Blaues Rauschen – diverse Locations in Dortmund, Essen, Bochum

Drei Städte, sechs Tage, 24 Acts. Das Festival Blaues Rauschen ist kein gewöhnliches Event – das sei an dieser Stelle schon einmal verraten. Denn auch bei der dritten Ausgabe des Festivals trennen die Macher erneut die Spreu vom Weizen. Alles dreht sich um Musik- und Klangereignisse, Performances, Kultur und Kunst. Und das auf sowohl nationaler wie internationaler Ebene. Die Verschmelzung von digital und analog auf höchstem Niveau verbindet audiovisuelle Darbietungen, Vorträge, und Konzerte. Letztere folgen im 20-Minuten-Takt und nahezu ohne zwischenzeitliche Unterbrechung. Die Tageskarte könnt ihr euch zum günstigen Preis von 15 EUR sichern. Viele weiterführende Infos findet ihr auch auf der oben genannten offiziellen Veranstaltungs-Website. So, und bevor wir hier und jetzt lange um den heißen Brei reden, kommt hier und jetzt das gesamte Programm:

Samstag, 25. September 2021 · Bochum, Rotunde, Konrad-Adenauer-Platz 3

Legierungen

Den Auftakt des Festivals machen am Abend des 25. Septembers drei Experimente zur Verschmelzung digitaler und analoger Sound- und Videotechnik. Das Duo BBB_ konfrontiert das Publikum in „Songs of Cyborgoise“ mit utopischen und dystopischen Welten, in denen die Grenzen zwischen dem Menschlichen und dem Digitalen zu verschmelzen scheinen. Electric Indigo aka Susanne Kirchmayr nutzt die digitale Entmaterialisierung und verschmilzt virtuelle Metallmoleküle in einer akustisch-visueller Mediaperformance zu einem ressourcenschonenden “Industrial”-Sound mit einem Minimum an Energieverbrauch. In „Optical Machines“ kombiniert Rikkert Brok* Licht und Klang zu unberechenbar erscheinenden Neukreationen.

*in Kooperation mit FAQ Festival for Electronic Music (NL)

Wald und Klang

Dürre, Brände, Ruhe, Bäume, Ressource, Klima, Klang, Tiere, Holz, Wild, Natur, Atmosphäre …

Mit den Ohren den Wald erkunden. Ästhetische Erfahrungen sammeln. Collagen und Kompositionen entwickeln. In der Rotunde werden fünfminütige Hörstücke von verschiedenen Künstler*innen vorgestellt.
 

Mittwoch, 29. September 2021 · Bochum, atelier automatique, Rottstraße 14

Transaktion/Korrelation

Beziehungen wahrnehmen, spürbar machen und dadurch neue Perspektiven erfahren: Im Bochumer “atelier automatique”, einem Ort künstlerischer und queer-feministischer Begegnungen, spinnen vier Acts rhizomatische Netze, die Begegnung und Korrelation thematisieren. Tänzerin Hyun Jin Kim untersucht in ihrer Performance, wie der neue digitale Körper angesichts eines zunehmenden medialen Overflows kommuniziert. Über sichtbare Bindungsgefüge hinaus macht das Duo Freya Hattenberger/Peter Simon in einem bioakustischen Experiment auch auf Beziehungen zu nicht-humanen Lebewesen aufmerksam. Die Bratschistin Julia Eckhardt* lenkt uns in ihren hybriden Stimmassemblagen zurück zu den affektiven Qualitäten von Sprache und Klang und lässt sich von diesen zu instrumentellen Improvisationen animieren. Caroline Profanter* webt das Publikum in ein Netz mikrotonaler Feedbacks ein, bis nicht mehr zwischen Ursprung und Echo zu unterscheiden ist.

*in Kooperation mit Q-02 workspace for experimental music and sound art (B)

Donnerstag, 30. September 2021 · Dortmund, Mex-Keller/Künstlerhaus, Sunderweg 1

Mex Appeal goes Blaues Rauschen: Exploring Borders

Die Abende im Keller des Dortmunder Künstlerhauses sind legendär; intermediale und experimentelle Musikprojekte prägen die einzigartige Reihe Mex Appeal. So wird auch die Begegnung von Blaues Rauschen und Mex Appeal zu einem kontrastreichen Abend, der die Grenzen zwischen Klang, Hören, Performance, Musik und Material bewusst übertritt: Miki Yui führt uns in ihr solargetriebenes Kunstlabor und bringt Natur und Technik in Dialog. Liz Allbee überschreitet die Grenzen der reinen Physik der Ventiltechnik ihrer Trompete mit Hilfe elektronischer und digitaler selbstkonstruierter Erweiterungen. Und Wei Kang Beh erzeugt durch Verschiebung eines graphisch animierten Objekts einen intermedialen Energiefluss von Bild und Klang.
 

Freitag, 1. Oktober 2021 · Essen, Hotel Shanghai, Steeler Straße 33

Dichotomie – Natur/Kultur

Der Blick auf fortschreitende Umweltzerstörung und Klimawandel erschüttert unser Verständnis davon, was naturgegeben ist und was künstlich geschaffen wurde. Wie sinnvoll ist unser Wirken angesichts dieser Fragen? Echo Ho, Bellchild und Ozan Tekin diskutieren diese Thematik, indem sie natürlich vorkommende und willkürliche Klänge und Klangfolgen in Kompositionen einbinden und sie mit synthetisch erzeugten Sounds verschmelzen. Die Gruppe Moment inszeniert die Wechselwirkung von Mensch/Maschine und Künstler*innen/Publikum.

Samstag, 2. Oktober 2021 · Dortmund, Tresor-West, Phoenixplatz

Transmissionen

Wir schließen die Augen, um ungewollten Eindrücken zu entgehen. Mit den Ohren ist das nicht so einfach möglich – man kann nicht “nicht hören”. Drei Künstler*innen versuchen an diesem Abend, die Durchlässigkeit unserer mentalen Membran auf die Probe zu stellen. Der Schweizer Bit-Tuner führt dabei in eine von Zweifeln und Irritationen geprägte Welt, die als Film mit entsprechendem Soundtrack erlebbar wird. Rasmus Nordholt-Frieling durchdringt verschiedene musikalische Genres und Epochen und konstruiert aus seinen heterogenen klanglichen Materialien einen ganz eigenen Groove-Kosmos. Pan Daijing konfrontiert das Publikum mit düsteren Drones und stolpernden Patterns und dem Unbehagen einer dystopischen Vision, die in unsere Sinne diffundiert.

Sonntag, 3. Oktober 2021 · Essen, Galerie Gublia, Kreuzeskirchstraße 3

Algorithmic Composition & Distribution

Eine unerwartete Rasanz in Bezug auf die Wichtigkeit und Nutzung digitaler Mittel prägt in den vergangenen Monaten das Leben – um zu arbeiten, zu kommunizieren und nicht zuletzt auch um künstlerische Werke zu distribuieren. Mit zwei Lecture-Performances von Enrique Tomás und Balázs Kovács will BLAUES RAUSCHEN die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie und inwieweit sich technische Entwicklungen und künstlerische Optionen bedingen, beeinflussen und alternativ nutzen lassen können.

Auch in der Galerie Gublia wird das Projekt „Wald und Klang“ vorgestellt. Blaues Rauschen hat dazu zehn internationale Künstler*innen aus den Bereichen ars acustica, Klangkunst oder Soundcollage eingeladen, fünfminütige Arbeiten zum Thema “Wald und Klang” einzureichen.

Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei.

Sonntag, 3. Oktober 2021 · Essen, Casa/Box des Schauspiel Essen, Theaterpassage, Theaterplatz 7

Control

Technische Entwicklungen erweitern die Möglichkeiten künstlerischer Produktion und die Interaktion zum Publikum. Wie wir mit unserem Verhalten die Kontrolle über uns selbst und auch unsere technische Umgebung behalten, untersuchen die drei Live-Performances und eine Soundinstallation.

Irritation, Erregung und Beruhigung – emotionale und physiologische Parameter steuern die klanglichen und visuellen Elemente von Claudia Robles-Angels Performance SKIN. Das Trio die ANGEL nutzt Technologie, um diese zu hinterfragen: Instrumente werden dabei “missbraucht” und der Feedback-Sound ist hier nicht nur Klangphänomen, sondern auch interaktives Moment zwischen den drei Künstler*innen. Die Australierin Jasmine Guffond unterwandert allgegenwärtige Überwachungstechniken und bringt Datenströme des Trackings zum Klingen – eine brodelnde, desorientierende Reise zwischen Ambient-Club-Musik und dystopischen Soundtracks. Graphic-Artist Ilan Katin animiert dazu live aus Patterns und gezeichneten Formen. Und in der interaktiven Installation „SoundVision“ von Max Schweder werden wir selbst zum Bestandteil eines virtuellen Images.

 

Aus dem FAZEmag 115/09.21
Text: Torsten Widua
Foto: Sandra Stein
www.blauesrauschen.de/