreiben. Ich habe mich nie in den Vordergrund gestellt und die anderen Acts dabei vernachlässigt. Die meisten Labels machen das heutzutage zwar so, aber ich wollte das nicht, niemals. Ich wollte ein Label betreiben, das auf drei Labels basiert, die ich sehr respektiere: Underground Resistance, F.Communications und Warp. Ich vergleiche Skryptöm nicht mit diesen mythischen Labels, aber sie haben mir gezeigt, wie man es macht: Künstlerentwicklung, Kreativität in allen Aktionen, nie einem Hype folgen, sondern persönlich und frisch bleiben, indem man einige Zutaten selbst in alle Trends einbringt. Das ist mein Weg, Skryptöm voranzutreiben.

Erzähle uns, wie es letztlich dazu kam, Skryptöm zu gründen.

Ich weiß nicht, warum ich damals mein erstes Label Calme Records gegründet habe, das war stärker als ich, es überkam mich. Ich bin ein Musik- und Techno-Liebhaber und ich musste mich in alle Bereiche der Musik einbringen – Partys promoten, auflegen, live spielen, und die vierte Zutat war, ein Team von Künstlern zu versammeln, um eine Vision voranzutreiben. Als ich damit anfing, konnte ich es nicht so erklären, wie ich es jetzt kann. Rückblickend habe ich mit Calme gelernt und als ich es verstanden hatte, beendete ich Calme und gründete Skryptöm. Und wir hatten direkt große Erfolge mit den ersten Veröffentlichungen, ohne irgendwelche musikalischen Kompromisse einzugehen.

Was verbirgt sich hinter dem Namen Skryptöm?

Skryptöm kommt vom lateinischen Wort „scriptum“, was „geschrieben“ bedeutet. Der Designer des Labels Modske schlug mir dieses Labelkonzept vor und wir baten die Musiker, die wir unter Vertrag nahmen, nicht nur Musik zu machen, sondern auch ein kleines Bild zu zeichnen, das wir adaptierten und umwandelten, um das Cover der Platte zu gestalten und um ein globales Konzept rund um ihre Veröffentlichungen zu schaffen. Bei dem Namen entschieden wir uns, ihn skandinavisch in Skryptöm zu verwandeln.

Zur Skryptöm-Familie gehören u. a. Romain Reynaud alias Traumer, Maxime Dangles, Moteka, Paul Nazca und Leghau. Wie habt ihr euch gefunden, kanntest du sie alle schon vorher?

Traumer kam zu mir, als er 16 Jahre alt war, und wir haben fünf Jahre investiert, um sein Profil aufzubauen. Dann verließ er Skryptöm und die Technoszene, um sich mehr der Minimal-, House- und Micro-House-Szene zuzuwenden. Maxime Dangles hat mir zu Beginn des Labels auch einige Demos geschickt und ist jetzt einer der Pilar-Künstler.
Moteka hat mir vor mehr als zehn Jahren auch einige Demos geschickt, aber zu dieser Zeit war er unter diesem Namen als Duo mit Remy Maurin unterwegs, Bevor Moteka bei Skryptöm seine Releases veröffentlichte, lieferte er unter seinem bürgerlichen Namen Pierre Delort zusammen mit Maurin die Skryptöm 009 ab.
Mit Paul Nazca waren wir früher befreundet und er hat mich und mein erstes Album auf Scandium unter Vertrag genommen.
90 Prozent der Künstler*innen wähle ich anhand von Demos aus, und dann treffe ich mich mit ihnen und lerne sie kennen, bevor ich sie unter Vertrag nehme, denn für mich ist es wirklich wichtig, dass ich das Gefühl habe, dass sich alle Label-Acts anfreunden können. Ich muss ein Team schaffen, das für alle Skryptöm-Künstler*innen hilfreich ist. Ich muss einen Geist, eine Seele und natürlich eine Klangidentität schaffen. Und ich glaube, das ist der Grund, warum das Label jetzt so alt ist, denn diese Art zu arbeiten hat Skryptöm in eine Familie verwandelt. Aber es gibt auch einige Künstler*innen, die ich im Internet ausfindig mache. Ich höre viel Musik und wenn ich Künstler*innen treffe, die ich schätze, frage ich sie immer nach ihren Demos.

Wie kam es zu der Idee, die Kollaborationstracks zum Jubiläum zu veröffentlichen?

Alle fünf Jahre möchte ich ein besonderes Release zum Geburtstag des Labels machen, an der alle Artists beteiligt sind. Nach den ersten fünf Jahren gab es ein Best-of und einige exklusive Tracks auf einem Doppelalbum. Nach zehn Jahren gab es nur exklusive Tracks der Skryptöm-Acts plus einige große Gäste wie Laurent Garnier und andere.
Für 15 Jahre war es also wichtig, etwas anderes zu machen, ich mag es nicht, mich zu wiederholen, ich will immer kreativ sein. Also habe ich dieses Mal alle Künstler*innen gefragt: Was wäre eine Traumzusammenarbeit für dich? und als sie mir die Namen verrieten, habe ich ihnen gesagt, sie sollen sich reinhängen und einen exklusiven Track mit diesem Künstler machen. 90 Prozent der angefragten Künstler haben direkt ja gesagt, das war unglaublich und hat mich sehr berührt.

Was muss ein Act mit seinem Track mitbringen, um auf Skryptöm veröffentlicht zu werden?

Ich kann es nicht wirklich erklären, es muss mich einfach tief berühren, es kann elektronisch ohne Grenzen sein für die Alben, und es muss tanzbar sein – mit Tiefgang und Aufrichtigkeit – für die EPs.

15 Jahre Labelarbeit. Gibt es etwas, das du aus heutiger Sicht anders gemacht hättest?

Nein, ich würde nichts ändern. Das einzige, was ich tun würde, wäre, es schneller zu machen, wenn ich all die Dinge gewusst hätte, die ich heute weiß.

Es ist sicher nicht einfach, aber kannst du die drei wichtigsten Skryptöm-Veröffentlichungen benennen?

Die allererste Veröffentlichung, die alles danach ermöglichte!
Die erste Veröffentlichung von Maxime Dangles auf Skryptöm, die den Weg für viele weitere Alben danach ebnete.
Und alle anderen Veröffentlichungen: Alle Künstler und Veröffentlichungen sind essentiell, ich veröffentliche nie, weil ich es muss, ich veröffentliche immer aus Liebe zur Musik, immer, ohne Kompromisse!

Du warst schon viele Jahre vor Skryptöm aktiv, wie bist du zur elektronischen Musik gekommen?

Ende der 80er Jahre entdeckte ich in dem Pariser Schwulenclub „BOY“, wie man Techno-Partys feiert. Es war total verrückt, und ein paar Monate später beschloss ich, mir Decks zu kaufen, 1990 begann ich mit dem Auflegen, 1992 kamen die ersten Gigs und im gleichen Jahr, begann ich, Partys zu organisieren. Dann 1998 das erste Label und schließlich Skryptöm 2006. Ich kann nicht nur eine Sache machen. Ich bin wirklich leidenschaftlich bei der Sache und liebe all diese verschiedenen Dinge. Jetzt mache ich auch das Programm in zwei Pariser Clubs: im Glazart und im Kilometre 25.
Und ich zeige Interesse für alle Musik aus den verschiedenen Szenen.

Wie ist das Jahr für dich und das Label gelaufen?

Es war ein großartiges Jahr mit vielen verrückten Veröffentlichungen wie dem Album von BXTR – dieses Album ist ein Monument. Unser neuer Act KUSS wird weiter wachsen und ich versuche, mehr und mehr Künstlerinnen unter Vertrag zu nehmen, aber die Realität ist, dass es nicht so viele gibt, die produzieren. Zwar viele DJs jetzt, aber wir brauchen mehr Produzentinnen in der Techno-Szene und auf Skryptöm.

Was können wir in diesem Jahr von Skryptöm erwarten?

Mein neues Album wird wohl im Frühjahr erscheinen, dazu neue Künstler*innen – und natürlich viele Partys.

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