AV AV AV – Supergroup

Diese drei bilden sicher keine besonders klischeehafte Boyband: Schon im Opener des Debütalbums „No Statues“ von AV AV AV wirbeln verzerrte Synthesizer-Leads durch einen dystopischen Raum, den basslastige Drum-Patterns und treibende Pulse mit Druck und Kompromisslosigkeit füllen. Das dänische Trio, bestehend aus Eloq, Unkwon und DJ E.D.D.E.H., ist uns schon in der Vergangenheit durch seinen starken Hang zur Experimentierfreude aufgefallen. Die Verbindung aus überdimensionalen, atmosphärischen Momenten und knallenden Grooves prägte bislang ihre auf den Floor fokussierten Releases – nun war es an der Zeit, elektronische Tanzmusik noch etwas weiter zu denken.

„Der kreative Prozess von ,No Statues’ hat jetzt vier Jahre gedauert. Als wir neben unseren Solo-Projekten AV AV AV gestartet haben, wussten wir von Anfang an, dass unser Ziel ein Album ist. Für uns soll ein elektronisches Album eine Reise für den Hörer sein. Es soll harte Banger geben, sphärische Interludes und sanft groovende Tracks. 15 Techno-Tracks einfach aneinander zu reihen, ist doch auch langweilig. Ein Album sollte experimentell und vollgeladen mit kreativen Ideen sein.“

Und so kam es, dass sich drei der profiliertesten Produzenten Dänemarks zusammen Ferienhäuser mieteten, in denen sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen konnten und rund um die Uhr Ideen sammelten, die sie dann später zu Hause im Studio finalisieren konnten. So entstanden hunderte Demos, von denen manche als eigenständige EPs veröffentlicht wurden. Doch der Fokus beim Album lag klar auf cineastisch geschichteten Klangwelten und besonderen Layerings, die sich beim Experimentieren herausbildeten. „Das Experimentieren ist ein wichtiger und großer Part unserer Herangehensweise an Musik: Wir recordeten für das Album ein Schnurren und transformierten es in einen Synthesizer-Sound. Manche Kickdrums stammen aus einem Sound, den wir mit einem Teppich erzeugt haben. Wir lieben so verrückte Ideen; vielleicht beschränken wir uns auf dem nächsten Album und verwenden nur noch bestimmte Sounds als Grundlage zum Produzieren.“

Als die drei nach einer langen kreativen Phase merkten, dass sie schon immens viel Material für ein Album aufgenommen und gesammelt hatten, änderte sich der Workflow – vom Jammen ging es nun zum Finalisieren: Von diesem Punkt an wurde in Studios gearbeitet und Track um Track wurde nach den eigenen Vorstellungen auf höchstes Niveau gebracht. Diese Zeit reflektieren AV AV AV als die anstrengendste, gleichzeitig auch fokussierteste Zeit der Album-Produktion, da von jedem Track etliche Re-Edits und unterschiedliche Arrangements gemacht wurden, bis er ins Konzept passte.

Dieses Konzept geht weit über den musikalischen Rahmen hinaus und transportiert eine politische Botschaft an die Hörer: „No Statues“ ist eine Hymne an die Gemeinschaft und den Zusammenhalt der Menschen. Wir sollten weniger zu bestimmten Individuen hochschauen, denn die Leistung Einzelner beruhe wiederum auf der Leistung von anderen. Genialität sei immer nur eine Kombination von guten, schon bestehenden Ideen. Eloq fährt fort: „Musik und Politik standen schon immer in einem sehr interaktiven Verhältnis zueinander. Als Musiker haben wir eine Stimme und auch ein Publikum dafür. Wer sich die Geschichte ansieht, kann beobachten, dass Musik stets eine große Rolle bei gesellschaftlichen Transformationen spielte, sei es eine friedliche oder eine eher krawallorientierte. Auch wir denken oft darüber nach, in welcher Welt wir gerade leben, und tauschen uns darüber aus. Nach vielen verrückten Ereignissen in den letzten fünf Jahren mussten wir endlich was sagen. Dafür steht ,No Statues’.“

Kein Wunder, dass sich bei den drei Dänen in den nächsten Monaten alles um das neue Debütalbum dreht. Listening-Sessions, Release-Partys und viele Shows stehen auf dem Plan, doch ihr bisher größtes Unterfangen wartet Anfang nächsten Jahres auf sie: Am 26. Januar performen sie mit einem 72-köpfigen Orchester Tracks aus „No Statues“ in Kopenhagen und transformieren ihren Sound in eine riesige Sinfonie. Das sind doch noch Ziele!

 

Aus dem FAZEmag 093/11.2019
Text: Bastian Gies
Foto: Dennis Morton