Britschmalro: Paul Brcic im Interview

Britschmalro

Erst letztens haben wir euch vom sehr ungewöhnlichen Projekt der Offenburger Formation Britschmalro berichtet: Ein Album, das nur auf extravagantem Vinyl erhältlich ist und von einer eigenen Weinsorte begleitet wird. „Vinyl de Table“ nennt sich das Ganze. Auch Paul Brcic, auch unter dem Namen Paul Brtschitsch, ist Teil dieses Projektes. Als DJ und Produzent ist er bereits jahrelang in der Szene unterwegs, hat sich dennoch mehr und mehr zurückgezogen. Um mehr über das Projekt, die Band und deren Musik zu erfahren – aber auch über Brcic selbst –, haben wir ihn gebeten uns ein paar Fragen zu beantworten.

Der Zusammenschluss bei Britschmalro ist in dieser Formation neu, kannst Du uns ein wenig zur Zusammenkunft von euch und auch zu den einzelnen Parts innerhalb des Projekts sagen?
So neu ist der Zusammenschluss gar nicht. Eigentlich mache ich wegen Mr.Rod Musik, zumindest verhalf er mir, als ich mit 16 Jahren an den ersten Tracks schraubte, eine 303 von seinem damaligen Studiokollegen auszuleihen, aus der dann die ersten Analog Confusion Platten auf Tritone entstanden sind. Er ist ein dauerhafter Wegbegleiter und so haben wir zusammen bereits an vielen Titeln zusammen geschraubt. Er ist der wirklich Kreative Kopf. Gerade wenn es auch um die Produktdesign-Idee der Holzlabels geht, die mit unserer gemeinsamen „perfect world“ Maxi ihren Einstand feierten. Malte war mir schon immer ein Begriff, besonders durch Andre Galuzzis „Im Garten“, für die ich die ganzen Edits und das Mastering machte. 2006 stand Rodgau mit Malte dann bei mir im Studio in Berlin.Die kurz darauf entstandene „Grow“-Maxi auf Resopal war daraufhin die Geburtstunde von Britschmalro.

Der Sound ist einerseits stark von dem neuen Klang des Paul Brcic beeinflusst, findet aber dennoch zu ganz anderen Formen. Welche Zielsetzung hattet ihr bei der Produktion?
Die Zielsetzung war sich eigentlich erst mal treiben zu lassen und keine Dogmen oder Hypes befriedigen zu müsse. Wir wollten unser Ding, unsere musikalischen Vorlieben aus 20 Jahren gelebter Clubmusik (bei Mr.Rod sind es mittlerweile 30) einfließen zu lassen. Wir wollen ein positives Lebensgefühl in der Musik zu vermitteln. Gerade in Zeiten wo einfach vieles nur noch nervt. Mich, Paul, z.B. nervt die ganze Dominanz von Selbstdarstellungstrieben gefördert durch Internetplattformen. Worum ging es denn eigentlich, als diese Musik geschaffen wurde? Die ganze Verkommenheit, allein nur noch „Business“ zu sein, hat doch im geringsten nichts damit zu tun, warum sich das ganze einst formiert hat. Dabei wirkt der Spaß an der Sache und vor allem die Musik, das wichtigste warum wir uns in Clubs überhaupt einst eigefunden haben, heutzutage oft wie aufgesetzt. Clubs buchen anhand von Likes, Followern und Clicks. All das ist aber käuflich. Genau genommen eine riesen Fake-Blase, der mit Schwarmintelligenz nachgeeifert wird. Man merkt, es stauten sich in den letzten Jahren Emotionen bei uns an. Die müssen irgendwann auch mal raus und die Musik bleibt dafür immer ein gutes Mittel. Deswegen machen wir zwar noch keinen Punk, aber immerhin hat es uns für die Live-Shows mittlerweile zu einem technoid schwebenden Cover eines Rio Reiser Songs bewegt.

Bricic_MarieStaggat

Ein Album zu dritt aufzunehmen ist sicher auch mit einer anderen Herangehensweise verbunden, als bei einem reinen Produzentenalbum. Welche Details haben auch zum eigentlichen Sound des Albums beigetragen?
Eben genau der Umstand zu dritt musikalische Intentionen in einen Titel zu packen. Instrumentale Gefühlswelten mit Vocals einen Namen zu geben, greifbarer vom Inhalt zu machen. Ein weiterer Punkt ist, dass wir in einem Zeitraum von über acht Jahren immer wieder Titel aufgenommen haben, umarrangiert, verworfen und neu editiert. So kam auch die Idee zu der Verknüpfung mit dem Wein und dem „Vinyl de Table“ Thema. Es sollte einfach seine Zeit zum reifen haben. Ob der Wein jetzt schmeckt, oder erst in ein paar Jahren, muss jeder für sich herausfinden.

Die Tracks sind mit einem sehr organischen und warmen Klang verbunden, gab es Einsatz von Live-Instrumenten oder bestimmter Hardware?
Alles was eben noch so übrig geblieben ist von den Zeiten, aus der man aus existenzieller Not Geräte verkauft hat. Aber im Endeffekt re-sampled man eben seine Synths und editiert, dreht und spielt Sachen Rückwärts ab. Mir fällt da immer wieder die Anekdote ein, das ich mal eine Karl Dall Platte vom Flohmarkt durch den Filter vom MS 20 gejagt hatte und auch das klang dann wieder wie ein Synthi-Sound, den es im Laden so nicht zu kaufen gibt. Wir empfinden die Kreativität zur Erfindung von Soundwelten nach wie vor als extrem reizvoll innerhalb der elektronischen Musik. Und Malte ist jemand der diese Welten extrem gut aufgreift, versteht und dann entsprechende Stimmungen in Form von Vocals gießt.

Das Album funktioniert im Prinzip sowohl im Clubkontext als auch zum zu Hause hören. Wie schwierig ist dieser Spagat?
Nicht so einfach, auf der anderen Seite aber doch. Es gibt diese Titel die funktionieren nur auf einer PA im Club. Dann gibt es welche, die funktionieren auf leiseren Soundwiedergabegeräten und die, die beides erfüllen. Mit Vocals hat man es immer einfacher Eingängig zu wirken, ohne das die Kraft des Basses zwingend überzeugen muss. Wir haben ein Mix aus beidem. Selbst wenn das Clubfeeling durch eine grosse Anlage nicht vorhanden ist, kann man immer noch den Gesangslinien und den greifbaren Sounds der Playbacks folgen. Nichts desto trotz entstehen in unseren Titeln im Club „unnerum“ wieder ganz eigene Schwingungen.

britschmalro

Ihr habt lange an dem Album gefeilt und bringt es nun in Kooperation mit einem jungen Winzer und einer eigens angefertigten Auflage Wein auf den Markt. Was steckt hinter diesem sehr ungewöhnlichen Konzept?
Dahinter steckt die Verknüpfung beider Produkte als Bekennung zur Rückbesinnung auf ein Schlagwort namens Wertigkeit. Fokus gesetzt auf Haptik, Optik und natürlich ein gewissen Grössenwahn beinhaltend, denn von vorne herein ist klar, wir werden die Herstellungskosten niemals wieder einspielen. Darum ging es aber auch nicht in der ursprünglichen Intention. Ein Winzer hat genau wie ein Musiker heutzutage gegen immer höheren Produktionsdruck zu kämpfen. Martin macht seinen Wein nach wie vor zur Herzensangelegenheit. Kein Einsatz von Chemie in der Produktion, keine Hektik auf dem Weinberg, handverlesene Trauben. Das kommt unserem Credo nahe und so war es ein schöner Zufall, dass er noch 60 Flaschen seines 2012 Rieslings „Hochheimer Hölle“ unetikettiert eingelagert hatte. „Vinyl de Table“ beschreibt in seiner Fusion die Platte im Zusammenspiel mit dem gleich etikettierten Wein. Wein und Musik haben viel gemeinsam. In diesem Fall sind es zwei Produkte entschleunigter Herstellungsprozesse, die in einer Veröffentlichung zusammenfinden und eines Unterstreichen wollen: Wir wollen ein Zeichen gegen die momentan vorherrschende digitale Inflation und deren Folgen in Bezug auf der Verschiebung der Wahrnehmung vom Wertigkeitsbewusstsein setzen! Auch wenn es das letzte Produkt ist was wir auf den Markt bringen.

Wein ist ja auch ein Inbegriff für ein gewisses “Erwachensein”. Inwiefern trifft das auch auf den Sound von Dir zu, Paul?
Ich könnte mir nichts schlimmeres vorstellen, als mit meinem Sound Erwachsen zu sein. Das kindliche, oder auch verspielte, macht meinen Sound seit jeher aus. Aber sicherlich ist das ein automatischer Prozess in dem man dazu neigt Verspieltheit nach und nach einzugrenzen. Ich bin mir dabei selbst immer noch nicht im klaren, ob das ein guter, oder weniger guter Prozess ist.

Du hast als DJ & Live Act viele Gigs abgelehnt, stets spielst aber beim Fusion Festival, in Israel oder auch in Buenos Aires. Ist dieses „Rarmachen“ auch eine Antwort von Dir auf die Entwicklung des Musikmarktes?
Nein. Fakt ist aber, ich mache nicht jeden Mist mit. Ich lehne wie bereits oben beschrieben Internetplattformen die primär dem Selbstdarstellungstrieb dienen, sowie alles andere was in meinen Augen mit der Musik nichts zu tun hat, kategorisch ab. Ich habe mir gesagt, bevor ich das mitmachen muss um als Musiker nach wie vor existieren zu können, suche ich mir etwas, damit ich dem entfliehen kann. So ist es gekommen: Seit letztem Jahr bin ich verstärkt im Gartenbau tätig, hab mir einen alten VW Bus gekauft und statt Musikinstrumente Heckenschere, Motorsense und Rasenmäher zugelegt und schau dem ganzen treiben vermehrt von außen zu. Da muss ich mich gar nicht rar machen, das funktioniert ab dem Moment, wo das ganze mystische und ungreifbare eines Künstler und dessen Musik in den inflationären Wogen des Internets schier Wertlos wird, von ganz alleine. Wenn eine Bookingagentur sagt, „Ja die Musik von Paul ist ja gut, aber er hat ja gar kein Facebook Account“, dann ist wohl die Zeit gekommen seine Schwerpunkte zu verlagern. Und das habe ich bereits getan. Dafür kann ich mir aber auch die Authentizität bewahren und mich so spannenden Projekten wie Britschmalro hingeben.

Produktfoto by Oliver Bartels

 

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