A Goa story – Am Ende ist eh alles Techno, Namaste!

 DJ Laurent legt auf in Palolem 1990 – Foto: Ray Castle

DJ Laurent legt auf in Palolem 1990 – Foto: Ray Castle

Die Goa-Kultur eroberte die Welt und DJ Daksinamurti und DJ Upavas haben das alles hautnah miterleben dürfen. Nun haben sie sich die Zeit genommen, die echte Geschichte mal für euch zusammenzufassen. 

Indien war schon lange Anziehungspunkt und Inspiration für die Hippiekultur der 1960er-Jahre; Bilder der Beatles bei Maharishi Mahesh Yogi in Rishikesh rückten in den Mainstream. Goa war Teil des bekannten Hippie-Trails, der von Europa über Kabul, Kathmandu bis nach Indien führte. Selbst aus Athen fuhren damals Busse die Strecke, um junge Leute nach Asien zu führen. Infolge des Vietnamkrieges, aber auch wegen immer strikterer Gesetze in den USA unter Nixon zogen viele hinaus in die Welt, um ihr Glück oder auch ein bisschen Erleuchtung in Asien zu finden.

Hippies wurden im indischen Bundesstaat Goa, einer früheren portugiesischen Kolonie, freundlich von den Einheimischen empfangen und man konnte für wenig Geld ein doch relaxtes Leben führen. Etwa zur gleichen Zeit öffnete auch der berühmte, noch immer existierende Flohmarkt in Anjuna‬. Dieser wurde von Hippies um die lokale Legende „8 Finger Eddie“ gegründet. Auf diesem Markt konnten sie ihr Hab und Gut eintauschen, ihre Kunst und andere gefragte Güter an den Mann bringen. Auch hier wurde schon früh ausgiebig gefeiert und es fanden Konzerte und Partys am Strand und unter Palmen statt. Bands wie The Who gaben Konzerte. Zu Beginn war die dominante Musik vorwiegend Rock, in den Siebzigern kam auch Reggae hinzu. Auch trafen ab den 1970er-Jahren immer mehr Sannyasins, Anhänger von Osho (Bhagwan Shree Rajneesh), aus dem nahe liegenden Pune ein, um vom dortigen Ashram ein bisschen Urlaub zu machen, die Partys zu genießen und am warmen Indischen Ozean zu relaxen. Indien war damals noch recht locker, wenn es um Drogengesetze ging. Somit war es das perfekte Fleckchen Erde für Musiker, Freigeister, Aussteiger und Träumer. ‬

In den 1980er-Jahren begann die Entwicklung hin zu dem, was man heute als „Goa-Party“ bezeichnet. Etwa 1984 gab es bereits erste Events mit elektronischer Musik. Kraftwerk, Depeche Mode‬, Pet Shop Boys‬, Nitzer Ebb, Yello‬, Front 242‬, aber auch Detroit-House hörte man an den Stränden um Anjuna und Vagator. Damit war das erste sogenannte elektronische „Outdoor Party Konzept“ geboren. Die Atmosphäre war sehr frei, familiär; jeder war frei in seinem Tun, aber alle feierten zusammen. Um das Jahr 1988 herum kamen die ersten melodischen Ansätze, die etwas mehr dem heutigen Full-on-Psytrance entsprechen, so wie etwa Steve Hillages – vorher Gong –, System 7 Projekt, Juno Reactor‬ und Tangerine Dream‬. Die ersten Goa-DJs waren Laurent, Fred Disko und Ray Castle. Goa Gil‬ fing etwas später an, Events zu veranstalten und aufzulegen. Andere nennenswerte DJs Mitte der Achtziger waren Axel, Antaro, Pushava, Sangeet und Shiva Jörg.‬ Viele DJs aus Goa waren Osho-Sannyasins und viele Mitglieder der damaligen Goa-Szene pendelten zwischen Poona, Maharashtra und Goa hin und her. Damals benutzte man hauptsächlich Kassetten zum Auflegen – der Sony Professional Walkman war eine regelrechte Revolution. Etwa 1989 fing man dann an, DAT-Kassetten zu benutzen. Die ersten CDs kamen nicht vor Mitte beziehungsweise Ende der 90er-Jahre. Vinyl war für das heiße und feuchte Klima Indiens nicht wirklich geeignet. 
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So halfen die Partys auch der lokalen Bevölkerung in Goa. Hippies und Kommandos verstanden sich zum Großteil gut und nahmen fast immer Rücksicht aufeinander. 1988 bis 1989 gab es allerdings Schwierigkeiten: Ein bekannter DJ veranstaltete eine Party, ohne auf die Wünsche der Locals Rücksicht zu nehmen. Events waren daher im Winter 1988/89 in Goa verboten und man wich nach Koh Phangan in Thailand aus. Dort wurden am „Hat Rin“-Strand die ersten Partys gefeiert und Koh Phangan war eine der angesagtesten Locations. Einen weiteren Wendepunkt erlebte Goa ab 1990, als die ersten Israelis kamen, die bis 1989 keine Visa für Indien bekamen. Auch sie prägten die Partykultur stark und einige gehörten später zu den wichtigen Musikproduzenten und Künstlern. Viele kamen in größeren Gruppen und nach jahrelangem Militärdienst war vielen nach Feiern zumute. Nachdem die Events wieder toleriert wurden, kamen viele frische Leute an wie Olli Wisdom (Space Tribe) und auch Raja Ram. Auch Sven Väth‬ wurde in den 90er-Jahren in Goa gesehen; er holte sich dort wohl einige Inspirationen für sein Album „Accident In Paradise“.

 Bamboo Forest Full Moon Party by Olli Wisdom – Foto: Lukas Rydholm

Bamboo Forest Full Moon Party by Olli Wisdom – Foto: Lukas Rydholm

Die klare Definition der heutigen, von Kick und Bass geprägten Trancemusik hatte ihren Anfang etwa 1993; schnell bekam sie das Label „Goa-Trance“ und erlangte um das Jahr 1996 herum weltweite Bekanntheit, sodass sogar die „Bravo“ mehrere Artikel über die Musik veröffentlichte. Ab dem Ende der 80er-Jahre versuchten einige Leute, die Erfahrungen, Inspiration und die Musik, die sie aus Goa kannten, mit in die Heimat zu nehmen, um diese Art von Partys auch fernab von Indien zu zelebrieren – über die Jahre entwickelte sich das zu einem globalen Phänomen. In Deutschland gehörten etwa 1989 einige Freunde bei Hamburg zu den Ersten, die Partys mit Goa-Musik veranstalteten, 1991 fand dann die erste größere Outdoor-Party in Norddeutschland statt: Die Voov Experience war geboren. DJ Scotty und DJ Antaro veranstalteten diese bei Hamburg und lockten damals viele Leute der ersten Partygeneration aus Goa an, welche sich zum Großteil über die Sommermonate in Europa befanden. Das Festival bekam den Beinamen „Mutter aller Goa-Partys“. Kurz darauf fand auch das erste Antaris Project statt, bei dem „laugh and dance“ das Motto ist und das als letztes Festival der ersten Garde noch immer von demselben Veranstalter, Uwe, durchgeführt wird. Bei diesem Festival kommen jährlich verschiedenste Generationen des „Goa-Tribes“ zusammen und feiern gemeinsam das, was viele Menschen kulturübergreifend verbindet: Musik. Ein anderes, nicht mehr existierendes Festival der ersten Stunde war Shivamoon.

Apropos Musik. Die Underground-Musik wurde damals persönlich ausgetauscht; bis etwa 1994 gab es so gut wie keine andere Quelle als das Kopieren von Kassetten. Mitte der 90er-Jahre entstanden die ersten Labels, die sich auf Goa-Trance spezialisierten: so zum Beispiel Dragonfly Records und das berühmte Butterfly Studio um Youth und Simon Posford (Hallucinogen) in London, TIP „The Infinity Project“ mit Graham Wood und Raja Ram in England und Spirit Zone in Deutschland. Kurz darauf gab es bereits eine blühende Label-Landschaft. Um das Jahr 2000 herum gab es auch musikalisch frischen Wind und Progressive Trance war geboren. Führende Labels dieses Genres waren Flying Rhino, Plusquam – als Spirit-Zone-Sublabel – und Spiral Trax in Schweden. Der Track „Klein aber Doctor“ von Atmos wird als ein revolutionäres Stück Musikgeschichte betrachtet.

Goa-Trance hat somit auch eine Wandlung zu Psytrance beziehungsweise Psychedelic Trance und Progressive Trance durchlebt – aber das ist eine andere Geschichte. The Beat goes on.

Anjuna in den 80er Jahren
Anjuna in den 80er Jahren

Aus dem FAZEmag 073/03.218
Text: Jeanette Leiendecker

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