Für Generationen von Hip-Hop- und Elektroproduzent*innen war und bleibt eine kastige AKAI MPC der heilige Gral, von dem man nippen muss, um die tightesten Grooves der Welt zu bauen. Jetzt hat der Hersteller sein Konzept um ein Keyboard ergänzt, sodass sich auch harmonische Klangflüsse aus Klaviatur-geübten Händen einspielen lassen. Besser noch: Dank eines beachtlichen Sammelsuriums an internen Plug-in-Synthesizern und Effekten lässt sich die MPC Key 61 als autarke Workstation betreiben.
Anschlusssektion
Zwar versteht sich die MPC Key 61 als Standalone-Instrument, aber es wäre keines – und schon gar nicht von AKAI – des Jahres 2022, wenn es nicht in Wechselbeziehung mit anderen Gerätschaften treten könnte. So ist natürlich ein USB-B-Anschluss vorhanden, um einen Rechner anschließen und das Instrument als Steuerzentrale-Master-Keyboard für die MPC 2 Software sowie andere DAWs und Software-Synths einzusetzen. Das funktioniert dank des vorhandenen klassischen MIDI-Trios In/Out/Thru segensreicherweise auch mit externen Hardware-Klangerzeugern. Als weiterer Digitalport ist ein Ethernetanschluss vorhanden, um über Ableton Link die Live-Software und andere kompatible Anwendungen einbinden zu können. Alternativ funktioniert das auch kabellos dank integriertem Wifi und Bluetooth. Darüber lassen sich auch Updates, Sound-Expansions usw. einspielen. Um den Reigen komplett zu machen, sind sogar CV/Gate-Ausgänge vorhanden, um auch spannungsgesteuerte Vintage-Synths und Module anzusprechen. Sollten die internen 32 GB Speicher ab Werk tatsächlich nicht reichen, kann man entweder mittels zweier USB-A-Ports SSD-Massenspeicher anschließen – oder aber zusätzliche Controller bzw. eine Tastatur. Oder aber man rüstet im unterseitigen Schacht mit einer 2,5“-SATA-Drive auf.
Zu den Audioanschlüssen: Lobenswert sind die beiden kombinierten XRL/TRS-Klinke-Eingänge inklusive Phantomspeisung, Line/Instrument-Umschalter und Gain-Regler. Somit lassen sich sowohl dynamische als auch empfindliche Kondensatoren-Mikrofone als auch andere Klangerzeuger anschließen und einpegeln. Das funktioniert selbstredend nicht ohne ein Audio-Interface: Im MPC Key 61 ist ein 24-bit-Audio-Interface mit High-End-Vorverstärkern und AD/DA-Wandler verbaut. Wer die Audioergebnisse analog ausspielen möchte, kann das über zwei Main- und Sub-Outs im Klinkeformat bewerkstelligen. Ein Kopfhörerausgang sitzt gleich daneben. Geradezu klassisch für Live-Keyboards sind schließlich noch die Konnektoren für ein Expression-, Sustain- und weiteres Fußpedal, das sich einer MIDI-Funktionalität zuweisen lässt. Sonst noch Anschluss-Wünsche? Kann eigentlich nicht sein. Wer auf zusätzliche Audio-In und -Outs pocht, kann das optional über ein weiteres Interface realisieren, die MPC Key 61 ist class compliant – bis zu 32 sind dann möglich.
Bedienelemente
Ganz grob gesprochen ist die MPC Key 61 eine MPC Live II mit Klaviatur sowie einigen Zusatzfeatures, damit sich ein überzeugender Standalone-Workstation-Workflow ergibt. Na gut, zu einer klassischen Klaviatur reicht es nicht ganz, da das Instrument – nomen est omen – über 61 statt 88 Tasten verfügt. Das langt aber in Anbetracht der Einsatzgebiete völlig aus und macht den AKAI-Neuling nicht völlig ausladend. Als dickes Plus sind die Tasten halbgewichtet und arbeiten mit Aftertouch, wodurch sich das erhoffte fluffig-flüssige Spielgefühl für Melodien und Harmonien ergibt. Hinzu kommen Keyboard-klassische Drehränder für eine Modulation sowie den Pitchbending-Effekt, sodass sich diese Klangveränderungen ganz organisch einstreuen lassen. Aufgrund des 1-m-Langformats sind die MPC-Bedienelemente etwas anders angeordnet als bei den quadratischen Groove-Kisten. Mittig steht der aktuelle Touchscreen mit knapp 18 cm Diagonale, rechts daneben vier berührungsempfindliche Q-Link-Endlosdrehregler mit vier Bänken, sodass sich auf insgesamt 16 Parameter zugreifen lässt. Der Bankschalter steht wiederum eine Spalte weiter rechts, zusammen mit dem großen Haupt-Dial inklusive Pushfunktion für die Touchsreen-Navigation und Dateneingabe. Die äußerste rechte Flanke ist schließlich mit Buttons für die Anwahl der Funktionen in oberster Ebene wie Step-Sequencer, Pads, Sampler usw. belegt, darunter befinden sich die Transportfunktionen für den Sequencer selbst. Links des Touchscreens sind nicht unmittelbar, wie zum Beispiel bei der MPC Live II, die legendären 16 Drumpads mit polyphonem Aftertouch plus frei zuweisbarem Touchstrip angesetzt. Vielmehr wurde dazwischen eine Row eingelassen, die u.a. eine Sektion für den sofortigen Zugriff auf die internen Plug-in-Klangerzeuger und favorisierte Preset-Sounds ermöglicht.
Interne Plug-in-Instrumente
Ab Werk waren bei unserem Testmodell 17 Plug-in-Instrumente über den Screen anwählbar. Warum im Netz so oft die Zahl 25 kursiert, konnten wir nicht so ganz nachvollziehen. Vielleicht werden da die teilweise unter den Plug-in-Oberbezeichnungen abgelegten Einzelinstrumente mitgezählt. Dann aber käme man bereits auf mindestens 27. Wie auch immer, vorhanden sind zum einen die vorab verfügbaren Plug-ins Hype, Mellotron, Odyssey, Solina, der Drumsynth, die Bassline, das Electric Piano sowie der Tubesynth. Hinzu kommt zum einen eine brandneue Plug-in-Sammlung – genannt Fabric – mit den Einzel-Plug-ins Fabric und Fabric XL, einem Fabric Piano sowie Electric Piano. Ergänzt um die ebenfalls frischen Modelle Stage Piano, Stage Electric Piano, Studio Strings, Organ und ein OBx4 FM-Synth. 15 weitere Plug-ins ließen sich auf der zweiten Screenpage über Netzwerk oder Wifi hinzufügen – wir sind gespannt, was da noch kommt. Insgesamt 6.000 Preset-Sounds bringt das Instrument bereits mit. Wer sich noch weiter spezialisieren möchte: AKAI bietet ein riesiges Arsenal an kostenpflichtigen Sound-Expansions aller musikalischen Richtungen auf seiner Website an. Die mitgelieferten Plug-ins stammen großanteilig aus der deutschen Vorzeigeschmiede AIR Music Technology und sind durch die Bank absolut überzeugend im transparenten und zugleich druckvollen Sound. Zudem haben sich die Entwickler*innen alle Mühe gegeben, ihnen ein individuelles und attraktives Gesicht zu verleihen. Was bedeutet, dass sie im Touchscreen fotorealistisch dargestellt werden – so wie man es von Software-Synths oder eben der MPC 2-Desktop-Software am Computer kennt. Die Plug-in-Instrumente lassen sich über den Touchscreen auswählen; das Klangschrauben, sprich die Parameter-Bearbeitung, wird wahlweise über den Touchscreen und/oder per Q-Link-Drehregler und die sonstigen Bedienelemente wie Mod- und Pitch-Wheel oder den Touch-Strip durchgeführt.
Pad- & Sampling-Sektion
Trotz der Keyboardisierung muss man in der Pad- & Sample-Sektion – zum Glück – keine Verschlechterung im Vergleich zu den quadratischen MPCs hinnehmen. Einziger Kompromiss sind die leicht geschrumpften RBG-Drumpads, die mit ihrer 2,5-cm-Kantenlänge denen der MPC One entsprechen. Das Feeling ist jedoch das altbewährte, ebenso sind alle Funktionen zur Sample-Bearbeitung mittels Touchscreen vorhanden. Zoomen, choppen, Tonhöhe verändern, umkehren, Hüllkurve einrichten, Frequenzen anpassen, Stereoposition festlegen – alles pro Sample weiterhin möglich. Auch hier arbeiten der Touchscreen und die Regler angenehm Hand in Hand. Damit die MPC Key 61 die hohe Rechenanforderung aus Sample-Sektion und Plug-in-Synthesizer auch im Live-Betrieb bewältigen kann, rödelt intern übrigens der bewährte Quad-4-Prozessor kombiniert mit 4 GB RAM – Letzteres ist eine Verdoppelung im Vergleich zu jeder anderen MPC. Noch einmal sei in diesem Zusammenhang die vorbildliche rückseitige Anschlussausstattung für Mic und Instrumente genannt. Die Aufnahme hochwertiger Vocal-Passagen und Klang-Samples jeden erdenklichen Ursprungs ist damit sichergestellt. Ablegen lassen sich sämtliche Samples in insgesamt acht Bänken, auf die mit vier Buttons plus Shift direkt zugegriffen werden kann.
Sequencerfreuden und Effektfeuerwerk
Um die Synth- und Sample-Klänge in Reih und Glied zu bringen, steht weiterhin der umfassende Sequencer bereit. Das „Projekt“ ist bei dem MPCS seit jeher die oberste Instanz. Bis den bis zu 128 internen und externen MIDI-Spuren sowie acht Audio-Tracks lassen sich in einer Piano Roll per Finger auf dem Touchscreen organisieren. Eingespielt werden die Noten ganz nach Gusto wechselseitig live über das Keyboard und die Drumpads – ein Step-Sequencer steht zusätzlich bereit. Zahlreiche Spielhilfen steigern die Kreativität und sorgen für harmonische Ergebnisse im Eiltempo. Dazu zählen etliche Autoquantisierungs-Möglichkeiten, ein Arpeggiator, bewährte Note-Repeat-Buttons, der Touchstrip uvm. Parameterveränderungen, die on the fly ausgeführt werden, lassen sich dabei aufzeichnen. Ein absolutes Highlight ist schließlich noch die Effektsektion. Stolze 100 Algorithmen birgt das Instrument, von denen sich für jede Spur bis zu vier als Sends oder Inserts einrichten lassen. Wo welcher Effekt angelegt ist, wird in der Kanal-Mixeransicht auf dem Touchscreen offenbart. Alle Effekttypen aufzuzählen, würde jeden Rahmen sprengen. Von erstklassigen Vocal-Polierern über Kompressoren und Limiter bis hin zu Bitcrushern, Reverbs, Delays und Verzerrern oder auch Röhren- und Turntable-Simulatoren wird praktisch jede klassische und kuriose Erwartung erfüllt.
Fazit
Wer bereits stolzer Besitzer einer aktuellen MPC ist und auf eine Klaviatur Wert legt, wird sich mutmaßlich schon ein Setup mit externem Keyboard zusammengestellt haben. Er wird, zumindest im Studio, bis auf den Standalone-Workstation-Faktor mit integrierten Plug-in-Synthesizern, keinen wirklichen Zusatznutzen spüren. Das ändert sich dann, wenn man seine MPC-Projekte auf die Bühne bringen und mit fliegenden Keyboard-Händen aufbrezeln will. Wer allerdings im Begriff ist, sich ein Studio aufzubauen und auf das MPC-Feeling scharf ist, wird sich mit der MPC Key 61 einen riesigen Gefallen tun. Denn sowohl mit den Pads als auch einer Klaviatur standalone zu arbeiten, bringt schnell andere, befriedigendere Ergebnisse als „nur“ coole Grooves zutage. Für 1.999 Euro hat man seinen ersten Studiobaustein denkbar gut gesetzt.
Aus dem FAZEmag 127/09.2022
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