Agar Agar – Erwachsenwerden

Foto: Erwan Fichou

Kennengelernt hat sich das Duo um Clara Cappagli und Armand Bultheel im Jahr 2014 an der experimentellen Kunstschule Beaux-Arts in Cergy, nur wenige Kilometer nördlich von Paris. Mittlerweile gehört das Electro-Pop-Gespann zu den aufregendesten Überraschungen, die Frankreich in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Dazu beigetragen hat sicherlich ihre außerordentliche Extravaganz, mit der sie sich präsentieren, gepaart mit eingängigem Sound – so z.B. auf ihrer ersten EP „Cardan“ mit Songs wie „Prettiest Virgin“ und „I’m That Guy“, die internationale Wellen schlugen. Lobeshymnen folgten auch auf ihr Debüt-Werk „The Dog And The Future“ in 2018 auf Grönland Records. Genau dort erscheint nun am 20. Januar mit „Player Non Player“ das zweite Album von Agar Agar.

Die Entwicklung zwischen beiden Langspielern bezeichnet Clara als eine Art Erwachsenwerden: „Wir hatten Zeit, uns nach einer langen Tournee auszuruhen und wir fanden uns sehr inspiriert, als wir wieder zusammenkamen, um wieder an Musik zu arbeiten. Wir hatten die beste Zeit, um neue Ideen und Konzepte zu entwickeln.“ Ihre letzte Tour endete pünktlich vor Pandemie-Ausbruch im Frühjahr 2020. Zu einem Zeitpunkt, als die Welt noch eine andere zu sein schien: „Die Welt ist so verrückt und beängstigend aktuell. Ehrlich gesagt, glaube ich, habe ich meinen Platz in ihr sowieso noch nicht gefunden. Also hat es meine Wahrnehmung auf die Welt an sich letztendlich nicht verändert.“ Armand fügt hinzu: „Die Selbstbeobachtung hat sich sicherlich auf meine Arbeit ausgewirkt, ich habe viel Zeit damit verbracht, an Musik und anderen Dingen zu arbeiten. Ich habe mir die Zeit genommen, um neue Ideen zu entwickeln und bin bei einigen davon geblieben, als ich das neue Album komponiert habe.“ Gute Voraussetzungen, um am berühmt-berüchtigten zweiten Album zu arbeiten, das in Sachen eigener sowie äußerer Erwartungshaltung nicht selten das schwierigste im Leben von Künstler*innen ist. Vor allem, wenn das erste ein von Erfolg gekröntes Werk war. Die Devise bei Agar Agar lautet deshalb Risiken einzugehen, berichtet Clara: „Außerdem ist es wichtig, nie über den möglichen ,Erfolg‘ eines Songs nachzudenken. Zumindest ist das nicht unsere Art, Musik zu machen. Es ist sehr anstrengend und beängstigend, an die Außenwelt zu denken, wenn man im Studio sitzt. Wir versuchen jedenfalls, uns diese Fragen während des Prozesses nicht zu stellen.“

Gestartet hat das Duo die Arbeiten an „Player Non Player“ ohne konkretes Thema. Als größte Inspirationsquelle diente das Videospiel, das nun pünktlich zum Album-Release erscheint und dieses illustriert, verrät Armand: „Die Entwicklung des Videospiels begann Jahre vor den ersten Noten zum Album, also dachten wir bereits an die Farben, die Atmosphäre und die Geschichten der Musik, auch wenn wir uns dessen nicht wirklich bewusst waren. Wir wollten ein Videospiel machen, um das Album mit einem immersiven visuellen Erlebnis zu umgeben. Wir beauftragten Jonathan Coryn mit der künstlerischen Leitung und der Entwicklung des Spiels, und es wurde eine echte künstlerische Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Welten. Unsere Musik inspirierte Jonathan und was er daraus machte, inspirierte uns wiederum für die neuen Songs, die Jonathan inspirierten. Ich denke, das Album und das Videospiel sind zwei eigenständige Erfahrungen, die sich aber zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen.“ Im Gegensatz zum ersten Album arbeitete das Duo bei diesem Werk nicht immer gemeinsam im Studio: „Es war wirklich interessant für jeden von uns, etwas alleine zu machen und sich dann wieder zu treffen und das neue Material zu präsentieren. Es war auch intern bei uns beiden eine Ping-Pong-Methode“, berichtet Armand, der hauptsächlich Hardware-Synthesizer verwendete: „Ich schätze den Trax Retrowave R-1 sehr, der von Anfang an einen großen Anteil an unserem Sound hatte. Ich würde auch den Roland Super-JV als ein neues und mächtiges Werkzeug für uns erwähnen, das billige und tiefe Sounds zurückbringt, die ich in meiner Kindheit oft gehört habe (lacht). Softwaremäßig benutze ich Ableton Live und einige klassische Plug-ins zum Mischen.“ 2023 gehen Agar Agar erneut auf Tour – eine neue Show ist bereits geprobt. Ansonsten verfolgen die beiden ein klares Ziel: „Unser Plan für die nahe Zukunft ist wahrscheinlich, für immer Spaß am Musikmachen zu haben.“

 

Aus dem FAZEmag 131/01.2023
Text: Triple P
Foto: Erwan Fichou
www.instagram.com/agaragarmusic/