Alex Bau – Drei Jahrzehnte & das letzte Album der Welt

Er hat einen langen Weg hinter sich. Den sogenannten „Bau-Sound“ kennen Freund*innen solider, basslastiger Tracks, die idealerweise auf Dancefloors stattfinden, rund um den Globus. Diesen hat Alex Bau im Laufe der letzten 30 Jahre mehrfach bereist. Nicht nur aufgrund dieses Umstandes ist er zweifelsohne einer der erfahrensten und renommiertesten Techno-Akteure der Jetztzeit. Seine Diskografie ist lang, seine Releases veröffentlichte Bau auf Labels wie Cocoon, CLR, Sleaze, Harthouse und auf seinem eigenen Imprint CREDO. Nach seinen beiden Langspielern „Bein Wayne Sidorsky“ aus dem Jahr 2010 und „Musick“ aus 2015 folgt mit „Last Album On Earth“ am 1. April nun sein drittes Studioalbum. Wir haben mit ihm über die Studiotage, den Albumtitel, das Format Album und auch über seinen offiziellen FAZEmag-Download-Mix, den er in diesem Monat beisteuert, gesprochen.

Alex, Glückwunsch zum neuen Album.

Danke! Mir geht es aktuell so, wie wohl vielen Künstler*innen. Ich bin froh darüber, dass das Clubleben weitergeht, wobei ich mir natürlich schon meine Gedanken mache, was auf diesem Planeten generell alles so abgeht. Es gab schon geilere Zeiten …

In der Tat. Entspringt dem auch der Titel „Last Album On Earth“?

Die ersten Ideen für das Album sind schon vor der Pandemie entstanden, aber dann blieb erst einmal alles liegen. Das Einzige, das offenbar weiter fortgeschritten ist, ist die Tatsache, dass bei vielen die Bereitschaft, sich einmal ein ganzes Album von vorne bis hinten durchzuhören, kaum noch vorhanden ist. Irgendwie auch klar, die Versuchung zum nächsten Track weiterzuskippen, ist in schnelllebigen Smartphone-Zeiten einfach recht groß. Irgendwie fühlte es sich dann beim Vorankommen mit der Arbeit am Album so an, als würde dieses mein letztes Release im Album-Format werden, es war eine Art Bauchgefühl. Schade eigentlich, aber man fährt manchmal nicht schlecht, wenn man eben auf dieses Gefühl hört. Und das sagte „Last Album On Earth“. Aber wer weiß …

Die Corona-Pandemie hat dein Künstlerdasein nicht nur für eben jene Zeit, sondern nachhaltig geprägt, oder?

Ja. Während der Pandemie habe ich mich eher einem anderen Sound gewidmet, eher ganz deepem Dub- und Ambient-Sound, also quasi gar nichts für die Peaktime-Tanzflächenbeschallung. Warum auch, es gab ja keine vollen Dancefloors, wozu also Musik dafür produzieren. Es hätte mich nur frustriert, fette Tracks zu machen, die dann aber nirgendwo zum Einsatz hätten kommen können. Und abgesehen davon mochte ich diesen superdeepen Dub-Sound schon immer, seit den allerersten Basicchannel-, Maurizio- und Rhythm&Sound-Sachen in den 90er-Jahren. Wenn man dann in dieser Art Musik wieder so tief versinkt, fällt einem verstärkt auf, wie wenig die breite Masse der Technohörer*innen mittlerweile an dieser Ur-Idee von Techno, diesem mentalen, repetitiven und hypnotischen Ansatz, der auch bei Peaktime-Techno durchaus funktionieren kann, interessiert ist. Also genau das, was mich an Techno, sowohl als DJ, als auch als Produzent, immer begeistert hat. Nicht immer nur ein Drop nach dem anderen, sondern nachhaltig und mit Tiefgang, ohne den Drive zu verlieren. Nicht falsch verstehen, ich liebe es nach wie vor, wenn es ordentlich abgeht, aber es muss doch mehr geben, als immer nur auf den nächsten Drop zu warten. Es kommt mir vor, als wäre alles dazwischen wertlos. So wirkt es heutzutage manchmal. Leider.

Könnte dies ein Grund dafür sein, warum von vielen jüngeren DJs gerne Oldschool-Rave und Techno-Sound aus den 90ern gespielt wird?

Ich kann total verstehen, welche Faszination dieser Sound von, sagen wir mal, 1990 bis 1995 oder vielleicht sogar bis 2000 ausübt. Ich bin ihm damals ja selbst verfallen. Ich habe auch gar nichts dagegen, mal die eine oder andere Nummer wieder auszupacken. Ich finde es nur befremdlich, das dann das Spielen dieser Tracks, vor allem, wenn es jüngere DJs machen, als „fresh“ und sogar „innovativ“ bezeichnet wird. Verstehe ich nicht, das gab es doch alles schon einmal. Einerseits ist das natürlich total schön und der Beweis, dass das damals musikalisch sehr nachhaltig, stilprägend und zeitlos war. Aber ging es bei Techno nicht immer darum, immer neu und innovativ zu sein?

Das Format Album hat dich bei diesem Werk beschäftigt. Welche waren in deinem Leben die für dich einflussreichsten Alben, die unter Umständen nur als Ganzes einen Sinn ergeben?

Das ist in der Tat nicht leicht zu beantworten. Spontan würden mir da Manuel Göttschings „E2-E4“, Kraftwerks „Tour de France“ oder auch Depeche Modes „Violator“ einfallen. Aber da gibt es sicher noch unzählige mehr. Ich finde es gerade interessant, dass mir auf Anhieb nur elektronische Musik in den Sinn kommt, wie mir gerade auffällt.

Das Album erscheint auf deinem eigenen Label CREDO. Wie hat sich das Label aus deiner Sicht entwickelt und was sind deine weiteren Pläne und Visionen dafür?

Das Label gibt es ja nun schon seit 2007 und somit gab es in all den Jahren sowohl wilde als auch stille Zeiten. Mittlerweile bin ich da sehr entspannt und habe keine kommerzielle Erwartungshaltung, nur eine rein audiophile bzw. qualitative und geschmackliche. Ich sehe CREDO als Label wie ein Kunstwerk aus Mosaiksteinen. Jeder Track und jedes Release sind wie ein einzelner Mosaikstein, der zwar alleine für sich funktioniert, aber für mich persönlich erst in einem großen Zusammenhang seine volle Wirkung entfaltet. Quasi frei nach Aristoteles: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Und ich habe das Gefühl, es fehlen noch einige Steinchen, um ein Ganzes zu ergeben, auf das ich in 20 Jahren oder wann auch immer zurückblicken kann, ohne das Gefühl zu haben, dass eben noch etwas gefehlt hat.

In diesem Jahr feierst du 30-jähriges DJ-Jubiläum. Drei Jahrzehnte, in denen sich nicht nur die Industrie enorm verändert hat, sondern auch die Musik. Wenn du deine persönliche Zeitreise von 1993 bis heute mit den prägnantesten Meilensteinen beschreiben würdest – sowohl in der Szene als auch für dich als Künstler, wie wäre diese?

Da fallen mir Stichworte ein wie Basicchannel, Axis, Tresor, Harthouse, Frankfurt, Vinyl, Neuton, Omen, Tresor, Panzerhalle, in persönlicher Hinsicht auf jeden Fall auch Sümo-Halle, Flatliner, Silo1, Sven Dedek, CLR, Neuton, DBH Music, Zenit, Cocoon und so vieles, vieles mehr, das hier allerdings absolut den Rahmen sprengen würde. Aber jetzt kann ja jeder mit den genannten Namen bzw. Punkten selbst einmal etwas googeln und eintauchen.

Dein Jubiläum hast du mit einer Mini-EP-Serie gefeiert. Wie entstand die Idee dazu?

Die „Rave Series“ widerspricht stilistisch jetzt zwar genau dem, was ich vorher gesagt habe, Stichwort „Fokus auf Neues“, denn sie haut ja genau in diese Kerbe des „alten“ Rave-Sounds. Ich würde sie daher nicht als superinnovativ, dafür aber als sehr effizient bezeichnen. Im Rahmen meines 30-jährigen DJ-Jubiläums habe ich mir vorgenommen, mal zu meinen Techno-Wurzeln zurückzukehren, bevor mein Album erscheint, das mich quasi wieder ins Hier und Jetzt holt. Ich war einfach auch total neugierig, ob ich den Sound von damals nochmals hinbekomme und vor allem, wie sich der oldschoolige Soundansatz mit den technischen Möglichkeiten von heute, Stichwort Software, anhören würde.

Wie hast du dich und wie haben sich deine Musik und der „Bau-Sound“ in diesen 30 Jahren verändert und entwickelt?

Ich glaube, so viel hat sich da nicht verändert, um ehrlich zu sein. Wer meinen Sound und mich über die Jahre verfolgt hat, der bemerkt schnell, dass ich immer mein „Bau-Ding“ durchgezogen habe. Dieser irgendwie minimalistische, auf Sound im Sinn von Klang sowie auf einen Schuss „Industrial“ und „Ernst“ fokussierte, aber immer druckvolle und Bass-orientierte Techno ist das, was ich bin und was mich ausmacht. Sowohl im Club als auch im Studio.

Let’s get nerdy. Wie hat sich dein Workflow im Studio in den drei Jahrzehnten entwickelt und was waren bzw. sind heute deine Favourites in Sachen Soft- und Hardware?

Der Workflow hat sich nicht wirklich verändert, vor allem durch die Tatsache bedingt, dass ich eigentlich bis zur Pandemie nach wie vor mit Logic auf dem PC gearbeitet habe. Das wurde ja quasi seit Ewigkeiten nicht mehr weiterentwickelt, der Sound ist für mich allerdings noch immer unschlagbar, was DAWs betrifft. Da bin gerne ab und zu die „Extra-Meile“ gegangen. Da kommt einfach nichts ran, und Sound war und ist für mich immer das A und O. Es ist egal, womit der Sound produziert wird, entscheidend ist einzig und alleine, wie er klingt. Seit ein paar Jahren arbeite ich auch gerne mit MuLab von Mutools, das ich im Rahmen eines Unterrichtsprojektes an Schulen kennen- und schätzen gelernt habe. Es kommt echt sehr, sehr nahe an die Logic-Soundqualität heran.

Welche waren die schönsten, aber auch die schlechtesten Momente deiner Karriere bis dato?

Es gab so viele tolle, unglaublich schöne Momente, da will ich eigentlich keinen besonders hervorheben. Aber es berührt einen extrem, wenn z.B. am Ende eines Zehn-Stunden-Sets im Under Club in Buenos Aires Leute mit Tränen in den Augen vor dir stehen und „Gracias“ sagen. Oder wenn du auf einem Festival vor deinem Set auf dem Weg zur Stage an einer anderen Bühne vorbeigehst und dir denkst „Warte mal, das kenne ich doch …“, und dann machst du einen Abstecher und Sven Väth steht vor 10.000 Leuten am Pult und spielt gerade in diesem Moment „Back To Space“ von meinem Album „Musick“ und alle drehen durch. Jetzt bin ich ja schon lange dabei, aber der Sven ist halt der Sven, so etwas ist immer wieder aufs Neue wie ein Ritterschlag.

So war es und so wird es wohl immer sein. In diesem Monat wird dir unser persönlicher Ritterschlag zuteil, du mixt den offiziellen FAZEmag-Download-Mix. Was dürfen die Hörer*innen erwarten?

Also, um es ganz spannend zu machen: Es wird Techno zu hören sein (lacht). Wie bei allen Mixes zwar „nur“ eine Momentaufnahme, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auf jeden Fall ein echtes „Alex-Bau-DJ-Set“, das ausdrückt, wofür ich in Sachen Techno stehe.

Was hast du für 2023 und auch für die nächsten 30 Jahre geplant?

Wie zu Beginn schon erwähnt freue ich mich, dass wir das Nightlife seit letztem Jahr wiederhaben, die Pause erschien wie eine Ewigkeit. Klar werde ich weiter auf Tour gehen, wenn auch nicht mehr in dem Ausmaß wie vor der Pandemie. Aber das ist vollkommen fein und gut so. Ich freue mich derzeit auch sehr auf ein paar Vinyl-Sets, die ich anlässlich meines „Dienstjubiläums“ spielen werde bzw. schon gespielt habe, wie z.B. Anfang Februar zu meiner offiziellen „BAU.30“Nacht. Vinyl all night long, viele langjährige Freunde und Stammgäste der CREDO-Events und auch von davor waren da, das war eine wirklich einzigartige Nacht. Es gibt übrigens auf YouTube auch ein paar Mitschnitte davon. Außerdem habe ich wieder damit begonnen, hin und wieder inkognito Musik abseits von Techno aufzulegen. Also quasi das, was ich vor meiner „Technokarriere“ auch schon gemacht habe. Ich bin da einfach Musikliebhaber und ein Kind der 80er und des Synth-Pop- und Wave-Sounds. Es geht nicht ohne Musik. Und Tennis (lacht).

 

Aus dem FAZEmag 134/04.2023
Text: Triple P
www.facebook.com/alexbauofficial