Brian & Roger Eno – Mixing Colours (Deutsche Grammophon)

Während die ganze Welt wegen der Coronavirus-Ausbreitung einerseits in Aufruhr, andererseits paradoxerweise fast zum Erliegen gekommen ist, kommt die gemeinsame Kollaboration zweier (Super-)Stars der Musik-Szene erstmals auf einem gemeinsamen Album raus. Es ist zwar nicht die erste und nicht die einzige Zusammenarbeit zwischen Musiker, Produzent, Musiktheoretiker und Künstler Brian Eno, seines Zeichens Mitbegründer der legendären Band Roxy Music, und seinem elf Jahre jüngeren Bruder, Komponist und Pianist Roger Eno. Aber erstens das erste Duo-Album. Und zweitens eines mit einer besonderen Entstehungsgeschichte. Es begann damit, dass Roger Eno einzelne Stücke auf einem MIDI-Keyboard spielte und aufnahm. Die digitalen MIDI- Dateien dieser Aufnahmen schickte er seinem älteren Bruder, der jedes Stück in eine eigene Klangwelt übersetzte, den Inhalt überarbeitete und manipulierte. Das Zusammenspiel der Brüder entfaltete sich, während sich das Projekt entwickelte. Die frühesten Stücke von „Mixing Colours“ nahmen um 2005 Gestalt an, waren ursprünglich aber nicht als Teil einer größeren Sammlung gedacht. Das Album ist als Meditation über Klangschattierungen und Timbres gedacht, um den Raum zwischen instrumentalen Klanginseln konzeptuell auszuloten, wie Brian Eno es schildert.

Ob die Brüder diesem experimentellen Anspruch gerecht werden, darüber kann man sich streiten. Vielmehr ist das Ambient-Album ein Hörerlebnis von hoher Ästhetik und Qualität, mit der Atmosphäre der Intimität, die ein wortloses Gespräch zwischen zwei Brüdern kreiert. Wenngleich kein Werk von aufregend-revolutionärer Natur, so ist dieses Ambient-Album mit seinen 18 Stücken, die bis auf einen alle nach Farben benannt und in einer anderen Zeit, ja, in einer anderen Welt, entstanden sind, aber vielleicht die schönste Art selbstgewählter und nicht durch Zwang auferlegter Entschleunigung, ein beruhigender Trost in diesen verrückten Zeiten, dass Virtuosität, Ästhetik und Poesie und deren Erlebnis unabhängig von äußeren Faktoren Bestand haben. 9/10 Csilla Letay