Selten hat es ein Label geschafft, sich innerhalb kürzester Zeit einen so großen Namen zu schaffen und sich in solch einer Szene zu etablieren. keinemusik erreicht dies auch noch auf einem äußerst kredibilen Weg. Und so wächst der Hype um die Acts &Me, Adam Port, David Meyer und Rampa förmlich von Tag zu Tag. Gestartet ist die Crew, die ihre Roots fast gänzlich im HipHop findet, im Februar 2009. Damals wurde alles, was nicht mit Rap zu tun hatte, als „keinemusik“ betitelt. Das Blatt hat sich gewendet. Denn seit drei Jahren liegen dem Hauptstadt-Brand sämtliche Wege offen, der neue Stern am elektronischen Label-Himmel zu werden.
Ich treffe Adam Port an einem sonnigen Samstagmittag in Berlin. Die Stadt ist überfüllt mit Bierbäuchen, die an diesem Tag von gelben-schwarzen sowie rot-weißen Trikots umhüllt werden. Es ist DFB Pokal-Finale. Dass der FC Bayern an diesem Abend eine solch historische Niederlage kassieren würde, verwunderte sicherlich selbst den optimistischsten Borussia-Anhänger. Die Uhr schlägt kurz nach sechs, als wir einen der gefragtesten Acts der Stadt an der U-Bahn-Station Gneisenaustraße in Kreuzberg treffen. Schon zuvor am Telefon wurden wir von seiner äußerst sympathischen und alles andere als gestressten Art positiv überrascht. Auch persönlich macht Adam Port an diesem Tag einen entspannten Eindruck. Zu seiner Höflichkeit gesellt sich ein gesundes Maß an Müdigkeit, hat er bis vor wenigen Stunden doch noch bei der Label-Nacht im Stuttgarter Rocker 33 stundenlang den Tanzflur bespielt. An diesem Abend steht nach einigen Wochen ein Heimspiel an. Keinemusik-Nacht im Horst Krzbrg. Im Café angekommen sprechen wir über Ästhetik, die Wichtigkeit einer gesunden Künstlerautonomie und philosophieren über das reibungslose Zusammenwirken von Understatement und Zielstrebigkeit. Diese beiden Parameter erfüllt die Crew in jedem Falle – allen voran Adam Port. So verwundert es kaum, dass sich der smarte Berliner einen heißen Kakao bestellt und angeregt über seine Philosophie, aber auch seine Ansichten in der Szene berichtet.
„Ich denke, wir haben als junges Label von Anfang an eine gute Webpräsenz aufgebaut. Aus meiner Sicht wirken wir aber im Gegensatz zu Brands wie mobilee noch sehr, sehr klein. Wirklich professionell sind wir noch nicht lange. Durch Kanäle wie MySpace, Facebook, Twitter, Instagram, Soundcloud und Co. – in denen ich uns als sehr affin einschätze – haben wir es aber geschafft, ohne große finanzielle Mittel unsere Form von Promotion zu fahren. Und dies klappt scheinbar ganz gut.“ In der Tat wirkt keinemusik und das kreierte Image drumherum wie ein Belegexemplar dafür, dass sich der viel zitierte Berliner Traum tatsächlich in die Tat umsetzen lässt. Und dies sogar mit einer Menge Herzblut. Denn bei keinemusik wird Liebe zum Detail groß geschrieben. Jeder der vier produzierenden Acts kreiert mit Grafikerin Monja ein eigenes Artwork. Sämtliche Vinyls werden per Hand gestempelt. Auf Partys werden Masken im keinemusik-Style verteilt. Dies ist, wie Adam berichtet, mit einer Menge Arbeit verbunden. Die Beweggründe, ein Label zu starten, lagen für ihn aber klar auf der Hand. „Es ist immer ein kleiner Kraftakt, ein geeignetes Label für seine Sachen zu finden. Der Nachteil an der großen Welt des Internets ist natürlich die riesige Flut an Musik. Sämtliche Labels bekommen die ganzen Promos gar nicht bewältigt, sodass sie sich fast gar nichts mehr anhören. Die Quote von guten Promos aus diesem riesigen Pool wird förmlich von Tag zu Tag schlechter. Der Schritt, alles von Anfang an selbst zu machen, lag in unseren Augen deshalb sehr nahe. Vor dem Label waren wir ja bereits eine Clique, die gemeinsam Partys geschmissen hat und Musik produzierte. Wir machen unsere Arbeit mit einer Menge Seele – was zum Teil aber richtig anstrengend ist. Unsere Designerin Monja hat meist einen sehr eigenen Kopf, was aber sehr oft zum Vorteil wird. Dadurch entsteht diese gewisse Ästhetik und der rote Faden bei den Covern etc. Jeder Künstler schickt ihr den neuen Track mit Titel sowie ein Moodboard, mit den Bildern die man sich beim Produzieren vorgestellt hat. Und da interpretiert sie sich rein und zaubert etwas. Jeder Künstler ist für das Artwork seines Releases selbst verantwortlich. Dass wir jede Platte selbst stempeln, entstand eigentlich aus der Not heraus. Wir hätten niemals gedacht, jemals so viele Vinyl zu verkaufen, wie das gerade der Fall ist. Aber so Kleinigkeiten sind uns immens wichtig, um unser Produkt so persönlich wie möglich zu gestalten. Daran werden wir definitiv festhalten, auch wenn wir erst vor kurzem diskutiert haben, auf normale Hardcover umzusteigen.“
Um diese Philosophie aber dennoch weiterhin ungestört mit all ihren Facetten zu leben, hat sich die Crew klare Grenzen auferlegt. Und vor allem Strukturen. Es gibt ein gemeinsames Studio mit zwei Arbeitsplätzen, an denen zu viert zeitversetzt produziert wird. Julia erledigt die administrative Arbeit und verschafft den Künstlern so genügend Freiraum, sich auf die Musik zu konzentrieren. Einmal pro Woche findet ein längeres Meeting statt – telefoniert wird täglich. „Wir sehen uns in dem Sinne nicht als herkömmliches Label, sondern eher eine kleine Familie. Deshalb nehmen wir keine weiteren Künstler auf. Wir hören uns keine Demos an, weil wir schlichtweg kein Interesse daran haben, dieses Kollektiv zu vergrößern. Es gibt vier feste Produzenten. Der fünfte Mann an Board ist nur als DJ unterwegs. Remixes werden auf keinemusik auch erstmal nicht erscheinen.“ So straight sich dies auf Papier lesen mag, so logisch und nachvollziehbar ist es, wenn es ein Mann wie Adam Port persönlich erklärt „Auch dann nicht. Witzigerweise haben wir damals ‚Tarantula‘ von Pleasurekraft angeboten bekommen. Aber da der Sound definitiv nicht zu uns passte, haben wir abgelehnt. Wir möchten straight unsere Linie fahren und uns nicht verbiegen. So stehen wir zu 100 % hinter unserem Ding. Das klingt so, als wenn wir kein Interesse daran haben, zu wachsen. Natürlich sind wir froh, endlich von unserer Arbeit leben zu können, aber in unseren Augen macht es keinen Sinn, alle 14 Tage etwas Neues zu releasen. Jeder Track braucht seine Zeit, um sich zu entwickeln und wahrgenommen zu werden. Ich merke das auch bei mir. Manchmal spiele ich Tracks, die bereits ein Jahr alt sind, die ich aber vorher nicht auf dem Schirm hatte. So war es z.B. bei Santos. Auch wenn ich seine neuen Sachen eigentlich immer checke, ist mir da ein Track auf dem Album wohl durchgegangen. Wir machen das Label nicht, um bei Resident Advisor gut in den Charts platziert zu sein. So hat es bislang sehr gut funktioniert.“
Diese erfolgsgekrönte Mentalität sprach sich auch bis an den Main herum. Denn auf der kommenden Cocoon Compilation „L“ sind gleich zwei Tracks aus dem Berliner Hause vertreten. Dass es soundtechnisch auf den ersten Blick nicht allzu viele Parallelen zum Technoimperium aus Frankfurt gibt, relativiert Port. „Ich fand Cocoon schon immer cool. Sven Väth hat für mich in der Tat eine äußerst beeindruckende Aura. So wie die Jungs ihr großes Ding mit Event, Club und Plattenfirma unter einen Hut packen, beeindruckt mich. Der Sound ist mir ab und an zu hart, aber der Traum, irgendwann dort zu veröffentlichen war schon immer präsent. Mit Edgar von Cocoon hatten wir vor kurzem auch ein sehr intensives Gespräch über das aktuelle Zeitalter der Labels, in dem wir Erfahrungen ausgetauscht haben.“
Am 8. Juli wird Adam Port auch erstmals beim Love Family Park in Hanau spielen. „Ich finde generell alles, was aus dem Hause cosmopop kommt, sehr interessant. Ich habe das immer stark verfolgt, da dort z.B. eine tolle Web-Arbeit abgeliefert wird. Auf den diesjährigen Love Family Park freue ich mich sehr. Das LineUp ist auch wie die Jahre zuvor grandios. Es freut mich, bei dieser Edition ein Teil davon zu sein. Ich schätze das wird einer der Events, wo man sehr gerne bis zum Schluss bleibt um sich die vielen weiteren Acts anzuschauen. Die Vorfreude wächst von Woche zu Woche. Vor allem für mich als Berliner, denn wir waren eigentlich schon immer eine Art Insel. Hier gibt es neben dem Berghain im Sommer noch gefühlte 14 Millionen OpenAirs. Da viele tolle Künstler hier wohnen und das Angebot so enorm ist, fahren die Leute von hier sehr selten auf ein Festival.“
Alles in allem eine mehr als rasante Entwicklung, die das Label – mit wenigen Mitteln – innerhalb eines so engen Zeitraums gerade erffährt. Dabei hat sich ein Großteil des Teams bis vor wenigen Jahren noch ausschließlich mit HipHop auseinandergesetzt. Bis auf Adam Port. „Meine Roots liegen eigentlich im Hardcore bzw. Metal. HipHop kam bei mir erst danach. Gitarre zu spielen oder zu singen hat mich eigentlich nie interessiert. Als ich anfing aufzulegen und Musik selbst zu verwursten, kam dann der HipHop. Mit dieser Bewegung der Stadt und die schlechte Entwicklung im HipHop habe ich mich dann nach einer Zeit für die elektronische Szene entschieden. Wirklich gelebt habe ich den HipHop nie, weil ich mich niemals mit den ganzen Aggressionen und sexistischen Äußerungen identifizieren konnte . Das mag für den Moment vielleicht witzig sein, aber mein Vibe war es dennoch nicht. Ich habe die Musik von gewissen Speerspitzen wie Pharrell oder etwas später Lil Wayne geliebt. Irgendwann gab es aber keine Innovationen mehr – vor allem für die DJs.“
Und so lassen sich Begriffe wie „Romantik“ und „Sexappeal“ – die immer häufiger mit dem typischen keinemusik-Sound in Verbindung gebracht werden – erklären. Für Adam Port auch eine Typfrage. Sein Musikgeschmack heute reicht von Kylie Minouge bis hin zu Sadé. „Ich denke, dass ist von Künstler zu Künstler sehr verschieden. Wenn man kalt und verschlossen ist, lassen sich solche Emotionen sicherlich schwer erzeugen. Ich würde uns zwar nicht als verträumte Romantiker bezeichnen, aber wir machen uns alle ein paar Gedanken über das Leben. Eigentlich spielt es auch keine Rolle, woher es kommt. Ich bin einfach nur glücklich, dass es so ist und dass wir so eine tolle Herangehensweise haben, Musik zu machen. Es fühlt sich gut an, mit den doch recht bescheidenen Mitteln etwas für mich Zufriedenstellendes erzeugen zu können.“ Mit bescheidenen Mittel meint Port sein MacBook, auf dem er mit Ableton Live arbeitet. Analoge Geräte besitzt er nicht. Viel mehr verbringt er seine Zeit damit, nach Samples und Loops zu suchen. „Ich stehe auf Sounds, die in einer gewissen Weise ‚raw‘ klingen. Mir gefällt es nicht, wenn sie zu clean sind. Von der Soundästhetik ist mir Minus zum Beispiel zu klar und zu brillant. Ich stehe eher auf einen gewissen Schmutz.“
In den nächsten Wochen steht bei keinemusik das Release der nächsten Workparty-Compilation an. Eine Platte, vier Künstler, vier Tracks. „Für uns persönlich ist es das Highlight des Jahres. Ein Album ist derzeit noch nicht geplant. Dafür nehme ich mir alle Zeit der Welt, weil mit derzeit noch die Visionen fehlen. Da wir kein Management haben, kommt zum Glück auch kein Druck von oben. Wenn, dann soll es ein richtiges Album werden und nicht ein ausschließlich für den Club produziertes Ding.“
Und so neigt sich nach etwas mehr als einer Stunde der Nachmittag dem Ende zu. Die Fangesänge werden lauter, der Alkoholkonsum auf Berlins Straßen größer. Adam Port muss noch ein paar Sachen für die Nacht vorbereiten und sich zum Label-Essen gesellen. Wie so vieles in den letzten Wochen bei keinemusik, stellt sich auch die Nacht im Horst Krzbrg als voller Erfolg heraus.