Abstrakt Instruments Avalon – 303 hoch 3

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Avalon, auch Avalun (verwandt mit der indogermanischen Wortwurzel *aballo- für „Apfel“), ist ein mythischer Ort, der aus dem Sagenkreis um König Arthur bekannt ist. Der Arthursage, später der Gralsgeschichte nach, war Avalon der Aufenthaltsort des Königs Arthur nach seiner Verwundung. Nach Chrétien de Troyes soll die Heilerin Morgan le Fay ihren Halbbruder auf der Insel Avalon gepflegt und geheilt haben.

So weit Wikipedia einleitend zur Erklärung des Begriffs Avalon. Bezogen auf die TB-303 haben ja schon etliche Hersteller jenen Produzenten den heilenden Apfel, gar heiligen Gral, versprochen, die sich ein gebrauchtes Original nicht leisten können oder wollen. Zum Teil mit sehr überzeugenden Resultaten, wie beispielsweise der TT-303 Bassbot von Cyclone Analogic beweist. Meist konzentrierten sich die Repliken jedoch auf eine möglichst exakte Wiedergabe des Boom- und Zwitscherklangs. An ein Konzept, das bedientechnisch und klanglich überzeugend darüber hinausgeht, traute sich bislang niemand heran. Neuer Versuch, neues Glück. Kandidat diesmal: Abstrakt Instruments. Ein Startup, das sich im fernen Los Angeles 2012 gegründet und auf die Entwicklung von digital/analogen Hybrid-Synthesizern spezialisiert hat. Mit dem Avalon ist das erste Produkt der US-Boys nun verfügbar.

Bass ohne Grenzen dank Sub-Schub
Abstrakt-Instruments-Gründer Brian Castro scheint ein echter 303-Kenner zu sein. Ihm ist das Kunststück gelungen, einen Basssynthesizer zu entwickeln, der dem Original klanglich entspricht und zugleich alle Extrawünsche erfüllt, die die Roland-Maschine offen lässt. So basiert bereits die analoge Klangerzeugung unter anderem auf den Bauteilen des Bass-Sauriers, darunter die sehr speziellen Kohleschichtwiderstände, Polystyrol-Kondensatoren, Sanyo- und Mitsubishi-Transistoren sowie integrierten Schaltungen. Wie gewohnt, ist ein Oszillator mit der – geräteoberseitig – switchbaren Wellenform Sägezahn und Rechteck vorhanden. Ergänzend dazu wurde ein Suboszillator mit den umschaltbaren Wellenformen Rechteck, Dreieck und Sägezahn verbaut, der sich über einen Drehregler dem Hauptoszillator zumischen lässt. Wem das immer noch nicht brutal, dreckig und druckvoll genug ist, kann auf der Geräterückseite den Suboszillator mittels Schalter nochmals um zwei Oktaven absenken. Doch es gibt noch eine Steigerung: Der Hauptoszillator lässt sich in Schaltermittelposition komplett abschalten, sodass nur noch der Suboszillator spricht. Eine vergleichbare Bassdramatik konnte man mit dem Original, wenn überhaupt, nur mit einem Arsenal an analogen Zusatztools erreichen. Das Coole dabei: Bei aller Verfremdung bleibt der Sound immer noch typisch 303-verwurzelt identifizierbar. Kleiner Negativpunkt: Beim Umschalten der Wellenform im laufenden Spielbetrieb erklingt hin und wieder ein leises Knacken.

Zusätzliche Regulatoren
Im Vergleich zum Original zeigen sich zudem die Klangbearbeitungsmöglichkeiten erweitert. Tuning, Cutoff, Resonance, Envelope Modulation, Decay und Accent in einer Reihe – mehr hatte die TB nicht zu bieten. Mehr brauchte man auch nicht. Glaubt man zumindest, solange man den Avalon nicht unter den Fingern hatte. Auch hier ist der Hersteller überaus intelligent vorgegangen und hat den Basssynthesizer nur so weit aufgestockt, wie es wirklich Sinn macht. Nutzer eines 303-Originals werden sich bei der Bedienung etwas umgewöhnen müssen, denn der Avalon differiert im Layout und ist nun wie ein klassisch subtraktiver Klangerzeuger sektioniert. Rechts neben der Oszillatoren-Abteilung befindet sich die Filtersektion mit den bekannten Potis für Cutoff und Resonance. Erweitert wurde sie um einen Key-Tracking-Regler. Je weiter man diesen aufdreht, desto mehr wird die Cutoff-Frequenz bei Noten unterhalb von D#2 abgesenkt, bei allen höheren Noten wird sie hingegen verstärkt. Erweiterungen gibt es ebenfalls bei der Filter-Hüllkurve. Hier wurden den bekannten Env-Mod- und Accent-Reglern zusätzliche für die Abfallgeschwindigkeit zur Seite gestellt. Gleich rechts daneben lässt sich sogar der originale 303-Verstärker jetzt im Decay sowie in der extra eingerichteten Mod-Env-Sektion darunter in der Modulationstiefe anpassen. Die vielen zusätzlichen Potis haben den positiven Effekt, dass der Bassklang nun deutlich detaillierter beeinflusst werden kann. Eine Acid-Linie lässt sich im Blubberverhalten im Vergleich zum Original noch sanfter gestalten, der Basswumms sowie die peitschenden und jaulenden Zaps lassen sich noch extremer akzentuieren. Der Klang ist also wesentlich flexibler, ohne dass man sich auch hier vom 303-Ursprung komplett entfernt. Wer bassmäßig noch weiter abtauchen will als beim Original, hat dank des Frequency-Switches sogar dazu die Möglichkeit. Sie hebt die Beschränkung bis 70 Hz auf und lässt dem Avalon freien Lauf bis hinab zu magenboxenden 30 Hz.

Ein Highlight: der Sequencer
Kommen wir zu dem, was einen Loop bei der TB so unverkennbar, in der Programmierung jedoch auch so schwierig macht: dem Sequencer. Am Anfang findet man es vielleicht noch spannend, die TB blind Schritt für Schritt zu programmieren und dann zu schauen, wie das Ergebnis klingt. Spätestens, wenn man eine Idee gezielt umsetzen möchte, erweist sich das Original als nervenaufreibende Enigma. Abstrakt Instruments hat den Sequencer komplett geöffnet, sodass sich die Pattern auf verschiedene Weise einspielen und auch abspielen lassen. Jedes Pattern kann nun nicht mehr nur 16, sondern 64 Steps enthalten. Dazu geht man in den Pattern-Write-Modus und belegt im laufenden Spielbetrieb die 16 beleuchteten Step-Regler nach Wunsch. Die Tonhöhe lässt sich durch Halten des Steps über Up- und Down-Tasten jederzeit verändern, gleichzeitig können die unverzichtbaren Accents, Slides und sogar Mod-Envelope-Triggerungen pro Step vergeben werden. Praktisch alles ist und bleibt bei Bedarf editierbar: Die Schrittlänge, der Notenwert – sogar die Slide-Länge lässt sich in vier Schritten zwischen 30 Millisekunden und einer Sekunde anpassen. Ebenso kann man die Loops beliebig in der Schrittzahl verkürzen, verlängern, kopieren und wieder einfügen. Alternativ lassen sich die Noten im gesonderten Live-Recording-Modus über die Avalon-Tastatur oder eine externe Klaviatur einspielen. Die Maschine ist nicht nur mit klassischen MIDI-In/Out-Ports und einem DIN-Snyc-Anschluss ausgestattet, sondern besitzt auch einen USB-Port. Eine dritte Option der Pattern-Programmierung ist schließlich, den integrierten Arpeggiator anzuschmeißen und die vielfältigen Strukturen mitzuschneiden. Für alle, die weiterhin auf Überraschungsergebnisse stehen, die frohe Botschaft: Ein Random-Mode ist ebenfalls vorhanden, der Loops nach dem Zufallsprinzip generiert. Last but not least bringt die Metallkiste noch zwei weitere Boni mit. Zum einen variable Abspielmodi mit Vorwärtslauf, Rückwärtslauf, Pendel und Zufall. Zum anderen ist ein Shuffle-Modus vorhanden, um den Loops zusätzliches Leben einzuhauchen. Um ein aufgenommenes Pattern zu schließen, schaltet man, wie bei der TB, mit dem Drehschalter einfach wieder in den Pattern-Play-Modus um.

Endlich geheilt
Der Avalon trägt seinen Namen definitiv zu Recht. Ein vergleichbar umfassend perfektioniertes 303-Konzept gibt der Markt weder klanglich noch in der Bedienung her. Mit dem beigelegten Quick-Start-Manual kommt man übrigens nicht weit. Um die zahllosen und hier nur angerissenen Möglichkeiten auszuschöpfen, kommt man nicht umhin, die immerhin 46-seitige Komplettanleitung herunterzuladen. Einige Funktionen sind nur über Tastenkombinationen zu erreichen und in der Logik nicht immer transparent. Vermissen wird man an dieser Stelle also höchstens ein Display. Auf einige wesentliche Merkmale sind wir dabei noch gar nicht eingegangen. So lässt sich beispielsweise das verbaute 303-Filter-IC geräterückseitig gegen Karten mit anderen Filtermodellen tauschen. Abstrakt Instruments bietet derzeit die Typen Oberheim SEM, Minimoog Ladder, Roland Juno/Jupiter, Arp 4075 und WASP an.

Beim deutschen Vertrieb Schneidersladen ist gerade ein Kontingent in wahlweise schwarzem oder weißem Metallgehäuse für je 1.099 EUR eingetroffen. Wer den 303-Sound liebt, sollte zuschlagen. Der Avalon ist sowohl live als auch im Studio die ultimative Bass- und Acid-Waffe.

Aus dem FAZEmag 059/01.2017 

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