Adriatique – „Das einzig Beständige ist der Wandel“

 

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Die Geschichte dieses Duos ist genauso einfach gestrickt wie genial zugleich. Beide heißen Adrian, beide sind Mitte der 80er-Jahre geboren, und sie lieben beide die Musik. Im frühen Kindesalter traditionell Instrumente erlernt, etwas später die Plattensammlung der Großeltern durchforstet, treffen sie sich 2008 und führen ihre doch unterschiedlichen musikalischen Wurzeln zusammen. Knapp sechs Jahre später gehören Adrian Shala und Adrian Schweizer aka Adriatique zum Innercircle der erfolgreichen Diynamic-Posse rund um Solomun, H.O.S.H. und Konsorten und treffen nahezu mit jedem ihrer Releases den absoluten Zeitgeist der Szene. Gründe genug, sie den offiziellen FAZEmag Download-Mix für diesen Monat fertigen zu lassen, und ihnen ein paar Fragen zu stellen.

Ihr habt euch 2008 kennengelernt. Wie rekapituliert ihr die letzten sechs Jahre, in denen eine Menge passiert ist?
Shala: „Der erste Meilenstein war sicherlich, dass wir uns überhaupt kennengelernt und entschieden haben, gemeinsam zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir beide schon länger als DJs unterwegs, allerdings auf separaten Pfaden. Auf einer Party hier in Deutschland haben wir uns kennengelernt und festgestellt, dass wir musikalisch zwar nicht unbedingt eine Sprache sprechen, aber es dennoch Symbiosen gibt. Zeitgleich haben wir dann angefangen – jeder für sich – Musik zu machen. Ich habe damals in Österreich gewohnt und hatte gerade meine Ausbildung fertig. Kurz danach habe ich angefangen, in einem Medien-Komplex TV, Print und sogar Radio zu machen. Das komplette Ding rund um Medien. Adrian war da schon etwas zukunftsorientierter und praktischer ausgerichtet und hat eine Elektriker-Lehre angefangen, und sich bereits mit 18 Jahren einen respektablen Namen als DJ in seiner Region gemacht. Er hat also alles sehr früh auf eine Karte gesetzt, während ich weniger Risiko-freudig war. Ich habe zuhause angefangen, mit Reason zu arbeiten, während Adrian in Zürich bereits ein Studio eingerichtet hatte. Als ich in die Schweiz gezogen bin, haben wir uns daraufhin rund zwei Jahre verkrochen, weniger aufgelegt, und das Produzieren an sich erlernt und uns gemeinsam musikalisch entdeckt.“

Euer Remix zu „Deep In The Three“ von Feist in 2011 gilt als euer Durchbruch. Wie entstand der Kontakt zu Diynamic?
Schweizer: „Der erste Kontakt entstand über Thyladomid, der bei dieser Produktion ebenfalls beteiligt war. Wir hatten damals schon ein wenig Kontakt zu ihm, und durch die Kunstgeschwister in Mönchengladbach bestand schon ein kleiner Draht nach Hamburg zu Diynamic. Wir haben überlegt wo wir die Nummer hinschicken und uns letztlich für 2DIY4 DIYNAMIC  entschieden. Von dort kam auch direkt eine Antwort. Adriano, Mladen und Stimming fanden die Nummer super – allerdings mussten zunächst die Vocals mit dem Label geklärt werden. Daher hat das fast ein halbes Jahr gedauert, ehe wir das mit bzw. von Universal freibekommen haben und loslegen konnten. Von dort an bestand der Kontakt und da Diynamic eine sehr eigene und stabile Philosophie vertritt, was die Zusammenarbeit mit Künstlern angeht, war klar dass wir früher oder später erneut ein paar Sachen dort herausbringen. Es gab ein paar Kollaborationen und kurze Zeit später auch mal eine Einladung zu einem Showcase ins Ritter Butzke nach Berlin. Nach und nach waren wir Teil der Familie, ehe wir 2012 auch im Booking waren…“

Obwohl ihr verhältnismäßig wenig releast, seid ihr mit eurem Output stets präsent – so macht es den Eindruck. Was ist für das restliche Jahr noch geplant?
Shala: „Das liegt wahrscheinlich an der Tatsache, dass wir bislang immer gutes Timing mit den Schedules der jeweiligen Labels hatten. Es war immer eine Regelmäßigkeit drin, sodass es noch nie vorkam, dass sich Tracks gegenseitig gestört haben in ihrer Entwicklung. Nach der Culprit-Nummer im Januar ist in diesem Jahr bislang noch nichts von uns erschienen, sodass recht bald ein neues Release auf Cityfox erscheint. Für Diynamic liegt auch etwas in der Pipeline – unter Umständen sogar eine Doppel-EP. Aber wir tun uns generell sehr schwer Tracks zu finalisieren. Künstlerkrankheit womöglich. Im Sommer wird jedenfalls ein Remix für Thyladomid erscheinen, ehe es nach dem Sommer stehen dann an Sachen für Flowers & Sea Creatures und Ane Brun geht.

Ihr seid binnen weniger Monate von lokalen Helden zu wahren Größen herangewachsen. Wie klingt für euch der aktuelle Sound in der Szene, bei dem sich aktuell alle nach Diynamic und Innervisions richten?
Shala: … generell möchten wir es nicht so plakativ auf Labels herunter brechen, aber klar ist, dass gewisse Labels besonders prägen. Die Folge ist, dass sich manche Künstler dann danach richten oder vielleicht durch die gegebene Aktualität gehört werden. Mittlerweile ist alles etwas technoider und melancholischer geworden. Wir sind für unseren Teil nie Freunde von diesen Schubladen gewesen. Wir kommen aus zwei so unterschiedlichen Gefilden, sodass uns diese Begrenzungen keine großen Diskussionen wert sind. Um das zu untermauern braucht man sich nur ein paar Acts anzuschauen, die Platz in den Beatport Top 100 in der Kategorie ‚Deep House‘ ihren Platz finden. Da befinden sich Leute, die wirklich sehr entfernt sind, auch nur annähernd den Begriff Deep House mit Inhalt zu füllen. Wir haben uns noch nie Gedanken darüber gemacht, wo wir soundtechnisch landen – auch wenn es aus Marketingsicht unabdingbar ist, wo man sich positioniert. Wir möchten als Künstler die vollkommene Freiheit genießen, das zu tun, worauf man gerade Lust hat. So entsteht unsere Musik und das wird auch so bleiben. Wir verfolgen natürlich irgendwo eine musikalische Vision welche aber ständig biegbar ist und somit entstehen viele verschiedene Richtungen.

Wo soll die Reise hingehen bzw. wo seht ihr euch Soundtechnisch denn in ein paar Monaten und Jahren?
Schweizer: Das wissen wir ehrlich gesagt nicht. Vielmehr möchten wir uns der Improvisation und dem Moment hingeben. Nachdem wir lange versucht haben uns schematisch aufzustellen und nach Plan zu arbeiten, haben wir relativ schnell festgestellt, dass wir so in unserem Schaffen gefangen sind. Daher finden wir uns damit ab, dass wir vor Beginn eines Tracks nie wissen, wie er am Ende klingen wird. Wer weiß, was als nächstes kommt.

Wir seid ihr aufgestellt im Studio, und wer übernimmt welchen Part?
Shala: Mittlerweile hat sich herauskristallisiert, dass aufgrund seiner Vorkenntnisse der blonde von uns der sprichwörtliche ‚Nerd‘ ist, was die Geräte im Studio angeht. Technisch ist er viel versierter und kann Ideen sofort in Sounds umsetzen. Er kann stundenlang vor einer Kick-Drum sitzen, bis sie genau so klingt wie es für ihn klingen muss. Über die Jahre hat sich das so eingespielt, dass er der Verantwortliche für unsere Sound-Ästhetik, dafür erledige ich meist Sachen wie Presse oder auch mal alleine auf Tour gehe. In der Regel, bereden wir aber jeden Schritt gemeinsam und ergänzen uns sehr gut. Hauptsächlich arbeiten wir mit Apple Logic und haben erst kürzlich das Update zu Logic X gemacht, das uns anfangs richtig herausgefordert hat, da es einfach wieder was ganz anderes ist. Außerdem arbeiten wir sehr gerne mit analogen Synthesizern von Dave Smith, Moog, Korg oder Blofeld, wie z.B. der Prophet 12 oder dem Moog Voyager. Hier steht noch eine MPC Renaissance, die ich dann eher zum jammen benutze, da ich mehr der Beat-Fetischist bin. Grundsätzlich versuchen wir eine gesunde Mischung aus analogem und digitalem zu kreieren.

Lasst uns über Ibiza sprechen. Für Diynamic waren die letzten zwei Jahre dort sehr erfolgreich. In diesem Jahr seid ihr erstmals nicht im Sankeys, sondern mit einem Day-Event in der Cova Santa. Wie siehst du die Entwicklung dort, und wie wird die Saison aussehen?
Schweizer: Vor zwei Jahren waren wir dort die absoluten Rookies und haben uns in sensationeller Geschwindigkeit zu einem der Gesprächsthemen der Insel gemausert. Die Insel kannte ich bereits als Gast zuvor und mich wundert es nicht, wie sich die Dinge dort entwickelt haben. Alles verändert sich ständig. Heraklis sagte mal ‚Das einzig Beständige ist der Wandel‘. Sven Väth meinte das glaube ich schon vor Jahren bzw. spiegelt er das selbst sehr gut wieder. Und so ist es bei der Musik und der Szene auch, vor allem dort. Wir haben mit unserem Sound einen äußerst frischen Wind auf die Insel gebracht und ein absolutes Kontrastprogramm zu den großen und seit Jahren etablierten Events geboten. Dazu gehörte ein familiäres Ambiente, ja fast schon Underground-Flair, fernab von Show-Tänzern oder Pyrotechnik. Wir haben nur einen coolen Club und eine gute Anlage gebraucht. Die Energie war dort jeden Dienstag schlichtweg unglaublich. In diesem Jahr mussten wir uns aber etwas verändern, was ich definitiv begrüße, und so präsentieren wir uns openair – mittlerweile eine wahre Rarität auf der Insel aufgrund der politischen Umstände, die quasi von Jahr zu Jahr schärfer sind. Der Spot liegt sehr schön, etwas abseits der altbekannten Touristenhochburgen und eher mittig der Insel. Wir beginnen dort am späten Nachmittag bis zwölf Uhr, anschließend geht es in einem nebenan gelegenen Club weiter. Das Thema Neon der letzten beiden Jahre ist nicht mehr Zeitgemäß für uns, so dass das Konzept in 2014 Titel ‚Diynamic Outdoor‘ tragen wird. Einfach, prägnant und mal wieder lassen wir den Sound für sich stehen.

Welche Veränderungen sind bei Diynamic zur Zeit gegeben, und in welche Richtung wird es eurer Meinung nach gehen mit dem Label und der Philosophie?
Shala: Wir sind nun seit drei Jahren bei Diynamic und ich glaube, dass die Philosophie schon immer die gleiche war und sich nie großartig ändern wird. Wenn man sich das Roster und die jeweiligen Protagonisten anschaut, stellt man fest, dass wir ein sehr farbenfrohes Kollektiv sind, mit sehr verschiedenen Acts, was die Musik und die Charaktere dahinter angeht. Und genau das macht uns meiner Meinung nach aus. Es herrscht eine vehemente künstlerische Freiheit, sei es was die Musik und die eigene Philosophie angeht. Immer öfter stehen Showcases und Festivals an, so dass uns das Publikum draußen immer mehr als Familie wahrnimmt, die sich ständig Ideen einfallen lässt. Genau so wird es auch weiterhin laufen.

Spannend ist aktuell auch New York für euch, habe ich in einem Interview gelesen. Was genau macht diese Stadt für euch aus und worin liegen die Unterschiede zu Europa?
Schweizer: Ich finde, wenn man an die elektronische Szene und ihre ‚Austragungsorte‘ denkt, fallen einfach zu oft Namen wie Berlin, Amsterdam und London. Sicher, dort passiert unglaublich viel. Dennoch sollte man auch einen Blick auf Spots in Übersee werfen. Die Szene floriert aktuell unglaublich gesund und sogar mit beachtlichem Niveau – übersieht man den ganzen EDM-Hype, der überall Omnipräsent ist auf kommerzieller Schiene. Allein die Cityfox-Crew bewegt dort aktuell einiges, was ihre unglaublich aufwendigen und detailverliebten Event-Produktionen angeht. Die Bookings dort wachsen, die Ideen entwickeln sich im Wochentakt und die Anzahl an Fans, die sich alles andere als einfach zufriedenzustellen lassen, gedeiht. Die Leute dort sind generell sehr fordernd und feiern sehr frenetisch, ehe es in vielen Clubs in anderen Ländern nur um das sehen und gesehen werden-Prinzip geht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Diynamic dort auch einen guten Platz finden könnte. Schauen wir mal, was auf dem Gebiet passiert (lacht).“

Bei eurem letzten Besuch in Köln hattest du erwähnt, dass ihr selbst an einem eigenen Projekt mit eigenem Titel arbeitet. Wie sieht es dort aus?
Shala: Als Künstler hat man eigentlich immer das Bedürfnis, etwas Eigenes zu kreieren. Seit einigen Jahren veranstalten wir in Zürich schon unsere eigene Nacht, wo wir regelmäßig befreundete Acts wie Âme oder jetzt bald Baikal. Solomun war ebenfalls schon bei uns, David August wird zur Street Parade wieder mit dabei sein. Oftmals spielen wir aber auch die ganze Nacht und genau dieses Konzept möchten wir nun in anderen Clubs, die wir aus unseren normalen Bookings her kennen und mögen, ausbreiten. Da arbeiten wir aber noch an den Details, um dann damit an die Öffentlichkeit gehen zu können. Im Nordstern in Basel starten nach dem Sommer mit ‚Moving Around Us‘ ebenfalls ein neues Projekt.

Denkt ihr bei all den Projekten auch an ein Album?
Schweizer: (lacht) Es war klar, dass diese Frage früher oder später kommt. Dieses Thema geht uns fast im Wochentakt durch den Kopf. Aber eben aufgrund der Tatsache, dass gerade so schon jede Menge ansteht und wir einen unglaublich hohen und nicht immer einfach zu handelnden Anspruch haben, möchten wir nicht auf Biegen und brechen ein paar Tracks aneinander reihen. Stattdessen möchten wir das gezielt angehen und evtl. im nächsten Jahr eine ruhigere Phase einlegen, die wir explizit dafür nutzen. An Ideen was die organischen Soundstrukturen oder Kollaborationen angeht, mangelt es sicherlich nicht. / Rafael Da Cruz

FAZEmag DJ-Set #28: Adriatique – ab sofort und exklusiv bei iTunes:

www.adriatique.ch

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