
Eines der bekanntesten deutschen Electronic-Duos feiert 2024 sein zwanzigjähriges Jubiläum: Digitalism. Anlässlich der Feierlichkeiten gibt es nicht nur ein fantastisches Vinyl-Reissue ihres Debütalbums „Idealism“, sondern auch ein Feature in einer weiteren Ausgabe von „Arbeiten als Duo“. Wir haben mit Jens „Jence“ Moelle und İsmail „Isi“ Tüfekçi über die Studioarbeit gesprochen.
Hey, Jens, hey, İsmail. Welche Umstände haben euch damals zusammengeführt? Vielleicht gibt es zu euren Anfängen ja eine lustige kleine Anekdote oder etwas in der Art.
Jens: Wir haben uns vor über 20 Jahren ganz klischeemäßig im Underground Solution getroffen, einem damals legendären Plattenladen unter House- und Techno-DJs. Isi war Stammkunde und ich habe dort nachmittags nach der Schule ausgeholfen. Als Schüler waren wir damals fasziniert von der Welt der Clubs und elektronischer Musik auf Vinyl. Im Underground Solution konnten wir nicht nur stöbern, sondern auch an den Turntables üben. Eines Tages durften wir dann zusammen bei einer In-Store-Party auflegen und die Geschichte nahm ihren Lauf …
Welche Eigenschaften an eurem Gegenüber habt ihr im Laufe der Zeit am meisten wertschätzen gelernt?
Jens: Trotz der langen Zeit, die wir jetzt schon zusammenarbeiten, kommen wir super miteinander klar, das muss man mal hervorheben. Und da gehören beide von uns zu. Isi hat das große Ganze viel besser im Blick als ich. Ich springe schnell von Idee zu Idee und verliere dann den Überblick.
Isi: Was ich ganz besonders an Jens schätze, ist seine Nerdigkeit. Es ist echt schon sehr bewundernswert, wie schnell er mit dem Gear oder der Software umgehen kann und was er alles da herausholt. Ich liebe seine kreative Art und seinen Input.
Und was geht euch auf den Keks (natürlich mit einem Augenzwinkern)?
Jens: Wenn der Espresso zu bitter ist, weil die Maschine noch nicht warmgelaufen ist.
Isi: Wenn Jens seine Zahnpastatube offenlässt.
Wie regelt ihr das, wenn es wirklich mal zu Meinungsverschiedenheiten kommt?
Jens: Meinungsverschiedenheiten gehören immer mal dazu. Wir haben über die Jahre gelernt, dass Kommunikation alles ist. Wenn nicht drüber gesprochen wird, dann kann man auch nichts aus der Welt schaffen und alle haben schlechte Laune. Zudem ist es unheimlich wichtig, inklusiv zu arbeiten, also anstelle von „entweder so oder so“ einfach alles miteinzubauen. So wird das Resultat erstens viel spannender und zweitens hat sich jeder einbringen können.
Isi, du sprachst vorhin von eurem Gear. Gebt uns doch ein paar Einblicke. Was sind eure größten Schätze?
Isi: Wir haben hier viele alte Geräte stehen, aber besonders rar und wertvoll ist bestimmt unser EMS Synthi A (mit dem Nachfolger hat Brian Eno bei Roxy Music gespielt). Der ist aus den 70ern und in einen Koffer eingebaut; Dachbodenfund in Düsseldorf. Toll ist auch der Teisco F100 Synthesizer, den wir aus Japan bestellen mussten, weil es ihn nirgends mehr gab. Das sind alles Diven … mal geht oder „will“ ein Knopf nicht oder der Sound eiert – aber genau das macht es aus.
Gibt es bei euch einen typischen Studioalltag?
Jens: Unser Studio befindet sich bereits seit „Idealism“ in einem ehemaligen Zivilschutzbunker in Hamburg, mitten in einem vornehmen Viertel – so richtig passt er dort gar nicht rein. Ähnlich beständig ist wohl auch unsere Arbeit im Studio. Natürlich haben sich Abläufe über die Jahre durch unsere Erfahrung und den Technologiewandel verändert, aber im Kern ist alles gleich geblieben. PCs und Sampler bilden das Herz unseres Setups und unsere Energie holen wir durch zahlreiche Espresso-Kaffees pro Tag rein.
Und die Aufgabenverteilung?
Isi: Wir beschreiben das immer als „Kameramann“ (Jens) und „Regisseur“ (Isi). Wirklich strikte Rollen gibt es aber eigentlich nicht mehr. Wir wechseln viel durch und toben uns aus.
Abschließend noch ein paar Worte zum Reissue von „Idealism“?
Jens: Wir sind froh, nach all den Jahren endlich die Rechte zurückbekommen zu haben und das Album auf unserem eigenen Label Magnetism veröffentlichen zu können. Das bedeutet uns sehr viel, denn die LP markiert quasi die Geburtsstunde von Digitalism. Das Album wurde neu gemastert und enthält unveröffentlichtes Material von früher. Die Special-Edition von „Idealism Forever“ kommt mit Gravur, grünem Vinyl und einem exklusiven handgemalten Poster. In London (5. Mai) und Berlin (25. Mai) werden wir „Idealism“ live performen.
„Idealism Forever“ erscheint am 19. April via Magnetism Records. Hier gelangt ihr zur Vorbestellung.
Aus dem FAZEmag 146/04.2024
Foto: Oliver Vonberg
www.thedigitalism.com