Nach drei Jahren Pause kehrt der Italiener Alessio Meneghello alias Alan Backdrop zurück auf die Bildfläche und liefert mit „Insane World“ ein irres 32 Tracks starkes Hypnotic-Meisterwerk, das sämtliche Raffinessen atmosphärischer Techno- und Trance-Musik fusioniert. Wir haben ihn zum Interview gebeten.
Hallo Alessio, eine einfache Frage vorweg: Wie bist du auf den Namen Alan Backdrop gekommen?
Es war eine einfache Verbindung zwischen einem Namen, den ich als Kind mochte, und etwas, das an das Konzept der Tiefe erinnert und gleichzeitig einer Situation eine bestimmte Atmosphäre verleihen kann.
Nach einer „langen Lebenspause” bist du gerade mit einem gewaltigen Knall zurückgekehrt. „Insane World” ist eine Sammlung von 32 hypnotischen Meisterwerken. Hattest du ursprünglich vor, sie auf einer einzigen LP zu veröffentlichen? Gib uns einen Einblick in den Produktionsprozess.
Eigentlich war nichts geplant. In den letzten Jahren hat sich mein Leben aufgrund eines Leistenbruchs, der mir massive Ischiasschmerzen verursacht, die nun chronisch geworden sind, stark verändert.
Ich musste jede Art von Plan und Projekt in Bezug auf Musik beiseite legen und auch die Zusammenarbeit mit Freunden und Labels, die mich inspirieren, unterbrechen. Das tat mir sehr leid, aber gleichzeitig fühlte ich mich völlig frei, Musik zu machen, wann und wie ich es wollte.
Wenn man sich gesundheitlich wohlfühlt, kann es gut sein, ein wenig Druck zu haben. Das kann ein Ansporn sein, besonders für einen faulen Menschen wie mich. Wenn es einem gesundheitlich allerdings nicht gut geht, wäre es unsinnig, sich durch die Musik unter Druck zu setzen. Das Leben ist an sich schon stressig genug und der kreative Prozess sollte in erster Linie entspannend sein und Spaß machen.
Bandcamp ist das perfekte Werkzeug, um diesen „Kreis der Freiheit” zu schließen, denn es erlaubt mir, etwas zu veröffentlichen, wenn ich das Gefühl habe, dass es der richtige Moment ist, und das in völliger Unabhängigkeit. Nicht zuletzt erhalte ich dadurch eine sofortige und direkte Unterstützung.
„Insane World” nahm auf diese Weise Gestalt an, indem es den größten Teil der „fragmentierten” Arbeiten der letzten Jahre sammelte und auf einen gemeinsamen Nenner brachte. Es ist nicht wirklich ein Konzeptalbum, sondern eine Sammlung von Tracks und Jams, die meist in einem einzigen Take aufgenommen wurden.
Du sagst, dass Zweifel in den letzten drei Jahren Zweifel deine „vertrauten Dirigenten” waren. Was meinst du damit?
Die Abfolge von Pandemien und gesundheitlichen Problemen hat mir viele Gewissheiten genommen. Am Anfang ist es nicht leicht, sie loszulassen, aber irgendwann, wenn man die Kontrolle über die Ereignisse völlig verloren hat, fängt man schließlich an zu akzeptieren und zu erkennen, dass Zweifel etwas Positives sein können und dass es vielleicht an der Zeit ist, einen Neuanfang zu machen, oder dass es einfach an der Zeit ist, sich von einem falschen Weg abzuwenden. In manchen Momenten muss man aktiv werden und Entscheidungen treffen, in anderen Momenten muss man innehalten und das Leben fließen lassen, versuchen, es nicht zu kontrollieren und die Tatsache akzeptieren, dass man keine Gewissheiten hat.
Bei allen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, ist es das, was ich in diesen Jahren versucht habe, und da die Musik eng mit den Ereignissen des Lebens verbunden ist, ist es offensichtlich, dass sie davon stark beeinflusst wird.
Ein paar Worte zu deinen Anfängen und Inspirationen?
Seit meiner Kindheit bin ich in Pink Floyd verliebt, und als Teenager fühlte ich mich stark von der Eurodance-Musik der 90er Jahre angezogen. Im ersten Jahr der High School entdeckte ich Techno-Musik dank einiger talentierter lokaler DJs, die sonntagnachmittags in den Diskotheken auflegten und Kassetten mit ihren tollen Mixen verteilten. Kurz darauf fielen mir einige geheimnisvolle Kassetten mit der Aufschrift „Goa” in die Hände. Es handelte sich dabei um ein Subgenre des Psy-Trance, etwas sehr Dunkles und Minimales, das ich immer noch nicht genau einordnen kann. Ich war von dieser Musik völlig überwältigt, aber im Gegensatz zu Techno, den ich Jahr für Jahr mit engen Freunden teilen und genießen konnte, war Psy-Trance immer meine kleine, geheime Faszination, die die Leute um mich herum nicht wirklich zu schätzen wussten. Aus diesen Gründen bin ich nie so tief in dieses Genre eingestiegen wie in Techno. Ich bin also immer wieder auf diese Kassetten zurückgekommen, sie waren immer eine parallele Inspiration für mich.
Meine ersten Versuche, Musik zu produzieren, begannen mit 15, nachdem ich von der Software Rebirth RB-338 geflasht wurde. Bald darauf fing ich an, mit Fruity Loops zu arbeiten, hauptsächlich mit Samples, und versuchte, die coolen Techno-Platten sowie diese außerweltlichen Goa-Kassetten zu imitieren. Der Zufall wollte es, dass ich vor Kurzem in einer alten Schachtel einige CDs fand, auf die ich in dieser Zeit viele Tracks gebrannt hatte, und sie brachten mich zum Lächeln. Ich war wirklich überrascht, denn ich hatte erwartet, dass sie viel lächerlicher klingen würden!
Im Alter von 22 Jahren begann ich mit dem Auflegen, weil ich das Bedürfnis hatte, mich musikalisch zu vervollständigen. Ich wollte mehr Musik mit meinen Freunden teilen. Also habe ich mir ein paar Plattenspieler gekauft und angefangen, Vinyls zu sammeln.
Im Laufe der Jahre haben verschiedene Genres verschiedene Phasen meines Lebens geprägt, aber sie haben alle etwas gemeinsam: die Präsenz intensiver Atmosphären und der hypnotisch-progressiven Komponente.
Wie würdest du deine Musik in den Genrekosmos der elektronischen Musik einordnen? Eine Mischung aus hypnotischem Trance und Techno?
Ich bin nicht gut darin, Musikgenres zu klassifizieren, aber im Moment würde ich das wohl so bezeichnen, ja. Sie kombiniert die Strukturen von Techno mit Sounds und Atmosphären der Trance-Musik.
Ich denke, Genres sollten für uns nützlich sein, um miteinander zu kommunizieren und die Suche nach neuer Musik zu vereinfachen, aber sie sollten niemals eine Grenze darstellen. Es ist sehr leicht, sich an der Idee eines Genres festzuhalten.
Wenn man heutzutage über Trance spricht, dominieren vor allem Pop-Mash-Ups und von den 90ern inspirierte Retro-Sounds die Szene. Was denkst du über diesen Trend?
Alles geschieht aus einem bestimmten Grund. Ich habe keine Lust, über das, was wir Trends nennen, zu urteilen.
Da ich die 90er-Jahre selbst miterlebt habe, fühle ich mich mit diesem Trend eher wohl als mit anderen. Auch wenn jedes Massenphänomen seine negative Aspekte mit sich bringt, so gibt es doch immer einen kleinen Kreis von Menschen und Künstlern, die das Beste daraus ziehen.
Welche Clubs und Veranstaltungen, aber auch Labels und Künstler, kannst du empfehlen, um Hypnotic Trance & Techno zu genießen?
Die Auszeit, von der wir anfangs sprachen, resultierte leider auch in meiner Entfremdung von der Clubszene und Veranstaltungen im Allgemeinen. Es ist also klar, dass ich in dieser Richtung keine vernünftige Empfehlung geben kann. Aber was Labels angeht, würde ich auf jeden Fall UTE Records aus Norwegen und Space Trax aus Deutschland empfehlen.
„Insane World” ist am 30. Juni als Self-Release erschienen.
Aus dem FAZEmag 139/09.2023