Boss RC-505 – Loopenrein

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So richtig viel bewegt hat sich in den letzten Jahren ja nicht in jenem Instrumentensegment, das von der Roland Corp. überhaupt erst erschaffen wurde: Grooveboxes. 1996 mit der MC-303 gestartet, erreichte der Hype mit der MC-505 (1998) und MC-909 (2002) seinen Höhepunkt. Schon an dieser Linie wird erkennbar: Die Hardware-Grooverei hatte sich im Laufe der Zeit deutlich aufs Sampling verlagert. Auch die bislang letzte Groovebox des Jahres 2006 mit der Bezeichnung MC-808 war folgerichtig ein reiner Groove-Sampler. Weitergereicht wurde die Idee des Live-Samplings bereits 2001 ebenfalls für das traditionelle Rock- und Pop-Genre in Form eines Fußschalters. Das erste Phrase-Sampling-Pedal trug das Kürzel RC-20 und wurde über die kleine Roland-Tochter Boss veröffentlicht, da diese seit je her auf derartiges Equipment spezialisiert ist. Nachdem vor zwei Jahren die Boss Fußschalter-Abteilung mit den Modellen RC-3, -30 und -300 nochmal deutlich Zuwachs bekam,  folgt jetzt die (Rück)Verwandlung in ein DJ-Tool. Das Pedal wandert als Desktopvariante mit der Bezeichnung RC-505 zurück auf den Tisch.

Hand und Fuß

Vorbildlich ist das grundsätzliche Layout gelöst, horizontal unterteilt eine globale Sektion und die hervorgehobene Phrase-Sampler-Sektion mit den fünf einzelnen „Spuren“. Letztere sind sehr anschaulich separiert und mit derartig dicken Funktionstasten ausgestattet, dass es selbst für Rapper vom körperlichen Schlage eines Notorious B.I.G.R.I.P. keine Bedienungsprobleme geben dürfte. Beispielhaft seien die ultrafetten, rutschfesten Play-Buttons für jede Spur erwähnt, die je nach Status ihre Farbe ändern. Ergänzt wird jede Spur um einen Stop- sowie Edit-Button. Das gleichermaßen ergonomische wie urige Design macht den RC-505 definitiv zu einem Hardware-Sampler, wie man ihn vorher noch nicht gesehen hat. Wer mag, kann die Abstammung vom Boss-Pedal RC-300 durchaus noch erkennen.

In der oberen Hälfte wurden traditioneller Weise die übergreifenden Funkionen untergebracht. Ganz links befindet sich die Input-Effektabteilung mit drei Bänken und jeweils 25 Digitaleffekten (s. Featureliste). Diese Effekte lassen sich allerdings nicht „multi“ koppeln, sondern immer nur einzeln mit dem eingehenden Signal aufnehmen.  Gleiches gilt für Track-Effekte auf der rechten Geräteseite. Auch hier sind drei Bänke mit den bekannten 25 Single-Effekten untergebracht. Diese werden zwar als Track-Effekte bezeichnet, sind aber letztendlich globale Effekte, die für alle fünf Tracks (= Spuren) gültig sind. Möchte man einen Track dem Effekt entziehen, muss man die Zuweisung spurintern auf „Off“ schalten. „Echte“ Mastereffekte gibt es mit dem „Compressor“ und ein „Reverb“ aber ebenfalls noch. Die Effektklangqualität schwankt je nach Typ zwischen „okay“ bis „wow!“, wie das eben bei solch einer breiten Palette immer so ist. Vor allem die Robot und Vocoder-Typen sind bei Vocalaufnahmen ein echter Gewinn.

Zwischen den beiden Effektsektionen lassen sich über separate Drehregler die Stärken der Eingangssignale für Mikrofon sowie Instrument einstellen. Dem zusätzlichen Miniklinke-Eingang ist kein eigener Level-Regler zugeordnet – die richtige Lautstärke muss folglich direkt am Zuspieler (z.B. MP3-Player) eingestellt werden. Mittig wurde schließlich ein zweizeiliges LC-Display eingelassen, wie man es von etlichen Roland-MC-Modellen oder auch Boss RC-300 kennt. Zwei Zeilen sind natürlich nichts, was in irgendeiner Weise grafisches Arbeiten zuließe. Auch bringt der Looper keine wesentlichen Sample-Bearbeitungswerkzeuge mit. Er ist ganz und gar auf schnelle Live-Performances ausgelegt. Ein Software-Sampler und sonstiger Editor seitens Boss existieren übrigens bislang ebenso wenig. Für umfassende Klangbearbeitungen muss man also einen Fremdsampler bemühen. Immerhin: Über die Page-, Write-, System-, Memory- und Exit-Buttons sowie den Value-Encoder des RC-505 lassen sich die internen Geschehnisse recht umfangreich und übersichtlich verändern. Zum Glück springt auch immer gleich die entsprechende Seite im Display auf, sobald man einen bestimmten Funktionsbutton betätigt.

Nicht überzeugen kann die Chassisqualität. Deren Kunststoffstabilität gibt, vor allem im Hinblick auf einen Live-Betrieb, durchaus Anlass zur Sorge. Auch die kurzen Lautstärkefader der einzelnen Spuren sowie großen Effektdrehregler enttäuschen. Zwar sind sie uneingeschränkt funktionsfähig – nur wie lange? Von der Robustheit der RC-Pedale ist dieser Desktopper meilenweit entfernt.

Und es macht immer loop loop

Die grundsätzliche Bedienung ist, nach einem kurzen Blick in die Anleitung, simpel und schlüssig. Man schließt einen Klanggeber (Mikrofon, Instrument, DAW) an, startet die Aufnahme der gewünschten Spur und schon ist die Phrase im Kasten. Dennoch ist für einen flüssigen Umgang eine gewisse Übung nötig, denn der RC-505 verzeiht (fast) keine Fehler. So sollte man seine Aufnahmespuren, speziell bei taktabhängigem Material, in jedem Falle vorbereiten. Zum einen, was die Phrase-Länge betrifft. Hier kann für jede Spur das Taktmaß und die Taktlänge voreingestellt werden. Das ist zwar zunächst etwas nervig. Wird aber später durch extrem flinke und flexible Möglichkeiten des Phrasen-Dreschens belohnt. Zum anderen sollte man den Aufnahmen ein gemeinsames Grundtempo, beispielsweise das seiner DAW, zugrunde legen, damit die Mitschnitte möglichst ad hoc richtig im Raster sitzen. Rückseitig besitzt der RC-505 sowohl klassische MIDI-Ports wie auch einen USB-Anschluss, über die die Steuerung erfolgen kann. Ganz wichtig: Das Track-Tempo in jeder Spur möglichst auf „SyncOn“ stellen. Dadurch ist gewährleistet, dass Phrasen unterschiedlicher Geschwindigkeiten dem Grundtempo durch Strecken oder Stauchen angepasst werden. Dem (natürlich auch am RC-505 einstellbaren) Grundtempo ist auch eine stets parallel getaktete Rhythmuseinheit zugeordnet.  Diese lässt sich als Begleitung zuschalten, falls jemand ein Metronom für manuelle Voice-, Beat- oder Synthesizereinspielungen benötigt. Einmal auf Spur verewigt, werden auch diese Parts später exakt in die Schablone des Grundtempos gepresst. Die Phrasen-Originalaufnahme bleibt jedoch in der Geschwindigkeit unverändert erhalten. Der RC-505 ist also ein Meister der automatisierten Spursynchronisation. Das hat aber auch seine Grenzen. So ist es beispielsweise nicht möglich, Start und Endpunkt gezielt zu verschieben oder komplette Ausschnitte im Raster zu verschieben. Dafür sind aber andere, bemerkenswerte Live-Optionen vorhanden. So kann der aktuellen Spur per Overdub immer wieder ein neues Instrument hinzugefügt  werden. Vor allem hier ist extrem wichtig, möglichst im Takt zu arbeiten und alle Möglichkeiten der Auto-Quantisierung voreingestellt zu haben. Dank Undo/Redo-Funktion ist es immerhin möglich, bei einer völlig missglückten Aufnahme einen Schritt zurückzukehren.

Wer die einzelnen Instrumente nicht auf einer Spur vereinen sondern auf mehrere verteilen möchte, hat auch dazu die Möglichkeit. Dazu wechselt man nach Einspielen der Aufnahme von Spur 1 ansatzlos in den Aufnahmemodus der Spur 2. Während Spur 1 automatisch fortgeloopt wird, lässt sich Spur 2 perfekt getimt separat einspielen. Das funktioniert natürlich nur, wenn auch die Ausgangsklänge schon getrennt vorlagen. Nachträglich zusammenführen lassen sich die Phrasen zwar nicht. Re-Sampling ist ebenso wenig möglich. Dafür lässt sich, wiederum in den Phrasen-Voreinstellungen, jedoch festlegen, welche Samples als Multi gemeinsam abgespielt werden, ob und wie lange sie geloopt werden usw. Die klassischen Funktionen eines Phrase Samplers eben. Löschen lassen sich die Spuren ganz unkompliziert, in dem der Edit-Button 2 Sekunden gedrückt wird.

Bitte nie vergessen, die Samples sofort zu speichern. Solange sie einfach nur aufgenommen sind, sind sie noch flüchtig und nach Abschalten des Instrumentes verloren. Der interne Speicher stellt Platz für 99 Phrasen und 3 Stunden Spielzeit in Stereo bereit – also exakt die des Boss-Pedals RC-300. Auch  wird ebenfalls im WAV-Format in 44,1 kHz/16-bit Qualität aufgezeichnet. Die Phrasen lassen sich direkt am Tool in der Speicherposition tauschen und kopieren, ebenso ist es möglich, sie über den USB-Ausgang auszulagern und den RC-505 mit neuen WAVs zu bestücken. Auf dem Computer wird der RC-505 nach der Treiberinstallation als Speichermedium erkannt. Spätestens hierbei beginnt man einen Software-Editor übrigens wirklich zu vermissen. Diesbezüglich sollte Boss unbedingt nachlegen.

Wo man singt …
… da lass dich ruhig nieder. Der RC-505 ist sicherlich ein Sparten-Tool, das sich vor allem an Gesangskünstler jeder Couleur vom Rapper und MC über den Beatboxer bis zum Pop- und House-Vokalisten richtig. Hat man die Möglichkeiten und Arbeitsweise verinnerlicht, lassen sich stimmliche und rhythmische Elemente in Windeseile synchronisiert einspielen, schichten, umbauen und wieder verwerfen. Fünf Stereospuren mit insgesamt drei Stunden Aufnahmekapazität lassen sogar eine notbehelfsmäßige Verwendung als Recording Unit denken. Für komplexe Rhythmus-Arrangements oder umfangreiche Samplebearbeitungen eignet sich das Gerät nicht. Das war aber auch gar nicht Teil des Konzeptes. Ein mobiler Phrase-Sampler ist eben kein Drum- oder ausgewachsener Studio-Sampler. Einen Probelauf wert ist der RC-505 aufgrund seiner innovativen Herangehensweise an das Thema Live-Sampling allemal.

Roland/Boss MC-505 Loopstation

  • Spuren: 5 Stereo

Pro Spur: Edit, Play, Stop, Overdub, Volume-Fader

  • Speicher: 99 Phrasen, ca 3 Std. gesamt
  • Aufnahmeformat: WAV (44,1 kHz/16-bit)
  • Effekte: Input und Track, je 3 Bänke

Effekttypen:
Filter, Phaser, Flanger, Synth, LoFi, Guitar to Bass, Transpose, Robot, Vocal Distortion, Vocoder, Comp, EQ, Isolator, Octave, Pan, Sliver, Delay, Tape Echo, Granular Delay, Chorus, Reverb, Beat Repeat, Shift, Beat Scatter, Vinyl Flick

  • Master-Effekte: Compressor, Reverb
  • Rhythmus-Sektion: 85 Pattern
  • Anschlüsse:
    Input MIC-Buchse: XLR (symmetrisch, mit Phantomspeisung)
    Input INST (L/Mono, R): Klinke,
    Input AUX: Stereoklinke,
    Line Out (L/Mono, R): Stereoklinke,
    Control 1,2/EXP: TRS-Klinke

MIDI-In/Out
USB: Mass Storage, Audio/MIDI.

  • Preis: 653 EUR UVP (ca. 550 EUR Straße)

www.rolandmusik.de
www.bossmusik.de

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