
Im pulsierenden Schmelztiegel der elektronischen Clubszene, Deutschland, thront ein wahrer Tempel: das Bootshaus in Köln. Seit zwei Jahrzehnten ist dieser einzigartige Ort nicht nur ein Symbol für exzellente Feierkultur, sondern auch eine Institution, die weltweit für ihre unvergleichliche Atmosphäre und erstklassige Line-ups bekannt ist. Mit seinem 20-jährigen Jubiläum in diesem Jahr bietet das Bootshaus nicht nur die Gelegenheit, auf eine glanzvolle Vergangenheit zurückzublicken, sondern auch einen Ausblick auf eine Zukunft, die ebenso elektrisierend ist wie die Beats, die jede Nacht die Mauern dieses legendären Clubs durchdringen. Im Rahmen eines exklusiven Interviews mit Eigentümer Fabian Tyhlmann werfen wir einen Blick hinter die Kulissen dieses kulturellen Wahrzeichens, um zu erfahren, was das Bootshaus zu einem der renommiertesten und besten Clubs der Welt macht und wie das Team seine Event-Reihen auch weit außerhalb der Domstadt bekannt gemacht hat.
20 Jahre Bootshaus – viele der heutigen Gäste waren 2004 nicht einmal geboren. Wie entstand die Idee und was waren die Anfänge des Clubs?
Als ich das Bootshaus übernommen habe, war meine Vision klar: Ich wollte einen Raum schaffen, der nicht nur ein Nachtclub ist, sondern eine Kulturstätte, die die elektronische Musikszene in Köln und darüber hinaus belebt. Der ursprüngliche Standort war zwar bescheiden, aber die Energie und Leidenschaft, die wir in jedes Event steckten, machte den Club mehr und mehr zu einem beliebten Treffpunkt für Musikliebhaber*innen. Die Idee entstand aus einer Kombination von Leidenschaft für Musik und einer Gelegenheit, die wir in der Deutschen Clubszene sahen. Die ersten Events im Bootshaus waren geprägt von einer experimentellen Herangehensweise. Wir buchten upcoming DJs, die innovative Sets spielten und oft neue Musikrichtungen erforschten. Es war eine Zeit des Austauschs und des gemeinsamen Lernens, was dazu beitrug, die Grundlagen für das zu legen, was das Bootshaus heute ist. In den folgenden Jahren haben wir weiterhin in unsere Technik und Ausstattung investiert und gleichzeitig die Beziehungen zu internationalen Künstler*innen ausgebaut. Davor bin ich privat ab und zu im Bootshaus als Gast gewesen, und als ich in eine Event-Reihe investierte, begann ich, verstärkt mit dem damaligen Management zu sprechen. Es dauerte nicht lange, bis ich merkte, dass die Chancen der Location unterschätzt wurden und machte daher ein Angebot, sie zu übernehmen.

Was waren deiner Meinung nach die Schlüsselmomente in der Geschichte des Clubs, die zum heutigen Erfolg beigetragen haben?
Einer der frühesten und wichtigsten war definitiv die Entscheidung, den Club nicht nur als lokalen Treffpunkt, sondern als internationale Bühne für elektronische Musik zu positionieren. Dieser Schritt erforderte erhebliche Investitionen in unsere Sound- und Lichttechnik, um weltweit führende Standards zu erreichen, was wiederum Top-DJs aus der ganzen Welt anzog. Ein weiterer Schlüsselmoment war die Einführung unserer eigenen Festivals und Großveranstaltungen. Diese Events erweiterten nicht nur unsere Reichweite und unseren Einfluss, sondern etablierten das Bootshaus auch als einen zentralen Ort für die elektronische Musikszene in Europa. Die erfolgreiche Organisation und Durchführung dieser Großevents hat das Profil des Bootshauses erheblich gesteigert und unsere Community weiter gefestigt. Die Anpassung an die digitale Welt war ebenfalls entscheidend. Mit dem Aufkommen von Social Media haben wir aktiv Plattformen genutzt, um mit unseren Gästen in Verbindung zu bleiben und unsere Events zu bewerben. Dies hat geholfen, eine globale Community aufzubauen und die Marke Bootshaus international bekannt zu machen. Ein weiterer bedeutender Moment war für uns die Ausweitung unserer Programmgestaltung auf vielfältigere Musikgenres und kulturelle Veranstaltungen. Diese Diversifizierung hat es uns ermöglicht, ein breiteres Publikum anzusprechen und unseren Gästen eine reichere, vielfältigere Cluberfahrung zu bieten.
Die meisten Wege nach ganz oben sind oftmals auch durch Herausforderungen geprägt. Welche Hürden gab es in den letzten zwei Jahrzehnten für euch?
Eine der größten war sicherlich die Anpassung an die sich ständig ändernden Trends in der Musikindustrie und bei den kulturellen Vorlieben unserer Gäste. Das fortwährende Streben, aktuell und relevant zu bleiben, erforderte eine permanente Erneuerung unseres musikalischen Angebots und unserer Veranstaltungsformate. Die wirtschaftlichen Schwankungen, insbesondere die durch die Corona-Pandemie bedingten, stellten unsere Geschäftsführung auf die Probe. Die Pandemie führte zu einer vorübergehenden Schließung des Clubs und erzwang eine komplette Neubewertung unserer Betriebsstrategien, um finanziell überleben zu können und gleichzeitig unsere Mitarbeiter zu unterstützen.
Der Club ist mittlerweile eine weltweite Institution. Wie beeinflusst diese Reputation euren Alltag, euer Booking und eure Ideen im Allgemeinen?
Die weltweite Anerkennung des Bootshauses als führender Club in der elektronischen Musikszene hat unseren Alltag in vielerlei Hinsicht beeinflusst. Zum einen erleichtert sie das Booking von Top-DJs und Künstlern, da diese immer aktiver daran interessiert sind, bei uns aufzutreten. Diese Reputation zieht auch neue Talente an, die ihre Karriere vorantreiben wollen, indem sie auf einer unserer Bühnen stehen. Im täglichen Betrieb hat unser Ruf uns geholfen, Partnerschaften mit globalen Marken und Sponsoren zu etablieren, was wiederum unsere Fähigkeit verbessert hat, größere und innovativere Events zu veranstalten. Zudem motiviert uns die Anerkennung, ständig nach neuen und einzigartigen Wegen zu suchen, das Erlebnis für unsere Gäste zu verbessern und zu erweitern.

Welche Specials und Top-Events dürfen die Gäste im Jubiläumsjahr erwarten?
Zum 20-jährigen Jubiläum des Bootshauses haben wir bereits einige Highlights in diesem Jahr präsentieren können. Das Team ist aber weiterhin dabei, ein aufregendes Programm zusammenzustellen, das die Vielfalt und den einzigartigen Charakter unseres Clubs widerspiegelt. Zu den Highlights gehören exklusive Auftritte von weltbekannten DJs, die in den letzten zwei Jahrzehnten eine enge Verbindung zu unserem Club aufgebaut haben, aber auch von neuen aufstrebenden Newcomer*innen, die uns hoffentlich die nächsten 20 Jahre begleiten. Zusätzlich haben wir mit dem Wechsel unseres Soundsystems von Funktion-One auf L-Acoustics in ein bedeutendes Upgrade investiert, von dem Team und Gäste gleichermaßen begeistert sind.
Oben angekommen, ist es oftmals schwer, die Messlatte auf dem Level zu halten. Welche Pläne und Visionen habt ihr kurz- und langfristig für das Bootshaus?
Kurzfristig planen wir, die technischen und visuellen Elemente unserer Events weiter zu verbessern, um das Erlebnis für unsere Gäste auf ein neues Level zu heben. Dazu gehören die Implementierung modernster Sound- und Lichttechnik sowie die Integration interaktiver Elemente, die das Publikum noch stärker in die Performance einbeziehen. Langfristig möchten wir das Bootshaus als einen zentralen Knotenpunkt für die elektronische Musikszene weiter etablieren und unsere internationalen Beziehungen ausbauen. Dies beinhaltet die Zusammenarbeit mit anderen renommierten Clubs und Festivals weltweit, um Austauschprogramme und gemeinsame Veranstaltungen zu initiieren. Dadurch können wir neue Märkte erschließen und unser Netzwerk erweitern.
Ein weiterer langfristiger Fokus liegt auf der Nachhaltigkeit. Wir planen, unsere Betriebsabläufe umweltfreundlicher zu gestalten und nachhaltige Praktiken zu fördern, sei es durch den Einsatz erneuerbarer Energien, die Reduzierung von Abfall oder die Unterstützung nachhaltiger Projekte in der Clubszene. Wir möchten sicherstellen, dass das Bootshaus nicht nur für musikalische Innovation, sondern auch für soziales und ökologisches Verantwortungsbewusstsein steht.

Durch das Bootshaus sind im Laufe der Jahre auch sehr erfolgreiche Event-Reihen entstanden, die mittlerweile international sehr erfolgreich agieren, darunter Nibirii, Blacklist, Unreal, Am Blankenwasser etc.
Das stimmt, ein wichtiger Baustein für uns. Die Eventreihe Blacklist begann 2015 im Bootshaus und folgte auf die frühere Serie „Wobble“. Ihr erstes Event fand in der BLCKBX, quasi unserem zweiten Floor, statt, einer damals noch kleinen Nische für Bassmusik in Deutschland. Trotz des anfangs begrenzten Publikums erlangte Blacklist schnell Popularität durch das markante Design und die beeindruckende Energie der Events. Mein erster Besuch bei einer Blacklist-Party war ein unvergessliches Erlebnis, die Intensität und Leidenschaft der Gäste war beispiellos. Mit dem globalen Wachstum der Bassmusik-Szene wuchs auch die Blacklist-Familie in Deutschland. Die Serie erweiterte sich zu einem festen Bestandteil großer Festivals wie Parookaville, Electric Love und Nature One. Seit 2019 veranstalten wir das Blacklist Festival in der Turbinenhalle, das mittlerweile 7.500 Besucher*innen anzieht. Was einst als kleine Party in der BLCKBX begann, ist zu einem bedeutenden Festival herangewachsen – eine erstaunliche Entwicklung, auf die wir sehr stolz sind.
Eine ähnliche Story hatte auch Nibirii, oder?
Ja, die Entwicklung des Nibirii Festivals ist ebenso beeindruckend. Ursprünglich als Club-Party gestartet, ist Nibirii heute ein Festival für 25.000 Personen. Dieses Jahr feierten wir den siebten Geburtstag des Nibirii. Das erste Festival fand 2019 statt, nur zwei Jahre nach der ersten Party. Die einzigartige Kombination aus Goa, Techno und Drum ‘n‘ Bass verleiht jedem Event seinen eigenen, unverwechselbaren Charakter und zieht eine breite und diverse Anhängerschaft an. Inzwischen hat sich Nibirii zu einer eigenständigen Marke entwickelt, die in verschiedenen Locations stattfindet und kontinuierlich neue Fans – die sogenannten Nibiriians – gewinnt. Diese Vielfalt und der besondere Vibe machen Nibirii zu einem herausragenden Erlebnis in der Festivalwelt.

Unreal steht für Techno und ist mittlerweile auch über Köln hinaus bekannt.
Die Unreal-Serie wurde 2020 im Bootshaus ins Leben gerufen, doch die Pandemie unterbrach leider bald ihre Entwicklung. Die ursprüngliche Idee war, ein neues Konzept zu schaffen, das den Boiler-Room-Vibe in den Vordergrund stellt. Der markante technische Aufbau mit LEDs über und unter dem DJ-Pult wurde schnell zum Markenzeichen der Reihe und rückt die Performance der Acts ins Zentrum des Geschehens. Einzigartige Visual- und Lichtkonzepte, umgesetzt in verschiedenen On- und Off-Locations weltweit, steigern die Begeisterung für Unreal stetig. Die rasche Zunahme der Bekanntheit und die Begeisterung des Publikums sind beeindruckend. Obwohl die Zukunft schwer vorherzusagen ist, sehen wir mit großer Vorfreude der weiteren Entwicklung dieser dynamischen und innovativen Eventreihe entgegen.
Trotz des Erfolgs gibt es, vor allem in Deutschland und Europa, jede Menge Clubs und Festivals mit enormen Schwierigkeiten. Gründe dafür sind u.a. ein verändertes Ausgehverhalten beim Publikum sowie verminderte Kaufkraft. Inwieweit ist das Bootshaus von dieser Entwicklung betroffen, wie seht ihr allgemein die Entwicklung im Nachtleben und welche Maßnahmen werden eurerseits getroffen, um dem entgegenzuwirken?
Das Bootshaus spürt natürlich auch die Veränderungen im Ausgehverhalten und die finanziellen Einschränkungen, die in der Gesellschaft vorherrschen. Wir sind jedoch in der Lage, diesen Herausforderungen durch eine Reihe von strategischen Maßnahmen entgegenzuwirken. Zum einen setzen wir auf eine ständige Erneuerung und Diversifizierung unseres Eventangebots, um neue und wiederkehrende Besucher*innen anzuziehen. Wir achten darauf, dass unser Programm vielfältig und inklusiv ist, um unterschiedliche Interessen und demografische Gruppen anzusprechen. Zudem haben wir unsere Marketingstrategien angepasst, um gezielter und effektiver mit unserem Publikum zu kommunizieren, besonders über digitale Kanäle. Dies hilft uns, eine stärkere und persönlichere Verbindung zu unseren Gästen aufzubauen.
Wir beobachten auch sorgfältig die wirtschaftlichen Trends und passen unsere Preisgestaltung entsprechend an, um sicherzustellen, dass unsere Veranstaltungen für ein breites Publikum zugänglich bleiben. Zusätzlich investieren wir in Partnerschaften und Kooperationen, die es uns ermöglichen, Synergien zu nutzen und das Erlebnis im Bootshaus weiter zu bereichern. Insgesamt sehen wir die derzeitigen Herausforderungen im Nachtleben als Chance, innovativ zu sein und uns weiterhin als führende Kraft in der Clubszene zu positionieren. Wir sind überzeugt, dass durch Kreativität, Community-Engagement und eine klare strategische Ausrichtung das Bootshaus weiterhin erfolgreich sein wird.

Wir hatten das Thema bereits eben – das Bootshaus scheint in Sachen Technik, Sound und Co. immer am Puls der Zeit zu sein – wie seht ihr die nächsten Jahre auf diesen Gebieten? Könnte z.B. KI eurer Meinung nach bald in das Nachtleben einkehren?
Im Bootshaus streben wir ständig danach, technologisch führend zu sein, und die nächsten Jahre werden keine Ausnahme sein. Ob speziell KI uns eine Hilfe sein wird, muss man abwarten. Wir sind in einer hochkreativen Branche, in der es hauptsächlich um das gemeinsame Erlebnis geht. KI wird bei den Events selbst daher wenig von Bedeutung haben, denke ich. Wir sind jedoch daran interessiert, die Sicherheit und Effizienz unserer Abläufe im Club und im Management stetig zu optimieren, und hier könnte KI sicherlich in Zukunft weiterhelfen.
Eure Message an eure treuen Besucher*innen?
Um es kurz zu halten – vielen Dank für 20 Jahre unerbittliche Unterstützung! Die Energie, die ihr in jeder Nacht in diesem Club verbreitet, ist weltweit einzigartig. Wir freuen uns auf die nächsten 20 Jahre mit euch!
Aus dem FAZEmag 148/06.2024
Text: Triple P
Foto: Julian Krenn
www.bootshaus.tv