
Eine ehemalige Obdachlose hat im Gespräch mit The Berliner über ihr Leben auf der Straße und ihre heutige Tätigkeit als Stadtführerin gesprochen. Gemeinsam mit der Initiative querstadtein führt sie Besuchergruppen durch das Umfeld des Berghains – jenen Ort, an dem sie selbst drei Jahre lang lebte.
Die Schwedin und floh nach Berlin, nachdem sie mehrfach Opfer häuslicher Gewalt geworden war. In der Nähe des Clubs sammelte sie Pfandflaschen, um zu überleben. „Ich habe nach den Clubnächten immer Flaschen gesammelt. Die Leute haben immer getrunken, und es entwickelte sich eine Art System“, sagte sie im Interview.
Ihre Tour trägt den Titel „Leben im Schatten des Berliner Nachtlebens“ und ist Teil des Programms „Obdachlosigkeit und Leben auf der Straße“. Sie zeigt dabei Orte, an denen sie schlief oder arbeitete, und schildert, wie sich die Techno-Szene unbewusst mit ihrem Alltag kreuzte. „Ich ging nie in die Clubs, aber ich lebte in ihrem Schatten“, so Miriam.
Während der Pandemie errichtete sie auf einer Wiese in der Nähe des Berghains eine provisorische Unterkunft. Laut der Frau zeigte das Bezirksamt damals Verständnis. „Man sagte uns, wir sollten versuchen, alles sauber zu halten und nichts dauerhaft zu machen. Dann brachte man uns eine Toilette und Toilettenpapier.“
Die Organisation querstadtein wurde 2013 gegründet und bietet Stadtführungen an, die von ehemals Wohnungslosen oder Geflüchteten geleitet werden. Ziel sei es, wie Projektmanager Clemens Poldrack erklärte, Betroffenen selbst eine Stimme zu geben. „Wir beobachten, dass der politische Diskurs immer rechtsgerichteter und antisozialer wird. Unser Ziel ist, Menschen selbst sprechen zu lassen.“
In Deutschland sind laut Regierungsangaben über eine halbe Million Menschen obdachlos, rund 50.000 davon leben im Freien. Ein Drittel stammt aus anderen EU-Ländern. Miriam erklärte im Interview, dass viele Fälle ungezählt bleiben. „Wohnungslosigkeit bedeutet, dass Menschen auf Sofas übernachten und zwischen Orten wechseln. Das bleibt oft unsichtbar.“
Neben dem Leben auf der Straße spielte auch Kunst eine Rolle für sie. Miriam erzählte, dass sie Kreidezeichnungen anfertigte, Flaschen arrangierte und Gitarre spielte, um Passanten anzusprechen. Diese kreativen Ausdrucksformen hätten ihr geholfen, Kontakt zu anderen zu finden und sichtbar zu bleiben.
Heute hat Miriam eine feste Unterkunft. Sie sagt, das habe ihr ermöglicht, ihr Leben zu stabilisieren. „Ich habe seit neun Monaten nichts getrunken. Auf der Straße hätte ich das nicht geschafft.“ Ihre Erfahrungen nutzt sie nun, um ein Bewusstsein für Wohnungslosigkeit in Berlin zu schaffen – auch im Schatten des bekanntesten Clubs der Stadt.
Quelle: The Berliner
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