Bob Moses – Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Credit: Tommy Lundberg

Als wir das letzte Gespräch mit Tom Howie und Jim Vallance führten, waren sie vor nicht mal einer Woche im August 2020 in ihrer neuen Wahlheimat Los Angeles angekommen. Statt Umzugskartons ragte diesmal die noch leere South Side Music Hall in Dallas, Texas, hinter dem wohl derzeit gefragtesten Duo der Szene hervor. Dort spielten die beiden das fünfte Konzert in sechs Tagen ihrer neuen Tour, die das neue Werk „The Silence in Between“ begleiten soll und Bob Moses im Herbst/Winter auch in europäische Gefilde bringen wird. Und auch wenn sich ihr Erfolg bereits vor rund zwei Jahren abzeichnete, ist das derzeitige Ausmaß an Popularität mindestens beeindruckend. Das neue Album wird dem mit dem Grammy Award ausgezeichneten Duo sicherlich nicht weniger Reputation einbringen.

Denn auf den insgesamt zehn Titeln heben die aus Vancouver stammenden Tom und Jim das volle Potenzial ihrer in den letzten Jahren so etablierten soundtechnischen Fusion aus Elektro und rockigem Synthie-Pop. Beeinflusst wurde das neue Werk von zahlreichen Faktoren, erzählt Tom: „Dieses Album zu machen, war für uns eine Möglichkeit, das Erlebte zu verarbeiten und herauszufinden, wie es mit uns generell weitergehen soll. Wir haben während der Pandemie einen guten Freund verloren, ich habe mein erstes Kind bekommen, Jimmys Eltern haben sich scheiden lassen und es gab, wie wir alle wissen, so viele weitere weltbewegende Dinge, die um uns herum passiert sind.“ Dazu kollaborierte das Duo mit zahlreichen Gastmusiker*innen, vornehmlich via Zoom. So wie auf dem Titel „Love Brand New“ zum Beispiel: „In dem Song geht es darum, frisch verliebt zu sein und dabei zu versuchen, sich nicht zu verlieren, während man sich durch die Welt bewegt und sich fühlt, als würde man alles zum ersten Mal sehen. Wir haben ihn mit unseren Freunden Michel Zitron und John Martin geschrieben und es war großartig, weil beide Parteien in ihrem gewohnten Studio sitzen konnten und man digital dennoch so verbunden war, um gemeinsame Sache zu machen.“

Während das vorangehende Werk aus 2020 bereits vor den Geschehnissen rund um Covid-19 fertig war, ist das jetzige Album inmitten der Pandemie entstanden: „Unser letztes Konzert haben wir am 7. März 2020 gespielt und eigentlich war geplant, dass wir eine zweimonatige Pause einlegen, um das Album zu schreiben und danach sofort wieder auf Tour gehen. Was daraus geworden ist, wissen wir alle. Wir waren gerade so fertig, unser neues Studio einzurichten, als die gesamte Welt nur wenige Tage später in einen kompletten Lockdown ging.“ Danach folgten intensive Emotionen und Gefühlslagen wie Unsicherheit, Angst, Selbstzweifel: „Leute, mit denen wir bis dato jahrelang gearbeitet hatten, wurden plötzlich entlassen. Wir haben uns ernsthaft gefragt, ob wir nach der Pandemie überhaupt noch in der Lage sein würden, Musik zu machen. Wir waren fast neun Jahre ununterbrochen unterwegs und plötzlich wurde einem der Boden unter den Füßen weggerissen.“
Nach einigen Wochen kehrte jedoch Vertrauen zurück – in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten: „Irgendwann haben wir festgestellt, dass diese Auszeit einer Art Segen gleicht, in der wir uns endlich mal in Ruhe hinsetzen und über einige Dinge klar werden konnten. Dinge, über die in der Eile oftmals keine Zeit blieb bislang. Es war eine magische Zeit, keine Deadlines erfüllen zu müssen. Wir haben gespürt, wie die Kreativität immer mehr einsetzte. Wir sind dadurch viel tiefer in den Kontext des Schreibens gelangt, als das sonst der Fall ist.“ Dieser Umstand, der mit einem gehörigen Maß an Authentizität daherkommt, ist auf dem neuen Werk deutlich zu spüren. Generell empfinden die beiden laut eigener Aussage eine deutliche Entwicklung in ihrem Sound, verglichen zu ihrem Debüt „Days Gone By“ aus 2015. Dies sei auch den Fans geschuldet, die sich musikalisch heute mit wesentlich mehr Genres identifizieren können: „Als wir angefangen haben, Musik zu machen, wollten wir die Grenzen zwischen elektronischer Musik und Songwriting, Rock ’n‘ Roll und Indie verwischen und einen Weg finden, unsere größten Vorlieben zu verschmelzen. Wir sind sehr glücklich, dass unsere Audienz einen solch breiten musikalischen Horizont hat und uns die Möglichkeit gibt, unseren Plan in die Tat umzusetzen. So viele unserer Hörer*innen würden abends auf ein Konzert von den Strokes gehen und danach in einen Techno-Club. So war es in Berlin, so war es in New York und so ist es auch hier in Los Angeles. Diese Lagerbildung, die es oftmals gab und noch immer gibt, scheint sich immer mehr aufzulösen. Ganz zu unserer Freude. Ich glaube, wir konnten unseren Sound über die Jahre hinweg ganz gut positionieren und die Leute haben immer besser verstanden, worum es uns dabei ging. Ohne, dass wir dabei künstlich oder zu gewollt klingen, so wie es unter Umständen auf unserem Debüt-Album noch hier und da der Fall ist.“

Dazu beigetragen hat sicherlich auch ihr Cercle-Set, das bis dato rund eineinhalb Millionen Mal angesehen wurde. Die Emotionen, die Bob Moses auf ihrer seit Ende März gestarteten Tour dieser Tage erleben, sind jedenfalls enorm, wie sie ausführen: „Konzerte zu spielen und uns mit dem Publikum zu connecten, ist Teil unseres Seins, unserer DNA. Das hat uns natürlich extrem gefehlt, wie so vielen wahrscheinlich. Die Tatsache, dass, egal, was in deinem Leben aktuell vor sich geht, du einfach in einen Club oder eine Konzert-Venue gehen kannst und deinen Alltag vor der Tür bleibt, ist ein wichtiger sozialer Aspekt, den eine ganze Generation monatelang entbehren musste. Daher sind wir sehr froh und glücklich, dass die Welt gerade wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehrt. Wir können gar nicht in Worte fassen, wie glücklich wir sind, unsere Fans wiederzusehen. Wobei es sich in den letzten Tagen oftmals angefühlt hat, als würden wir auf gänzlich neue Fans stoßen. Wir haben das Gefühl, dass wir während der Pandemie tatsächlich bekannter wurden. Das ist alles ziemlich surreal und wir genießen gerade wieder jede Sekunde auf der Bühne. Dafür leben wir.“ Ihre Show präsentieren Tom und Jimmy als vierköpfige Band, dabei bleiben sie konzeptuell in der Nähe des Club-Kontextes: „Wir haben Parts für die Übergänge zwischen den Songs geschrieben, sodass die Show als eine Art DJ-Set mit einer Menge Dynamik gleicht. Wir freuen uns wahnsinnig auf die kommenden Shows und natürlich auch auf die in Europa.“

Aus dem FAZEmag 122/04.22
Text: Triple P
Credit: Tommy Lundberg
www.instagram.com/bobmosesmusic