Braxe + Falcon – French House is back

Braxe + Falcon – French House is back / Foto: Stephane Queme

Sowohl Alan Braxe als auch Stéphane Quême aka DJ Falcon haben mit ihrem Output im Laufe ihrer Karrieren wahre Musikgeschichte geschrieben. Braxe war für einige der wichtigsten und House- und Popmusik-Platten der späten 90er- sowie frühen 2000er-Jahre verantwortlich, darunter „Music Sounds Better With You“ als Stardust mit Benjamin Diamond und Thomas Bangalter von Daft Punk, sowie zahlreiche Remixe für Acts wie Beyoncé, Britney Spears, Kelis, Kylie Minogue und andere. Bangalter hingegen arbeitete in seinen frühen Tagen auch mit DJ Falcon zusammen und so veröffentlichten beide die French-Touch-Hymne „So Much Love To Give“. Neben wichtigen Remixen für Phoenix, Cassius und Justice hat Falcon zuletzt „Contact“, den explosiven Abschlusstrack von Daft Punks Album „Random Access Memories“ aus dem Jahr 2013, mitproduziert, geschrieben und mitgespielt. Nun haben Braxe und Quême – sogar als Cousins verwandt –  mit „Step By Step“ ihre erste Zusammenarbeit als Braxe + Falcon veröffentlicht. Erschienen sind die beiden Titel auf dem neuen Sublabel Smugglers Way von Domino, das sich auf Dance und Electronic fokussiert.

Beide veröffentlichten in den frühen 2000er-Jahren auf Bangalters Label Roulé – eine Zeit der „jugendlichen Unbekümmertheit“, wie sie beide diese Phase nennen. Eine Welt der Entdeckungen, wo ohne großartige Regeln oder vorgefasste Meinungen einfach nur Musik gemacht wurde, erinnert sich DJ Falcon: „Unser damaliger Geisteszustand war sehr DIY, ähnlich wie beim Punk, nur mit anderen Instrumenten. Jahre später versuchten wir dann, unseren Sound zu optimieren, mehr zu lernen und die Kontrolle über den gesamten kreativen Prozess zu gewinnen. Diese Geisteshaltung in Kombination mit dem Fortschritt der Computerwelt war nicht unbedingt gut für uns. Am Ende hatten wir zu viele Optionen, zu viele Plug-ins oder virtuelle Instrumente, mit denen wir umgehen mussten, und manchmal kann so eine Situation kontraproduktiv sein. Es dauerte eine Weile, bis wir verstanden, dass das, was wir wirklich mögen und was vielleicht das Interesse an unserer Musik ausmacht, all die Unvollkommenheiten sind, die sie enthält, und dass wir im kreativen Prozess bewusst die Kontrolle verlieren. Unsere Liebe für das Oszillieren zwischen Melancholie und Hoffnung, das aus der Verwendung von sich wiederholenden musikalischen Phrasen und Loops entsteht, ist für uns heute noch genauso inspirierend wie vor zwanzig Jahren.“

Dabei hatten die beiden ihre erste gemeinsame Studio-Session bereits vor sieben Jahren, berichtet Braxe: „Wir haben damals eine Menge Demos aufgenommen, aber es ging nicht weiter. Wahrscheinlich waren wir noch nicht bereit, die Tatsache zu akzeptieren, dass wir uns langsam von richtiger Dance-Musik zu etwas ganz anderem hinbewegen würden. Die Pandemie und die Abriegelung haben uns geholfen, einen Schritt zurückzutreten, uns zu entspannen und zu erkennen, dass es am wichtigsten ist, sich vorwärts zu bewegen und dabei unsere vorgefasste Ideologie darüber loszuwerden, was unsere Musik sein sollte.“ Braxe fügt hinzu: „Modulare Synths sind eine faszinierende Welt, in der man unbegrenzte Kreativität erlangen kann, aber innerhalb eines geschlossenen Rahmens im Gegensatz zur Computerwelt. Modulare Synthesizer erzeugen immer wieder glückliche Zufälle, Sequenzen oder Sounds, die man sich selbst nicht hätte ausdenken können. Das ist eine großartige und wichtige Inspirationsquelle. Es ist eine sehr gute Möglichkeit, sich zu entspannen und den Kopf frei zu bekommen.“

Und so wurden im Studio zunächst alle möglichen Ideen aufgenommen – seien es eintaktige Loops oder auch mal komplexere Arrangements, die auf Loops basierten. Dieser Prozess wurde sowohl gemeinsam im Studio als auch digital aus der Ferne heraus umgesetzt: „Der globale Ansatz bei der Arbeit an dieser EP war, das Studio so einfach wie möglich zu gestalten und einfach alles zu jeder Zeit aufnehmen zu können. Wenn du mit modularen Synthesizern spielst, kannst du ganz einfach Dutzende von interessanten Sounds oder Sequenzen erzeugen, aber du kannst sie auch ganz einfach wieder verlieren, indem du an einem Regler drehst“, erinnert sich Braxe.

Was die Hardware angeht, hat das Duo intensiv am Buchla Modular gearbeitet, einem System mit zehn Modulen, das zeitgleich als Hauptklangquelle diente. Aber auch andere Tools spielten eine wichtige Rolle: „Der Strymon Magneto war sehr wichtig. Dieser Effekt ist erstaunlich, da er auf natürliche Weise eine Art automatische Orchestrierung erzeugt. Für Leute wie uns, die sich nicht so gut mit Harmonie auskennen, ist er ein sehr hilfreiches und kreatives Werkzeug. Wir haben versucht, die MPC 3000 in das Setup einzubauen, aber wir haben es aufgegeben, weil dieses spezielle Instrument vielleicht besser ist, wenn man es ohne Computer benutzt. Als DAW nutzten wir Ableton wegen des kreativen Aspekts und beendeten die Tracks im Digital Performer, der eine viel bequemere Umgebung zum Bearbeiten und Mischen bietet. Einige wichtige Plug-ins waren etwa der Abbey Road Reverb, die Bandsimulation und die Sättigung von Waves. Modulation, Kompressoren und Reverbs von Universal Audio sind auch Teil der EP.“

„Step By Step“ enthält den Gesang des bekannten French-Touch-Liebhabers Noah Benjamin Lennox aka Panda Bear, dessen Stimme sich mit hypnotischen Akkorden und sirupartigen Synthesizern zu einem Endprodukt verbindet, das in seiner Einfachheit glänzt. Braxe und Falcon erklären: „Das Instrumental könnte man als eine Downtempo-Variante der Clubtracks der Roulé-Ära sehen. Panda Bear schrieb und sang fantastische Vocals und verwandelte das Instrumental in einen wunderschönen Song, den man in seiner endgültigen Form als Power-Ballade mit französischer House-DNA definieren könnte.“ Initiiert wurde die Kollaboration von Domino-A&R und Smugglers-Way-Gründer Peter Berard: „Wir haben uns nur per E-Mail ausgetauscht. Der ganze Prozess hätte nicht einfacher sein können. Wir schickten ihm einen Entwurf von ,Step by Step‘ und er schickte uns seinen Gesangspart zurück. Als wir ihn zum ersten Mal hörten, hatten wir eine Gänsehaut und das Gefühl, dass Noah eine tolle Performance abgeliefert hatte, die perfekt zur Musik passte. Danach haben wir den Instrumental-Entwurf in eine Def-Version umgewandelt, wobei wir hauptsächlich am Schlagzeug, einigen Synthesizer-Arrangements und natürlich dem Mixdown gearbeitet haben.“ Im Gegensatz dazu kommt der Titel „Creative Source“ kräftiger daher und ist das Produkt eines alten Samples von DJ Falcon – ein kurzer zweideutiger Gesangsrefrain – der sich seit 20 Jahren in seinen Dateien befand. Für die beiden enthält das Sample alle Emotionen, die sie persönlich lieben, die perfekte Balance zwischen Glück, Melancholie und Power.

Für Berard, der mit Smugglers Way – benannt nach der Adresse des Londoner Büros – noch ganz am Anfang steht, bedeutet das neue Projekt eine Erforschung neuer Genres innerhalb der Domino-Welt, aber auch die Möglichkeit, neuen sowie befreundeten Acts eine Plattform zu bieten: „Die Philosophie des Imprints wird am besten durch unsere ersten Veröffentlichungen mit Alan und DJ Falcon verdeutlicht. Angesichts des Einflusses, den die beiden Künstler mit ihrem rauen und abenteuerlichen Ethos auf uns und unsere Kultur hatten, hätten wir uns kein repräsentativeres Projekt für den Start von Smugglers Way vorstellen können. Um den Gründungsmitgliedern der elektronischen Musik und der Dance-Musik-Kultur Respekt zu zollen, haben wir die EP vorab als anonyme White-Label-12″ veröffentlicht, die nur in ausgewählten Plattenläden erhältlich ist.“

Die zweite Katalognummer wird mit Ela Minus und DJ Python die Mission, qualitativ hochwertige Dance-Musik zu veröffentlichen, weiter manifestieren: „Die grenzüberschreitenden Sounds und Stile der beiden Künstler*innen haben uns geprägt und wir fühlen uns sehr geehrt, ihre Musik als eine unserer ersten Veröffentlichungen zu haben. Die EP von Ela Minus & DJ Python wird jetzt schon bald im September veröffentlicht.“

 

Aus dem FAZEmag 127/09.2022
Text: Triple P
Foto: Stephane Queme
www.instagram.com/smugglersway