Boom Shankar – Musik ist die Sprache der Seele

Sein Name ist in der weltweiten Psytrance-Szene seit Jahren bekannt, denn Boom Shankar hat definitiv ein magisches Gespür dafür, den Sound aufzulegen, der direkt unter die Haut geht – nicht ohne Grund findet man seinen Namen in den Line-ups internationaler Festivals. Obendrein hat er im Studio schon mit so ziemlich allen großen Künstlern dieser Szene zusammengearbeitet. Wir freuen uns sehr, dass er sich die Zeit für dieses Interview genommen hat und wir mehr über den Labelchef von BMSS Records erfahren dürfen.

Armin, erzähl uns doch, wann und wo deine musikalische Laufbahn begonnen hat.

Schon als 7-Jähriger habe ich meine ersten Mixtapes aufgenommen, das war natürlich nur eine Aneinanderreihung von Tracks, die mir damals gefallen haben, aber da habe ich schon gemerkt, dass mir dieses Thema Freude bereitet. 1995 bin ich dann als Teenager zum ersten Mal mit der damals noch als „Goa Trance” bezeichneten Szene in der Schweiz in Kontakt gekommen und ab da war mir eigentlich schon klar, dass ich das, was ich in den unterschiedlichsten Szenen gesucht hatte, endlich in dieser Szene gefunden habe. Die Musik stand da ehrlicherweise an zweiter Stelle; was mich so in den Bann gezogen hat, waren primär die Vielseitigkeit und die Toleranz innerhalb dieser Family. Der Großteil der Leute war über 30 und ich wurde als 15-Jähriger genauso willkommen geheißen wie jeder andere auch. Des Weiteren gab es diese Fashion noch nicht, also, es hat keinen interessiert, was du getragen hast oder welche Frisur du hattest. Du hast den Weg zu der Party gefunden – gar nicht so einfach damals – und dementsprechend warst du willkommen. Zwei Jahre später habe ich dann selbst mit dem Auflegen angefangen, da ich das Bedürfnis hatte, nicht nur zu konsumieren, sondern auch was zu der Szene beizusteuern. Der Rest ist Geschichte.

War für dich schon immer klar, dass du mit Musik deinen Lebensunterhalt bestreiten möchtest?

Überhaupt nicht. Für mich war das immer die Leidenschaft. Es hat mir einfach so viel Spaß bereitet, zu spielen und die Leute zum Tanzen zu bringen – der Gedanke, dass ich damit mal meinen Lebensunterhalt bestreiten könnte, wäre auch zu abwegig gewesen, da Goa-Trance damals noch im Underground beheimatet war und dementsprechend die Gagen auch nicht zum Überleben gereicht hätten. Deswegen habe ich auch studiert, „safety first“, aber auf einmal ging das mit der Karriere steil nach oben und ich konnte die Entscheidung treffen, es zumindest zu versuchen. Dann hat es geklappt und ich bin froh darüber, dass ich damals dieses Risiko eingegangen bin.

Was war der Antrieb, DJ statt Produzent zu werden?

Ich sehe mich selbst als DJ und nicht als Produzenten. Ich habe mich zwar schon des Öfteren zusammen mit versierten Produzenten an Tracks gemacht, aber das ist nicht meine Art und Weise, mich musikalisch auszudrücken. Das, was ich am DJing liebe, ist das kreative Erschaffen im Moment, die Möglichkeit, mit meinen Tools einen bestimmten Zeitpunkt auf einer Party oder einem Festival mit dem passenden Soundtrack zu versorgen. Die Bandbreite an Möglichkeiten, die einem durch die Vielzahl an Tracks gegeben sind, umfasst das gesamte Spektrum an Emotionen – und ein Set, das im Studio vielleicht fett klingt, funktioniert meistens nicht genauso gut auf dem Floor. Als DJ kannst du dein Set als Spiegelbild der Atmosphäre und der Vibes auf dem Floor wirklich im Moment erschaffen, du kannst auf die Emotionen und Bedürfnisse der Crowd voll eingehen und einen Dialog mit dem Dancefloor kreieren, der sich von dem typischen Monolog eines Live-Acts erfrischend absetzt. Durch diese komplette Improvisation hat man meiner Meinung nach einen viel größeren Einfluss auf den Vibe und die Emotionen des Dancefloors – und das ist neben der Tatsache, dass ich lieber live auf einer Stage arbeite, als im Studio tagelang an ein paar Loops herumzuwerkeln, der Hauptgrund dafür, dass ich mich gegen das Produzieren und für das DJing entschieden habe.

Dein eigenes Label heißt BMSS Records. Aus welchem Grund hast du es gegründet?

BMSS Records war einfach die logische Konsequenz aus unserem bis dato eher auf das Organisieren von Partys ausgelegten Crew-Konzept. Wir hatten damals schon ein großes globales Netzwerk, das Gatherings in Ländern wie Deutschland, der Schweiz, aber auch in Thailand, in den USA und Malaysia veranstaltet hat. Zu jeder lokalen Crew gehörten dann natürlich auch DJs und Produzenten in den jeweiligen Ländern und es machte einfach Sinn, diese Talente unter einem Dach zu bündeln und dann zu fördern. Das ist auch immer noch der Hauptgrund dafür, dass ich BMSS Records betreibe: Ich möchte Talenten, an die ich glaube und die meiner Meinung nach eine Botschaft haben, die im Einklang mit meinem persönlichen Musikgeschmack steht, eine Plattform bieten, auf der sie ihre Kunst der globalen Crowd präsentieren können. Des Weiteren hat mich damals auch diese „Schubladisierung“ gestört, also die Tatsache, dass ein Label immer nur den Sound eines bestimmten Subgenres releast – das ist meiner Meinung nach ziemlich konträr zu der ursprünglichen Philosophie der Vielfalt, die damals Goa-Trance ausmachte. Mit BMSS wollten wir eben die Perspektive erweitern und Musik aller Subgenres, die uns ansprechen, eine Möglichkeit geben, global wahrgenommen zu werden. BMSS steht für „Brother Moon Sister Sun“, also die Dualität, Tag und Nacht, hell und dunkel etc. Es ist also eine holistische Herangehensweise an die Release-Philosophie, die wir mit dem Label zu realisieren versuchen.

Du bist nebenbei auch Promoter verschiedener Veranstaltungen, Teil der Orga-Crew des S.U.N. Festivals in Ungarn. Wie kam es dazu und was genau zählt dort zu deinen Aufgaben?

Ich glaube, der Grund, warum ich Teil dieser Festivals und Partys geworden bin, ist der gleiche wie bei dem Label: die Möglichkeit, einen Einfluss auf die Szene zu haben, Artists zu fördern, an die man glaubt, und ihnen die Möglichkeiten zu geben, ihren Sound einem großen internationalen Publikum zu präsentieren. Außerdem ein Festival so zu gestalten, wie es meiner Philosophie entspricht, den Fokus auf das zu legen, was ich als wichtig und essenziell für unsere Szene betrachte, und das auszulassen, was eigentlich konträr zu unserer ursprünglichen Feierkultur ist. Viele Festivals sind heute nicht mehr aus ideologischen Gründen so, wie sie sind, sondern sie sind das Resultat einer auf Gewinn ausgelegten Industrie, die die Psytrance-Kultur als weitere Möglichkeit der kommerziellen „Ausbeutung“ ansieht. Mit Festivals wie dem S.U.N. in Ungarn gehen wir den Weg zurück zu den Wurzeln, weg von der Gewinnoptimierung, hin zu einem nicht auf Profit basierenden Konzept, das alle Teilnehmer demokratisch an dem Gestaltungsprozess des Festivals teilnehmen lässt und ihnen dann die Möglichkeit gibt, zu entscheiden, ob mit dem verfügbaren Budget eine neue Straße auf dem Gelände errichtet oder es in ein neues Soundsystem investiert wird. Des Weiteren verzichten wir auf die ganzen Headliner, die sich sonst auf jedem Festival die Klinke in die Hand geben, und geben Newcomern oder auch etablierten Künstlern, die nicht diesem Ego-Drive verfallen sind, bevorzugt einen Slot auf dem Timetable – getreu dem Motto „We are one”, keiner ist mehr wert als der andere. Das vermisse ich heutzutage bei vielen Veranstaltungen; so versuchen wir es dann eben bei Festivals wie dem S.U.N. oder auch der Belantara in Malaysia wieder zu etablieren – und der Erfolg zeigt uns, dass das etwas darstellt, was auch viele, vor allem ältere Mitglieder unserer Szene vermissen.

Es gibt kaum ein Land, in dem du noch nicht gebucht wurdest. Gibt es denn ein Event, das noch auf deiner Wunschliste steht?

Vor vielen Jahren habe ich Zentralasien bereist, war in Kirgistan, Kasachstan und Usbekistan. Schon da dachte ich mir, es wäre ein Traum, in diesen Ländern zu spielen, gerade da ihre ursprünglich nomadische Kultur, die auch stark von Schamanismus geprägt ist, eine Schnittmenge mit unserer Szene darstellt. Nächstes Jahr werde ich zum ersten Mal in der Mongolei spielen, einem Land, das mich immer schon fasziniert hat und in dem der Schamanismus auch stark ausgeprägt ist. Also, dieser Traum, sich zu verwirklichen, ist schon dabei. Außerdem würde mich Nordkorea extrem reizen, gerade durch die Erfahrung, die ich in China gemacht habe, dass Musik wirklich einen großen positiven Einfluss auf die Kultur und Gesellschaft haben kann.

Was war dein schönster Moment in deiner Karriere?

Das, was mich an unserer Szene so fasziniert, ist gerade die Vielseitigkeit, die Originalität und auch die Internationalität. Deshalb fällt es mir nicht leicht, den schönsten Moment herauszupicken. Im April hatte ich zum Beispiel meine fünfte Tour durch China, war kurz davor in Australien und Neuseeland unterwegs, davor in Thailand und Malaysia, und jede Reise stellt wirklich eine Bereicherung dar, da man eben nicht nur aus der Touristen-Perspektive die Länder kennenlernt, sondern auch durch die Einheimischen einen ganz anderen Einblick bekommt. Ich habe vor meiner Karriere kulturelle Anthropologie studiert und dadurch ist das Reisen, das Kennenlernen und Erleben von neuen Kulturen, auch eine praktische Erweiterung meines Studiums. Dennoch gibt es natürlich auch diese besonderen Gigs, die einem immer in Erinnerung bleiben werden: Als ich 2011 das erste Mal auf der Ozora war oder 2012 auf dem Return of the SUN in Israel; meine Auftritte auf der Fusion gehören auch dazu, genauso wie das Ometeotl-Festival in Mexiko oder die Psytribe-Partys in Kalifornien. Schwierig, da einen Moment oder einen Gig herauszupicken, da doch jeder seinen eigenen speziellen Charakter hat und auf seine eigene Art und Weise ein unverwechselbares Highlight darstellt.

Was bedeutet deine Musik für dich?

Für mich persönlich ist sie eine Möglichkeit, mich auszudrücken, mein Innerstes nach außen zu kehren. Musik stellt so gesehen für mich eine Sprache dar, eine Sprache der Seele, der Emotionen und des Herzens – so ist sie ein starkes Tool, um meiner Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Des Weiteren ist sie eine universelle Sprache, die jede Kultur in sich trägt, sie stellt also eine Möglichkeit dar, mit Menschen in Kontakt zu treten und dieselbe Sprache zu sprechen, die einen anderen kulturellen Background haben.

 

Aus dem FAZEmag 090/08.2019
Text: Jeanette Leiendecker
Foto: Joffrey Hyman